Voice Platforms — Ein Ausblick ins Jahr 2019

Malte Burkhardt
datenfreunde
Published in
7 min readNov 16, 2018

--

Status quo

In den vergangenen Jahren haben sich Voice Interfaces zu einer wichtigen Interaktionsform mit Inhalten entwickelt. Prognosen gehen davon aus, dass bspw. Suchen im Jahr 2020 zu 50% per Sprache ausgeführt werden.

In Deutschland, Europa und Nordamerika haben sich drei konkurrierende Plattformen entwickelt, die den Markt derzeit dominieren: Amazon/Alexa, Google/Assistant und Apple/Siri. Jede der drei Firmen verfolgt eine andere Strategie, die jeweils große Auswirkungen auf externe Anbieter haben, die über die jeweilige Plattformen ihre Inhalte verteilen wollen. Wenn man sich die Strategien der Plattformbetreiber genauer anschaut, kann man Schlüsse über das vermutliche weitere Vorgehen ziehen. So können sich Anbieter von Inhalten — zumindest in Teilen — auf die Zukunft vorbereiten.

Amazon/Alexa

Amazon, als der Marktführer des Jahres 2018, versucht mit allen Mitteln seine Hardware mit größtmöglicher Geschwindigkeit in möglichst viele Haushalte zu bringen und seine Position dadurch zu festigen.

Alexa ist der verlängerte Arm der Amazon-Shopping-Plattform, über den noch unkomplizierter bei Amazon eingekauft werden soll. Dieser Plan scheint zumindest kurzfristig nicht aufzugehen, da bisher nur ca. 2% der Nutzer dieses Shopping-Feature nutzen. Mit der Möglichkeit, dass externe Anbieter eigene Programme (Skills) auf den Geräten veröffentlichen können, versucht Amazon seine Smart Speaker als nützliche Geräte in Haushalten zu etablieren, um mit Google und Apple gleichzuziehen, die bereits über ihre Smartphones bei den Nutzern zu Hause sind.

Amazon investiert intensiv in den Aufbau des Ökosystems, um möglichst Angebote für vielfältigste Nutzerbedürfnisse vorzuhalten und gleichzeitig schnell flächendeckend verbreitet zu sein. Zeitgleich baut Amazon seine Inhalte-Plattform für externe Anbieter stark aus.

Amazon erschließt seit Oktober 2018, neben neuen Smart Speaker Generationen, auch eine Vielzahl neuer Produktkategorien, die per Alexa-Sprachsteuerung bedient werden können. Darunter eine smarte Uhr und eine Mikrowelle. Zudem bieten sie seitdem auch ein “Echo Auto” an — ein Nachrüstsatz um Autos mit Alexa auszurüsten. Das Gerät gehört zu den spannendsten Geräten aus der Produktfamilie. Damit wird Alexa problemlos in Autos nutzbar, die bisher aufgrund der langen Investitionszyklen im Privatbereich noch auf Jahre hinaus mit UKW-Radios ausgerüstet sein werden. Hier könnte innerhalb kurzer Zeit eine enorme Konkurrenz entstehen, die bspw. die Etablierung von DAB+ in Autos nachhaltig beeinflussen kann.

Google/Assistant

Google ist momentan der zweitgrößte Player im Markt der Voice Speaker, allerdings mit großem Potential, den Marktführer Amazon zu überholen. Google positioniert sich dafür anders als Amazon: Die Assistant-Plattform ist sehr viel mehr als nur ein Smart Speaker. Der Google Assistant ist die Sprachschnittstelle für alle Angebote von Google. Er ist bereits auf sehr vielen Geräten vertreten, die das Betriebssystem Android nutzen, sowie auf einer Reihe Geräten von Drittanbietern (z.B. Fernseher). Im Herbst 2018 sollen es weltweit bereits ca. 500 Millionen Geräte sein.

Die Plattform bietet prinzipiell die gleichen Möglichkeiten wie Alexa. Auch hier können eigene Programme (Actions) entwickelt und auf der Plattform betrieben werden. Daran ist besonders spannend, dass eine Action nicht nur auf den Smart Speakern sondern u.a. auch auf Android-Smartphones verfügbar ist. Stand November 2018 ist die Auswahl an Actions noch extrem gering und wirkt verwaist da nur wenige der großen Anbieter vertreten sind und viele Angebote nicht aktuell oder inhaltlich nicht gepflegt sind.

Google hat im Jahr 2018 zudem die ersten eigenen smarten Displays auf den Markt gebracht. Dies geschah zunächst über Hardware anderer Hersteller (Lenovo, LG, JBL). Im Oktober 2018 starteten sie dann auch mit eigener Display-Hardware auf dem Markt. Damit ist zumindest auf Seiten der Hardware die Lücke zum Marktführer Amazon kleiner geworden.

Da Google aufgrund des immensen Wissens über die Nutzer, bspw. durch die Nutzungsdaten von Android-Geräten, einen Vorteil im Erkennen von Bedürfnissen gegenüber Amazon hat, deuten die Entwicklungen auf eine verstärkte automatische Auswahl von Inhalten und Angeboten für die Nutzer hin. Obwohl der Google Assistant über Android-Geräte eine große Verbreitung hat, wird er von sehr wenigen Anbietern bisher aktiv “bespielt”. Es ist eher ein passives Angebot der eigenen Inhalte, bei dem Inhalte übergeben, die weitere Nutzung aber nicht weiter aktiv beeinflusst wird. Google bewirbt die Möglichkeiten für externe Anbieter nicht offensiv und erweckt derzeit den Eindruck, als ob sie an Angeboten Dritter nicht wirklich interessiert seien. Vielmehr werden die Inhalte Dritter über die algorithmische Verbreitung spezifisch an den Nutzer gebracht.

Apple/Siri

Apple bleibt auch beim Thema Sprachplattformen seiner Strategie der vergangenen Jahre treu und errichtet ein stark kontrolliertes Plattform-Universum. Derzeit ist die Nutzung von Siri bspw. auf dem Apple Homepod nur möglich, wenn es eine iOS App gibt, die eine entsprechende Erweiterung anbietet. Die Schaltstelle bleibt also weiter ein iOS Gerät und damit der App-Store.

Dies ist unserer Meinung nach aus Sicht von Apple konsequent und richtig (der Fokus liegt auf dem App-Store und es werden keine weiteren Kanäle zwischen Benutzer und Anbieter eröffnet), erhöht allerdings für externe Anbieter die Hürde eigene Inhalte auf den Homepod zu bringen. Der Anbieter muss eine iOS App in den App-Store bringen und der Benutzer muss sich diese installieren um die Erweiterung anschließend auf dem Homepod nutzen zu können. Die Hürde zur Installation einer App ist relativ hoch um anschließend auf einem anderen Gerät damit zu interagieren. Dies ist im Vergleich mit den anderen Plattformen eher als non-intuitiv einzuschätzen. Außerdem erhöht es das Investment des Anbieters erheblich, sofern nicht bereits eine iOS App vorliegt, die als Basis genutzt werden kann.

Die 3 Anbieter im Vergleich

Gemeinsam ist allen drei Plattformen, dass externe Inhalte-Anbieter nur eingeschränkt Kontrolle über die eigenen Inhalte haben. Man muss nach den Regeln der Plattform spielen und mit den Fehlern und Eigenheiten des jeweiligen Systems leben. Als Anbieter darf ich nicht mit der Erwartungshaltung “Wir beliefern ein neues Gerät mit vorhersehbaren Ergebnissen” auf eine der Plattformen gehen. Vielmehr muss ein Anbieter sich über die Risiken und Mechaniken der neuen Plattformen im Klaren sein. Die Erwartungshaltung sollte in etwa lauten: “Wir gehen auf eine Plattform, bei der wir nicht wissen, wo und wie unsere Inhalte/Angebote genutzt werden. Und wir können nur eingeschränkt Einfluss auf die Verbreitung der eigenen Inhalte haben.”

Auf der Amazon-Plattform entscheidet in naher Zukunft bspw. die Plattform, welcher Skill das derzeitige Bedürfnis des Nutzers am Besten erfüllt. Nach welchen Regeln das geschehen soll, ist Ende 2018 für externe Inhalte-Anbieter noch völlig unklar. Hier bleibt einem nichts anderes übrig, als auf Informationen von Amazon zu warten.

Noch stärker ist das Problem des Kontrollverlusts über die eigenen Inhalte bei Google zu beobachten. Obwohl es die Möglichkeit von externen Actions gibt, wird das seitens Google kaum beworben — im Gegensatz zur Schnittstelle für die Übergabe von Informationen an Google. Wie die dort übergebenen Inhalte dann verteilt werden, wie diese vermarktet werden und ob es irgendeine Form einer monetären Beteiligung für den eigentlichen Anbieter gibt, ist auch hier bisher völlig unklar. Google profitiert hier von seiner Verbreitung des Assistant über das Android-Betriebssystem. Diese Reichweiten-Schlagkraft wird viele externe Inhalte-Anbieter dazu bewegen, trotz der unklaren Lage mitzumachen.

Einzig Apple scheint den Homepod bisher vorrangig als externen Lautsprecher mit einem Sprachinterface zu den installierten Apps auf dem iOS Gerät zu betrachten. Die Möglichkeiten zur gezielten Verbreitung eigener Inhalte unterliegen hier den oben geschilderten Einschränkungen.

Fazit/Empfehlung

Als Fazit lässt sich die Situation derzeit wie folgt zusammenfassen:

  1. Die externen Inhalte-Anbieter und Entwickler konzentrieren sich vorrangig auf Alexa-Geräte. Daraus ist bisher ein großes und teilweise chaotisches Angebot entstanden. Das Angebot erweckt den Eindruck wie nach der Einführung der App Stores. Hier ist mit einer Konsolidierung zu rechnen.
  2. Google sammelt Inhalte ein und entwickelt daraus Angebote die durch Google kontrolliert werden.
  3. Der Homepod ist derzeit nur für Inhalte-Anbieter von bereits etablierten und stark genutzten iOS-Apps interessant.
  4. Alle Plattformen werden nach unserer Einschätzung in den nächsten Jahren stark wachsen und daher sind alle drei Plattformen weiter zu beobachten.

Daraus lassen sich für die Inhalte-Anbieter folgende Empfehlungen ableiten, wie mit den Plattformen umzugehen ist:

  1. Sie müssen mit den Plattformen experimentieren, da die Sprachsteuerung von Geräten und damit die Voice Plattformen in den kommenden Jahren stark zunehmen und Einzug in die meisten Haushalte nehmen wird.
  2. Ob es die derzeitige Form (Lautsprecher, optional mit Bildschirm) bleiben wird ist unklar. Es spricht nichts gegen Fernseher, Autos oder Haushaltsgeräte die ein Sprachinterface und Lautsprecher besitzen. Es ist also nicht vorhersehbar, welche Märkte von den großen Playern als nächstes adressiert werden.
  3. Aufgrund der aktuellen Verbreitung und der guten technischen Infrastruktur für externe Entwickler, bietet sich ein Einstieg über Amazon/Alexa an. Die hierfür notwendige Produktion von thematisch kleinteiligen Inhalten ist gleichzeitig eine wichtige Vorarbeit für die Teilnahme auf weiteren Voice Plattformen.
  4. Google ist mit seinem Assistant aufgrund der extrem hohen Verbreitung und der hohen Nutzerdichte vermutlich die Plattform, die in kurzer Zeit die höchste Reichweite aufbauen kann. Die Entwicklung sollte also genau beobachtet werden.
  5. Apple/Siri ist dann interessant, wenn es eine bereits etablierte iOS-App gibt, welche als Erweiterung eine Homepod Schnittstelle erhalten kann.
  6. Angebote auf den neuen Plattformen müssen sorgfältig konzipiert und entwickelt werden. (wir können dabei gerne helfen — nehmen Sie Kontakt mit uns auf.)

PS: Die von Microsoft etablierte Cortana Plattform wurde für diesen Artikel nicht behandelt, da die Verbreitung (noch) zu gering ist.

--

--