Für eine neue politische Kultur — Was Öffentlich-rechtliche Medien tun können

Weniger politische Talkshows, mehr Dokumentationen, neue Formate — und dann ist da ja noch die 7-Tage-Regel.

Andreas Mullerleile
policylab.eu
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3 min readDec 3, 2016

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Weniger politische Talkshows

Die gleichen Gäste, die gleichen Themen, immer der gleiche Ablauf. Eingeladen werden immer diejenigen, die am lautesten schreien. Und ja, Demagogen lieben Talkshows. In Großbritannien hätte es UKIP nie geschafft ihre Parolen unters Volk zu bringen, wenn die BBC nicht gefühlt jede Woche Nigel Farage in eine Talkshow eingeladen hätte. Polit-Talkshows funktionieren eben nur wenn extremen Meinungen aufeinanderprallen. Aber solche Talkshows brauchen wir nicht. So kann Dialog in einer polarisierten Gesellschaft nicht funktionieren. Im Gegenteil, so werden Vorurteile aufgebaut, radikale Positionen salonfähig gemacht und Debatten aufgebläht. Bei mir löst diese Art von Politikunterhaltung eine akute Politikverdrossenheit aus.

Was tun? Politische Talkshows einfach mal komplett absetzen. Radikal aber vielleicht die einzige Lösung. Statt der abendlichen Talkshow — warum nicht einen Zusammenschnitt aus einem Parlament zeigen? Falls der Bundestag nicht tagt, einfach mal ein Länderparlament oder das Europäische Parlament zeigen. Die besten Reden. 30 Minuten am Abend, ohne Kommentar. Ein Anfang für eine bessere politische Kultur wäre gemacht.

Mehr politische Dokumentationen wagen

Warum gibt es eigentlich kaum längere politische Investigativ-Dokus? Themen gibt es doch genug. Leider gibt es sowas immer nur für 10 Minuten bei Frontal21, Report oder Fakt. Einfach alles mal alles länger beleuchten (da kann dann auch ruhig mal eine Volksmusiksendung wegfallen!). Oder wie wäre es mit einer wöchentlichen Policy-Doku? Die Rentenreform oder eine EU Gesetzesinitiative mal wöchentlich für 2 Jahre begleiten— hier könnte der Öffentlich-rechtliche Rundfunk mal seinem Bildungsauftrag nachkommen.

Neue politische Formate entwickeln

Einfach mal radikal neue Formate entwickeln. Einfach mal Leute machen lassen. Fehler erlauben. Experimente wagen. Geld ist doch genug da. Jede Woche ein neues Konzept ausprobieren. Falls es gut ist, weitermachen; falls nicht, einfach das nächste ausprobieren. Neue politische Formate kann man aber nur entwickeln, wenn man sich etwas befreit von den vorhandenen Strukturen. Also, einfach mal ein Team zusammenstellen, dass aus verschiedenen Bereichen kommt: Ein Student, ein Bauarbeiter und ein Grafiker erfinden eine neue Politiksendung. Das wäre doch mal was!

Die 7-Tage-Regel muss weg

Die Mediatheken ‘depublizieren’ immer noch fleißig nach 7 Tagen (oder bald vielleicht nach 30 Tagen). Das ist doch nicht mehr zeitgemäß. Inhalte wurden mit Steuergeldern finanziert, warum verschwindet vieles wieder nach einiger Zeit? Die Zeiten ändern sich: die Rundfunkgebühr wurde gerade erst ausgeweitet und unser Medienkonsum hat sich über die Jahre doch auch sehr gewandelt. Netflix und Amazon Video lassen grüßen.

Ein neues Argument kann die Debatte um fake news und Filterblasen liefern. Wenn die Inhalte der Öffentlich-rechtlichen nicht verfügbar sind, informiert man sich eben woanders im Netz. Der Auftrag der Öffentlich-rechtlichen Medien sollte doch sein, Informationen zu Verfügung zu stellen — egal wann man sie braucht. Es ist auch schade um den teilweise sehr guten Journalismus, der da regelmäßig verschwindet.

Die 7-Tage-Regel muss weg und eine gute API für das Archiv sollte kommen - das würde der politischen Kultur gut tun.

(Hint, hint: Nächstes Jahr ist Bundestagswahl!)

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Andreas Mullerleile
policylab.eu

Political analyst, EU watcher, Comms Strategist & Innovator. @kosmopolit Media/speaking requests: andreas@policylab.eu