Eine kleine Geschichte des Wireless Icons

Palais des Beaux Arts
Palais des Beaux Arts Wien
7 min readApr 1, 2018

Erik Born, 2015

Abbildung 1: Ein Zeichen für Funkverkehr, das mit dem Aufkommen des WLANs bekannt geworden ist. Auf digitalen Schnittstellen dient diese animierte Version zur Anzeige der Qualität einer Netzverbindung.

Nichts eignet sich vielleicht so gut zum Nachdenken über den Funkverkehr wie dieses allgegenwärtigen Zeichen: drei gebogene Linien sitzen auf einem Pünktchen. Dank der zunehmenden Größe der Kurven und dem regelmäßigen Abstand dazwischen entsteht eine Illusion der Bewegung. Es scheint fast, als ob eine Übertragung auf ein breites Feld ausgesendet wird. Die Wellen breiten sich aus, wachsen immer weiter und erreichen nicht nur einen gezielten Empfänger, sondern beliebig viele unbekannte Empfänger, die gemeinsam ein Publikum bilden.

Wie Schiffe, die des Nachts vorüber ziehen, nichts voneinander wissen, sind die Mitglieder eines Funknetzes nicht am Ende eines Kabels zu finden, sondern auf verschiedenen Koordinaten im elektromagnetischen Meer. Die Standorte verschiedener Funkstationen sind nicht in der Netzstruktur selbst vorgegeben, sondern müssen erst entdeckt werden. Dieser Reiz der Entdeckung ist Bestandteil sowohl der Radioastronomie als auch des Amateurfunks. Ob es sich um die Untersuchung eines unerforschten Sterns oder um das Zustandekommen einer Verbindung mit einem unbekannten Gegenüber handelt — im Funkverkehr wird häufig mit sehr langen Distanzen gerechnet. Vielleicht werden diese Wellen, die sich im Funkzeichen ausbreiten, sogar alle Grenzen überschreiten und alle Entfernungen auflösen….

So sind wenigstens die häufig dem Funkverkehr zugeschriebenen Eindrücke von Entgrenzung, Allgegenwart und universellem Zugang, die im Zeichen zum Ausdruck kommen.

Wo kommt das Zeichen aber eigentlich her und was hat es mit dem Funkverkehr zu tun?

Funkzeichen

Abbildung 2: Das Wi-Fi-Logo (links) bezeichnet Geräte mit Funkschnittstellen, die von der Wi-Fi Alliance zertifiziert werden. Das Bluetooth-Logo (rechts) bezeichnet Geräte, die einem von der Bluetooth Special Interest Group entwickelten Industriestandard entsprechen.

Dieses Zeichen ist nur eines von vielen, die mit dem Funkverkehr in Verbindung stehen. Es gibt zwar kein genormtes Zeichen für den Funkverkehr, sondern nur genormte Zeichen für verschiedene Komponenten auf technischen Schaltplänen. Dieses Zeichen ist jedoch dank seiner Anwendung zur Markierung von lokalen Funknetzen (WLAN) allgemein bekannt geworden. Dabei unterscheidet es sich wesentlich von verwandten Handelsmarken wie Wi-Fi und Bluetooth, die Bezüge zur Mythologie aufweisen: Wi-Fi bezieht sich aufs Symbol für Yin und Yang, Bluetooth auf die Rune für Harald ‘Blauzahn’ Gorms, der mittelalterliche König, der Dänemark und Norwegen vereinte. Genauso wie diese mythologischen Symbole konkurrierende Elemente in Einklang bringen, so beanspruchen die damit verwandten Computer-Protokolle, konkurrierende Standards zu vereinheitlichen.

Dieses Zeichen beansprucht etwas anderes. Die Ausbreitung der Wellen in Kugelform erinnert vor allem an ein Hauptmodell der Funkübertragung namens ‘Broadcasting’, das häufig im 20. Jahrhundert für nationalen Rundfunk und Fernsehen eingesetzt wurde. Neben Wellen findet sich unter Zeichen für solche Funkdienste der Blitz und damit ein Zeichen, das sowohl an der Geschwindigkeit der Elektrizität als auch an die Austreibung der Funken aus der Funkgeschichte erinnert. Spätestens seit dem Ernsten Weltkrieg wird nicht mehr ‘gefunkt’ im wörtlichen Sinne jener ‘Fünkchen’, die mit gedämpften Wellen erzeugt wurden. Wir kennen lediglich “Funken ohne Funken”, um den berühmten Ausdruck Karl Ferdinand Brauns zu verwenden.

Elektromagnetische Wellen

Dieses Zeichen ermöglicht zugleich eine andere Lektüre der Funkgeschichte, die sich von der Geschichte der Massenmedien stark unterscheidet. Es deutet nicht nur auf die Geschichte des Broadcastings hin. Es schließt auch einen eleganten Kompromiss in der Darstellung eines Nachrichtenträgers, der ohne eine solche Übersetzung völlig unverständlich wäre — nämlich, jenes der elektromagnetischen Wellen.

Abbildung 3: Die populäre Ikonographie der elektromagnetischen Wellen: es wurde gerade durch einen Lautsprecher gebrüllt (links), aus einer Strahlenkanone geschossen (mitte) oder von einer Funkstelle gesendet (rechts).

Elektromagnetische Wellen sind ein physikalisches Phänomen, das aus der Wechselwirkung von elektrischen und magnetischen Feldern entsteht. Sie sind überall vorhanden, nicht nur als Radiowellen, die als Nachrichtenträger für den Funkverkehr verwendet werden, sondern auch als Mikrowellen, Infrarot, Licht, UV-, Röntgen- und Gammastrahlen. Da der Mensch kein entsprechendes Sinnesorgan für ihre direkte Wahrnehmung besitzt, müssen sie erst umgewandelt oder übersetzt werden, um Wissen darüber überhaupt zu erlangen. Um ein winziges Teil vom elektromagnetischen Spektrum weiterhin für die Nachrichtenübertragung verwenden zu können, bedarf es technischer Operationen wie Richtung, Modulation, Demodulation usw. Diese Operationen heißen ‘Funktechniken’. Sie zielen auf einen Bereich des elektromagnetischen Spektrums mit Frequenzen von ca. 3 Hz bis 3 000 GHz, auf das ‘Funk-’ oder ‘Radiospektrum’.

Während nur eine einzelne Station in diesem Zeichen für Funkverkehr abgebildet wird, bestehen Funknetze in der Regel aus mehreren Stationen, die auf verschiedene Arten und Weisen miteinander verbunden werden können. Die Struktur eines Kabelnetzes mag immer der Form des darin verbindenden Kabels entsprechen. Dagegen müssen aber die Verbindungen in einem Funknetz immer hergestellt werden — nicht ‘aus dem Äther’, sondern aus der physikalischen Realität der elektromagnetischen Wellen, die unsere Erde durchdringen.

Die stilisierte Form der Verbindung im Zeichen für Funkverkehr ist nur die Spitze des Eisbergs, wenn es um die möglichen Strukturen der Funknetze geht.

Die Anzeiger der Signalstärke

Das Funkzeichen hat nicht nur eine symbolische Bedeutung, sondern auch eine reale Funktion: auf digitale Schnittstellen werden Informationen über die Qualität einer Netzverbindung in Form einer Skala angegeben. Damit steht das Zeichen für Funkverkehr in Verbindung mit einer verwandten Familie von Zeichen, die zur Anzeige der Signalstärke dienen — die sogenannten ‘Signalbalken’.

Abbildung 4: Digitale Signalbalken sind eine grobe Visualisierung der Qualität einer Netzverbindung. Um einen genaueren Wert der Signalstärke zu erfahren, kann man sein Handy auf einen Testmodus umschalten. (Auf dem iPhone wählt man *3001#12345#* wobei Nummern den Signalbalken ersetzen. Um den Testmodus zu beenden, drückt man die Home-Taste.) Je niedriger die Nummer, desto besser der Empfang, da der Wert eine negative Zahl ist.

In dieser Form ist das Zeichen für Funkverkehr immer noch relativ jung. Vermutlich entstand es erst zwischen 2001 und 2002 auf digitalen Schnittstellen von Betriebssystemen wie Windows XP und Mac OS X, also kurz nach der Entwicklung der ersten Wi-Fi Protokolle. Signalbalken wurden aber schon in den 1980er Jahren mit der ersten Generation der massenproduzierten Mobilfunkgeräte eingeführt und ähnliche Anzeigen zur Signalstärke sind auf Rundfunkempfängern aus den 1930er Jahren vorhanden. Trotz der wichtigen Unterschiede zwischen diesen Generationen der Technologie sind Signalbalken ein stabiles Zeichen geblieben.

Signalbalken drücken die Feldstärke eines empfangenen Signals aus — die sogenannte ‘Received Signal Strength Indication’ (RSSI). Die Maßeinheit von RSSI ist das Dezibel, ein logarithmisches Maß der Signalleistung. Dieser Wert ändert sich je nach Zufallssignalen, Reflexionen und anderen Störungen schnell, wird aber dann durch einige mathematische Operationen abgerundet und auf einer Skala dargestellt. Überraschenderweise haben Signalbalken immer noch keine festgelegte Einheit: selbst wenn ein höherer Wert einem besseren Empfang entspricht, muss der Wert von 1 Balken, 2 Balken, usw. interpretiert werden. Trotz dieser Variationen wird die Signalstärke fast immer durch fünf Balken dargestellt, eine Praxis, die auf ältere Generationen der Schnittstellen zurückzuführen ist.

Auf elektronischen Radio- und Fernsehgeräten wurde die Signalstärke oft durch leuchtende Muster angezeigt, wobei die Spannung des Empfängers direkt in eine nutzbare Visualisierung umgewandelt wurde. Am bekanntesten bei Abstimmanzeigen ist wahrscheinlich das ‘Magische Auge’. Daneben wurden auch Varianten des ’S-Meters’ (Signal Strength Meter) häufig verwendet, besonders in Amateurfunkgeräten. Die im S-Meter verwendeten Ziffern entstammen dem RST-System für Amateurfunk, das — ähnlich dem SINPO Codes für Kurzwellenfunk oder dem Q-Schlüssel für Morsezeichen — eine bestimmte Norm für Signalbewertungen anbietet.

Abbildung 5: ‘Magisches Auge’ (oben), S-Meter (unten).

Vor der Entwicklung von Funkgeräten mit technischen Anzeigen konnten mit Hilfe dieser Normensysteme die Qualität eines Signals an subjektiven Berichten gemessen werden. In der Regel wurde einerseits nach der Lautstärke des Signals gefragt, andererseits nach seiner Verständlichkeit — daher kommt der umgangssprachliche Ausdruck “klar und deutlich”. Diese Bewertungen der Lautstärke bzw. Verständlichkeit wurden jeweils auf einer Skala von 1 (sehr schlecht) bis 5 (sehr gut) angegeben — daher die übliche Darstellung der fünf Signalbalken auf digitalen Schnittstellen.

Die Welt ohne Draht

Im Logo des Palais des Beaux Arts wird das Zeichen für Funkverkehr in Verbindung mit Jugendstil-Dekorationen zusammengebracht, um eine neue Art von Weltkugel zu erzeugen. Damit aktualisiert das Logo das von Charles-Antoine Delanglard inspirierte Georama für eine Welt ohne Draht. In Zentrum der Weltkugel steht jetzt ein Punkt, auf dem drei gebogenen Linien sitzen, als ob sie eine drahtlose Nachricht ausbreiteten.

Wenn man dieses Zeichen für Funkverkehr sieht, sollte man vielleicht nicht nur an die mögliche Reichweite dieser Übertragungen denken, sondern auch an die Ermöglichung einer neuen Art von Publikum durch ein lokales Funknetz — nicht nur an endlose Distanzen, sondern auch an die alltägliche Nähe der elektromagnetischen Wellen, die unsere Welt sowie alle Fantasien der drahtlosen Verbindungen durchkreuzen.

Erik Born ist Doktorand an der University of California, Berkeley, wo er eine Dissertation über die Vor- und Frühgeschichte von Rundfunk und Fernsehen schreibt. Er ist derzeit Fulbright-IFK Junior Fellow am Internationalen Forschungszentrum Kulturwissenschaften in Wien.

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