„Diversity braucht Normalität und Bodenständigkeit“

Accenture DACH
Plan A

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Wo stehen wir eigentlich beim Thema Diversity in Deutschland? Wie können wir als Unternehmen eine Arbeitskultur schaffen, in der alle ihr Potenzial einbringen können und alle individuellen Stärken in ein großes Ganzes einfließen? Vor allem aber, wie schaffen wir ein Bewusstsein dafür, dass Diversity nicht nur die Frage nach einer Frauenquote oder der Gleichstellung zwischen Mann und Frau ist? Was macht eine echte Gleichstellungskultur aus? Diese Fragen beschäftigen uns seit dem Launch unserer globalen Inclusion & Diversity Strategie 1995, die zum Ziel hat, ein offenes und tolerantes Arbeitsumfeld sowie eine starke Gleichstellungskultur zu schaffen. In der Studie „Getting To Equal“ untersuchen wir Jahr für Jahr Faktoren, die die Entwicklung hin zu Gleichstellung und Inklusion im Unternehmen und in der Gesellschaft begünstigen oder ausbremsen. Im Jahr 2020 geht es um die noch bestehenden Lücken beim Thema Gleichstellung und wie diese geschlossen werden können. Genau zu diesem Thema sprachen wir mit Balian Buschbaum, Autor, Speaker und Coach zum Thema Diversity.

Wie siehst du „Diversity“ bei uns in Deutschland, in der Gesellschaft und in den Unternehmen? Ist Gleichstellung endlich angekommen und eigentlich kein Thema mehr? Oder haben wir noch einen Weg vor uns?

Das wäre ein Traum, wenn es kein Thema mehr wäre. Seit etwa 12 Jahren ist Diversity eines meiner Kernthemen und in den Unternehmen sehe ich, dass wir noch lange nicht da sind, wo wir meiner Ansicht nach sein sollten. Das zarte Pflänzchen ist gepflanzt, aber wir müssen noch viel gießen und pflegen, damit es ein starker und stabiler Mammutbaum wird. Wir hängen immer noch beim Thema Gleichstellung Mann und Frau fest. Ohne Frage ist es wichtig, dass wir darüber sprechen und Taten folgen lassen. Wir sollten allerdings nicht vergessen, dass zu Diversity noch viele andere Dimensionen gehören, wie Alter, sexuelle Orientierung und Identität, ethnische Herkunft oder auch Behinderungen. Wichtig wäre, dass wir alle Dimensionen parallel angehen und das Thema ganzheitlich anpacken.

Hast du das Gefühl, dass sich Unternehmen bei manchen Diversity-Dimensionen besonders schwertun?

Ich denke, sie tun sich grundsätzlich damit schwer, über den Status „darüber sprechen“ hinauszukommen — egal bei welcher Dimension. Ich sage immer: Tun ist krasser als denken. Und das gilt ebenso für Diversity. Dabei geht es aber nicht einfach nur um Quoten, sondern die grundsätzliche Einstellung auf allen Führungsebenen sowie bei allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen.

Hat sich deine Perspektive auf dieses Thema verändert? Du hast eine Geschlechtsanpassung hinter Dir: Hast du es als Frau anders empfunden als jetzt als Mann bzw. erlebst du es jetzt anders?

Ich persönlich habe mich ja nie als Frau gesehen, deswegen stellt sich die Frage nicht für mich. In meinem früheren Beruf als Spitzensportler wurde ich in der Öffentlichkeit als Frau gelesen. Ich muss aber sagen, dass wir im Spitzensport schon seit vielen Jahren um einiges weiter sind beim Thema Diversity als heute so manches Unternehmen. Es gibt natürlich eine harte Trennung zwischen Mann und Frau im Wettkampf aufgrund der Chancengleichheit und Fairness, aber alles andere — insbesondere ethnische Herkunft und Religion als zwei der anderen Dimensionen — ist im Spitzensport schon sehr früh im Sinne des Fair Play gedacht und gelebt worden.

Was braucht es für ein gutes Diversity-Management? Wo kann man Unternehmen auch Hilfestellung geben, die zwar wollen, aber nicht wissen wie?

Das Allerwichtigste ist für mich Bewusstsein. Ich erkenne ganz schnell in Firmen, ob Diversity wirklich ernst genommen wird oder man nur mit singulären Events das Thema abhandelt — ohne einen nachhaltigen Ansatz und Verständnis dafür zu haben. Dabei wäre es wichtig, beispielsweise nicht nur Vorträge zu Diversity zu halten, sondern auch über Workshops ins Unternehmen reinzuschauen, um Ansätze, eventuelle Problemstellungen und Potenziale zu entdecken. Es geht nicht nur darum, dass Mitarbeitende glücklicher sind, weil sie merken, ich kann so sein wie ich bin. Unternehmen müssen sehen, dass es für sie wichtig ist, die jeweiligen Dimensionen im Unternehmen aktiv einzusetzen. Anders werden sie in zehn oder 15 Jahren nicht mehr da sein. Das zeigen auch viele Studien.

Was fehlt aus deiner Sicht noch, damit wir den Gap schließen, den es auf vielen Diversity-Ebenen gibt?

Es muss ein ganz klares Bekenntnis der Führungsebene geben. Anders wird Vielfalt nicht zum Teil der gelebten Unternehmenskultur und es gibt lediglich Alibiveranstaltungen einmal im Jahr, um vermeintlich dabei zu sein.

Warum sind Vielfalt und eine starke Gleichstellungskultur aus deiner Sicht so wichtig? Accenture ist bspw. davon überzeugt, dass Diversity und die Gleichstellung aller der Schlüssel zu einem erfolgreichen Unternehmen sind. Sie treiben Innovation und Kreativität.

Aus meiner Sicht leben schon viele Unternehmen Diversity, aber sie deklarieren es nicht so. Gerade für mittelständische Unternehmen ist es einfach so, dass jeder mit jedem auskommen muss. Das Hauptproblem besteht in größeren Unternehmen, wo es nicht so überschaubar ist und die Menschen sich vielleicht nicht alle kennen. Letztlich muss klar sein, dass wir niemandem etwas „antun“. Schaffen wir es, Diversity in allen Dimensionen im Unternehmen zu integrieren, regelt sich aus meiner Sicht auch das Thema Gleichstellungskultur. Vor allem erkennen und erleben alle, was es ihnen als Mensch und MitarbeiterIn bringt, wenn alle so sein können wie sie sind. Unser Ziel sollte es sein, dass niemand glauben muss, sich verstecken zu müssen und, dass die unterschiedlichen Fähigkeiten erkannt und richtig eingesetzt werden.

Brauchen wir aus deiner Sicht dafür Rolemodels?

Wir brauchen unbedingt viel mehr Menschen, die Gesicht zeigen und ohne Scheu sagen: „Ich bin anders.“ Jeder Mensch kann ein Rolemodel sein und seine Geschichte erzählen. Jeder von uns identifiziert sich ja mit unterschiedlichen Aspekten. Deswegen brauchen wir viele unterschiedliche Geschichten und Vorbilder, die die Menschen in ihrer Realität abholen und in ihrem Leben berühren.

Empfindest du dich selbst als Rolemodel?

Ich würde mich jetzt nicht so titulieren, aber aufgrund meiner Lebensgeschichte war ich für viele Menschen durchaus ein Vorreiter. Mein Weg zeigt, dass es wichtig ist, mutig zu sein und mit den Menschen zu kommunizieren. Nur so kann man die eigene Perspektive aufzeigen, sie verständlich machen und andere darüber ins Boot holen. Für Diversity ist es ganz wichtig, dass wir mehr miteinander reden und aufklären: Es ist normal, anders zu sein. Wir sind alle anders. Deshalb brauchen wir mehr Bodenständigkeit und Normalität beim Thema Diversity.

Warum Vielfalt zu unserem langfristigen Erfolg beiträgt und wie wir es schaffen, Hürden auf dem Weg der Gleichstellung zu überwinden — gesellschaftlich, aber auch als Unternehmen –diskutieren wir an unserem diejährigen Diversity Day Event am 28. Mai, von 9.00–10.30 Uhr bei einem virtuellen Live-Event — für interne sowie externe Gäste!

Sei dabei, wenn unsere Diversity Sponsoren und externen Speaker in einer offenen Diskussionsrunde ihre Erfahrungen und professionellen Ansichten mit uns teilen und sichert euch einen virtuellen Platz unter diesem Link.

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