Tanja Steinebrunner (Bündnis 90/Die Grünen), Bürgermeisterin in der Schwarzwaldgemeinde Fröhnd

„Das Klimapaket bringe ich auf den Nenner „besser als nichts — aber halt deutlich zu wenig“.

Diana Krebs
Politikerin*

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Der zweite Hitzesommer in Folge bedeutet für die heimischen Wälder der Ausnahmezustand. Im Interview mit Politikerin* erklärt Tanja Steinebrunner, Bürgermeisterin (BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN) in Fröhnd/Südschwarzwald, welche immensen Herausforderungen die Erderwärmung für ländliche Gemeinde, die auf Forst- und Landwirtschaft angewiesen sind, jetzt und für die Zukunft bedeuten.

Politikerin*: Fröhnd liegt mitten im Naturpark Südschwarzwald, dem größten Naturpark Deutschlands. Mit welchen Herausforderungen sind Sie aktuell in Ihrem Wald konfrontiert? Und bei welchen Baumarten?

Tanja Steinebrunner: Jetzt, nach dem zweiten Hitzesommer in Folge, bekommt Ihre Gemeinde die Auswirkung der Klimakatastrophe vermutlich unmittelbar zu spüren.

In unserer Flächengemeinde mit 1619 ha Gemarkungsfläche bilden Land- und Forstwirtschaft für viele Menschen eine wichtige Lebensgrundlage. Land- und Forstwirtschaft formen auch unsere vielfältige kleinstrukturierte Natur durch den Landschaftswechsel von Wiesen, Dörfern, Weiden und Wald und gestalten somit auch unsere Tourismusregion.

Während die Landwirtschaft erhebliche Ernteeinbußen an Gras und Heu v.a. im Dürresommer 2018 verbuchen musste, sind die Schäden im Wald weitaus umfangreicher und wirken sich viel längerfristiger aus. Desweiteren sind Klimaveränderung nicht mehr als einmaligen Sonderereignis zu benennen. Das bedeutet auch, dass wir in unserer Gemeinde uns auch über unsere Trinkwasserversorgung , die nur aus Quellwasser besteht für die Zukunft Gedanken machen müssen. Trinkwasser ist Daseins-Fürsorge und ein Lebensmittel, welches höchste Priorität hat.

Gleich zu Beginn des Jahres 2018 verursachte der Sturm „Burglind“ schwere Schäden in unserem Gemeindewald. Der extrem heiße Sommer 2018 ließ die Bäume, vor allem die Fichten, in Trockenstress geraten. In Verbindung mit dem vielen Sturmholz ergab dies hervorragende Bedingungen für eine rasante Vermehrung der Borkenkäfer. Die Fichte, die relativ flach wurzelt, wurde zuerst von den Borkenkäfern befallen. Mittlerweile sind mehrere Tausend Fichten bei uns betroffen. Löcher mit z.T. 100m Durchmesser entstanden so im Wald. Während 2018 ausschließlich Fichten betroffen waren, zeigen nun in 2019 auch andere, tiefer wurzelnde Baumarten wie die Tanne, Buche, Lärche oder Kiefer schwere Schäden. Die allermeisten der absterbenden Bäume sind aber weiterhin Fichten.

Politikerin*: Mit welchen Strategien versuchen Sie hier in Ihrem Wald vorzugehen und welches sind die größten Herausforderungen, zum Beispiel bei einem Waldumbau hin zu Laubmischwäldern?

Tanja Steinebrunner: Die größte Herausforderung ist es, schnell die betroffenen Bäume einzuschlagen und aus dem Wald zu transportieren um einen Neubefall weiterer Bäume zu verhindern. Um dies zu bewerkstelligen gibt es nicht genügend Arbeitskräfte und Maschinen. Es ist ja nicht nur unser Gemeindewald betroffen, sondern alle benachbarten Gemeinden genauso. Darüber hinaus sind fast alle Wälder in Deutschland und ganz Mitteleuropa betroffen.

Eine weitere Mammutaufgabe besteht darin, die entstandenen kahlen Flächen wieder zu bestocken. Selbst Experten können die Eignung der einzelnen Baumarten vor dem Hintergrund des Klimawandels nur schwer einschätzen. Die beste Empfehlung besteht in einem bunt gemischten naturnahen Wald mit möglichst vielen regionalen verschiedenen Baumarten. Falls die Möglichkeit besteht, natürlich angesamte Bäume zu bekommen, ist das von Vorteil.

Angepasste Wildbestände sind eine absolute Grundvoraussetzung dafür, um dieses Ziel zu erreichen. Insofern hat die Jagd im Hinblick auf einen neuen zukunftsfähigen Wald eine entscheidende Verantwortung.

Politikerin*: Aufgrund der immensen Schäden für den Wald durch Hitze kommen auf die Kommunen zusätzliche Kosten zu. Totholz muss abtransportiert werden, weil es die Waldbrandgefahr erhöht, tote Fichten müssen gefällt werden und der Waldumbau vorangetrieben. Haben Gemeinden wie die Ihre, leichten Zugang zu finanziellen Förderprogrammen des Bundes, die hier schnell und unbürokratisch Unterstützung leisten können?

Tanja Steinebrunner: Die Kostenfrage ist eine unbeantwortete. Während unser Wald bisher eine wichtige kleine Sparkasse für die Gemeinde war und durch nicht unbedeutende Erträge das Gemeindeleben stützen half, werden jetzt große Defizite erwirtschaftet, welche eine strukturschwache Gemeinde unmöglich alleine tragen kann. Hierbei sollte das Verursacherprinzip gelten. Wer z.B. CO2 in der Atmosphäre „entsorgt“, sollte über eine Steuer an den Kosten beteiligt werden. Hierzu gehören auch die Kosten, die durch den Waldwiederaufbau und der Waldumbau entstehen. Wald bindet CO2 und verbautes Holz ebenso. Der Wald hat eine immens hohe Funktion gegen die Erderwärmung. Darüber hinaus erbringt der Wald vielmehr als die Summe seiner Bäume. Diese anderen wertvollen Leistungen für die Allgemeinheit sind bislang völlig gratis: Boden- und Hangschutz, Wasserspeicher, Luftreinhaltung, Erholungsort und Lebensraum für Tiere und Pflanzen.

Die propagierten Förderprogramme nach dem Motto „schnell und unbürokratisch“ sind bei uns noch nicht angekommen. Es ist immens wichtig, dass alle politisch Tätigen hier ihre Stimme laut erheben und auf den Notstand hinweisen.

Politikerin*: Wie können sich Ihrer Erfahrung nach Gemeinden untereinander helfen?

Tanja Steinebrunner: Teilweise treten die Gemeinden in Konkurrenz um Arbeitskräfte und Maschinen, da alle gleichzeitig betroffen sind. Das sehr anspruchsvolle Tagesgeschäft im Wald und in den Verwaltungen verhindern zur Zeit einen guten Austausch unter den Gemeinden um nach gemeinsamen Lösungen zu suchen oder um gemeinsam die Stimme zu erheben und schnelle Hilfe zu fordern. Ich denke, dies muss auch thematisiert werden in den Naturschutzgebieten, zum Beispiel Biosphärengebiet Schwarzwald und auch über die Arbeit im Kreistag. Der Solidaritätsgedanke zwischen städtischen Kommunen und den ländlichen kommunen mit all Ihren Aufgaben muss hier greifen.

Politikerin*: Was vermag Ihrer Meinung nach das beschlossene Klimapaket der Bundesregierung auszurichten? Setzen Sie Ihre Hoffnung darauf?

Tanja Steinebrunner: Das Klimapaket bringe ich auf den Nenner „besser als nichts — aber halt deutlich zu wenig“. Hätte man den CO2- Preis höher angesetzt, wäre evtl. auch ein sog. „Waldcent“ möglich gewesen, um alle Waldbesitzer — die Privaten und die Kommunalen , unabhängig von den aktuellen Schäden, für die durch ihren Wald erbrachten Leistungen, zu entschädigen.

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Diana Krebs
Politikerin*

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