“Mehr Chancengleicheit für Frauen bedeutet nicht weniger Chancengleichheit für Männer.”

Kay Wesley wurde bei der diesjährigen Kommunalwahl in Großbritannien zur ersten Stadträtin der Women´s Equality Party gewählt. Sie tritt dem Stadtrat von Congleton bei, einer Stadt mit etwa 27.000 Einwohnern in der Grafschaft Cheshire im Nordwesten Englands. Mit Politikerin* spricht sie darüber, warum es der Women´s Equality Party zu verdanken ist, dass sich Gleichstellungsthemen nun auch auf den Agenden der anderen Parteien wiederfinden. Warum eine Sparpolitik immer verheerende Auswirkungen auf die Lebenssituation von Frauen und damit auf die Gemeinschaft an sich hat. Und warum der Aufbau einer sozialen Infrastruktur immer eine langfristige kommunale Investition ist. Als erfolgreiche Geschäftsinhaberin einer global tätigen digitalen Agentur, hat sie auch ein oder zwei Dinge dazu zu sagen, was ein Unternehmen wirklich erfolgreich macht.

Diana Krebs
Politikerin*
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12 min readJun 14, 2019

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Großbritanniens Women´s Equality Party wurde 2015 von Sandi Toskvig und Catherine Mayer gegründet. Sie hatten genug davon, wie die Politik von meist weißen, privilegierten Männern der Mittelschicht geführt wurde, die die Anliegen von Frauen in ihrer Politikgestaltung nicht berücksichtigen. Frauen, so Toskvig und Mayer, zogen bei schlechter Politik immer wieder den Kürzeren. Dies wurde besonders deutlich, nachdem die britische Regierung 2008 mehrere Sparmaßnahmen eingeführt hatte, die zu einer Kürzung der Sozialdienste und -leistungen führten. Die beiden Gründerinnen machten sich daran, die Gleichstellung der Frauen an die Spitze der nationalen politischen Agenda zu setzen. Um diese Ziele zu erreichen, basiert die politische Kultur der Women´s Equality Party auf der bewussten Zusammenarbeit mit anderen Parteien.

Politikerin*: Ich spiele hier mal Advocatus Diaboli. Warum braucht Großbritannien die Women´s Equality Party?

Kay Wesley (KW): Wenn Großbritannien im gleichen Tempo bei der Umsetzung der Gleichstellung der Geschlechter weitermacht, dann werden wir dieses Ziel in etwa 150 Jahren erreichen. Das ist nicht gut genug. Es gibt Dinge, die kann man schneller erledigen. Nehmen wir zum Beispiel die Feministische Partei in Schweden. Diese hat Gesetze geändert, um unbewusste Geschlechtervorurteile zu beseitigen, und mehr Chancengleichheit für Frauen und Kinderbetreuungsmöglichkeiten zu schaffen. Sobald man dieses Niveau erreicht hat, gewinnt man auch die Männer, die ihren Teil der Erziehungs- und Betreuungsarbeit leisten. Das wiederum erschließt das Potenzial von Frauen am Arbeitsplatz. Es gibt systemische Dinge, die man als Regierung tun kann, um Veränderungen schneller voranzutreiben.

Die meisten Menschen glauben nämlich an Geschlechtergleichheit. Wenn man direkt nachfragt, dann ist das nicht das Problem. Das Problem ist, ob diese Richtlinien umgesetzt werden oder nicht.

Alle politischen Parteien in Großbritannien hatten die Chancengleicheit bislang als eine Fußnote in ihren Manifesten. Aber Gleichstellung sollte nicht nur als eine Fußnote am Ende eines Dokuments vorkommen. Wir sprechen hier von der Hälfte der Bevölkerung, nicht nur von einer kleinen Minderheit. Gleichstellung sollte ganz oben auf der Tagesordnung stehen. Schließlich sind Frauen das Rückgrat der Wirtschaft.

Die einzige Möglichkeit, wo man hier etablierte Parteien empfindlich verletzen kann, ist an der Wahlurne. Seit der Gründung der Women´s Equality Party, und seit sie eine Konkurrenz für die anderen Parteien ist, denkt das Parlament plötzlich darüber nach, ob frauenfeindliche Verbrechen als hate crime eingestuft werden sollten. Das hat es bislang nicht gegeben. Wir sehen, dass die Labour Party die Chancengleichheit bei der Erziehung ganz oben auf ihre Tagesordnung setzt. Und die Gleichstellung bei Elternzeit für Mütter und Väter und das Recht auf flexible Arbeit, stehen jetzt ebenfalls weiter oben auf ihrer politischen Prioritäten-Liste.

Politikerin*: Inwiefern unterscheidet sich der Politikstil der Women´s Equality Party von dem, was wir im Moment üblicherweise erleben?

KW: Es ist uns sehr wichtig, eine kollaborative Partei zu sein. Wir stehen nicht für die typische Kampfpolitik. Wir stehen dafür, dass wir die Arbeit erledigen. Chancengleichheit in allen Lebensbereichen ist im Grunde die einzige Politik, die wir machen. Und andere Parteien dürfen sich unsere Ideen gerne stehlen. Das hat auf nationaler und lokaler Ebene gut funktioniert. Wir tauschen uns regelmäßig mit anderen lokalen Parteien aus, die sich ebenfalls für Gleichstellung und Chancengleichheit einsetzen. Und als neu gewählte Stadträtin frage ich dann auch: Was sind eure Ideen und Erfahrungen? Ich arbeite auch mit den Grünen zusammen. Sie haben mich im Wahlkampf unterstützt, weil sie hier keine/n Kandidat*innen hatten. Unter anderem arbeite mit ihnen an einer integrierten Verkehrspolitik. Die Politik hier in Congleton hat sich bisher auf Autos konzentriert. Aber was passiert mit den Leuten, die kein Auto besitzen? Dies trifft vor allem ältere Frauen und alleinerziehende Mütter. Wie kommen sie von einem Ort zum anderen? Das ist ein weiteres Projekt, das ich entwickle.

Politikerin*: Wie häufig bekommen Sie nach dem Brexit-Referendum und den aktuellen Debatten um den Brexit zu hören, dass es jetzt viel dringendere Themen gibt als die gesetzliche Implementierung der Gleichberechtigung?

KW: Wir führen in unserer Partei einige interessante Debatten darüber. Ürsprünglich hatte die Women´s Equality Party keine Position zum Brexit, aber jetzt drängen wir auf eine weitere Volksabstimmung mit der Option „Remain“. Die EU war insgesamt eine positive Kraft für die Chancengleichheit. Aber Gleichstellungsfragen gibt es schon viel länger, und reichen viel länger zurück als nur eine Generation. Brexit und populistisch-nationalistische Bewegungen sind aber jüngere Krisen, die jetzt überall auf der Welt auftauchen.

Es gibt jetzt die Vorstellung, dass man, um für etwas zu sein, sich gegen etwas anderes stellen muss. Es ist diese Art von Kampfpolitik: Jeder muss in einer Ecke stehen und den anderen hassen. Und um ehrlich zu sein, ist dies ein starker Vorbehalt gegen unser gegenwärtiges Regierungssystem: Man hat da diese beiden Seiten im Parlament, die sich gegenseitig anschreien. Das hat nichts mit moderner Demokratie zu tun. Es ist nicht die Art von Regierung, die man anderswo in Europa sieht. Aber wir müssen zusammenarbeiten. Inmitten dieser Kampfpolitik dreht sich der Ansatz der Women´s Equality Party um Zusammenarbeit. Wir werden oft gefragt: Seid ihr jetzt gegen Männer? Meine Antwort ist: Warum denken die Leute, dass wir gegen eine Sache sind, weil wir für etwas sind? So funktioniert es nicht. Mehr Chancengleichheit für Frauen bedeutet nicht, dass Männer weniger davon bekommen.

Die Leute nehmen diese Seiten zum Brexit ein, und jeder hasst jemanden — das ist nicht das Land, in dem ich leben will. Ich möchte in einem Land leben, in dem die Regierung, lokal und national, mir dabei hilft, mein Leben Tag für Tag zu leben. Wenn wir als Vertreter*innen der Women´s Equality Party dann über das sprechen, was wir auf lokaler Ebene brauchen, dann geht es um bessere öffentliche Verkehrsmittel; dass wir bezahlbare Kinderbetreuung und bessere Unterstützung für Familien brauchen. Wir müssen sicherstellen, dass die Menschen nicht zu den Tafeln gehen müssen, um ihre Kinder satt zu bekommen. Natürlich sind den Menschen diese Dinge wichtig.

Daher ist es unsere Priorität, die soziale Infrastruktur zu verbessern, bessere Gemeinschaften und ein besseres Leben aufzubauen. Und die Wähler*innen sagen: Genau das wollen wir auch. Die Menschen haben die altmodische Politik, wie wir sie gerade sehen, satt. Sie wollen eine erwachsene Debatte.

Politikerin*: Vermutlich konnten sich einige Menschen in Ihrer Gemeinde mit den Zielen der Women´s Equality Party zuerst gar nicht identifizieren. Welche Themen haben Sie in diesen Wahlkampf eingebracht und Ihre Wähler*innen mobilisiert?

KW: Es ging sehr stark darum, deutlich zu machen, dass Politiker*innen* zuerst für die Gemeinschaft arbeiten und nicht für sich selbst. Bis zu den Kommunalwahlen im Mai hatte Congleton einen sehr konservativen Stadtrat. Unsere Stadt ist ziemlich traditionell, ziemlich bürgerlich, beispielsweise nehmen wir am Britain in Bloom-Wettbewerb teil. Es ist eine sehr schöne und angenehme Stadt. Aber es gibt viele Menschen, die in den städtischen Siedlungen leben, die sich zurückgelassen fühlen. Diese Stadt teilt sich somit in zwei Hälften. Es gibt die bürgerlichen Einheimischen, die sich in der lokalen Politik engagieren. Während des Wahlkampfes wollten wir aber bewusst Menschen besuchen, die in den Siedlungen leben. Es gibt viele Alleinerziehende, vor allem alleinerziehende Mütter und ältere Menschen, viele von ihnen Frauen. Ich erinnere mich an eine Frau mit drei Kindern, und ich fragte: “Sie wissen, dass die Kommunalwahl bevorsteht?” Und sie sagte: “Ich habe noch nie bei den Kommunalwahlen gewählt, weil sie nichts für mich tun. Sie haben nichts mit mir zu tun.”

Das war eine sehr typische Antwort. Und ich fragte: “Welche Dinge sind Ihnen wichtig, als Mutter von drei Kindern?” Dann habe ich von den Zielen der Women´s Equality Party erzählt: bezahlbare Kinderbetreuung, bessere Unterstützung von Familien, bessere öffentliche Verkehrsdienste, um besser zur Arbeit und zurück zu kommen. Nachdem ich ein paar Minuten mit ihr geplaudert hatte, schnappte sie sich meinen Flyer und meinte: “Ich werde Sie wählen.” Übrigens: Wir hatten diese Art von Gesprächen auch mit Männern.

Ich erinnere mich an einen Mann, mit dem ich gesprochen habe. Ich fragte ihn: “Was ist Ihnen wichtig bei diesen Kommunalwahlen?” Er war dem Stadtrat gegenüber sehr zynisch. Die Gemeindeverwaltung hatte kürzlich viel Geld für die Sanierung der Fußgängerzone im Stadtzentrum ausgegeben. Es sieht sehr schön aus, war aber unnötig, da sie bereits gepflastert war. Die Wahrnehmung dieses Mannes war, dass das Geld auf der Grundlage von persönlichen Lieblingsprojekten einzelner ausgegeben wurde, aber nicht auf Bedarfen, die die Gemeinschaft wirklich hat. “Ich finde keinen Platz für mein Kind in der Kita, aber die geben ein Vermögen für das Stadtzentrum aus.”

Ein anderer Mann, dem ich erklärte, worum es bei der Women´s Equality Party ginge, meinte: “Wissen Sie was? Es ist so wahr, was Sie sagen. Meine Frau hatte einen wirklich guten Job. Aber da wir absolut keine Kinderbetreuungsmöglichkeit haben, musste sie ihren Job aufgeben. Also muss ich jetzt Doppelschichten arbeiten, um unsere Hypothek bezahlen zu können. Und meine Kinder sehe ich nie.” Seine Frau wiederum ist den ganzen Tag auf sich allein gestellt, mit zwei Kindern unter fünf Jahren. Er sagte, es sei nicht wirklich das Leben, das sie sich vorgestellt hätten. Und dass er mehr als bereit sei, sich Erziehung und Hausarbeit zu teilen. Doch aufgrund fehlender Kinderbetreuungsmöglichkeiten würden jetzt für alle das Familienleben zu kurz kommen.

Wir haben viele dieser Geschichten gehört. Und die Menschen können wirklich was mit den Zielen der Women´s Equality Party anfangen, wenn es um bezahlbare Kinderbetreuung und den Aufbau der sozialen Infrastruktur geht. Um soziale Mobilität zu erreichen, ist eine der Schlüsselkomponenten, die Potentiale der Frauen freizusetzen. Das wiederum erreicht man mit diesen strukturellen Veränderungen.

Politikerin*: Sobald Sie also mit den Wähler*innen über Themen wie bezahlbarer Kinderbetreuung und besserer Unterstützung für Familien sprechen, weichen sie ab von Vorbehalten wie “Ihr seid gegen Männer“ hin zu “Davon profitieren wir alle?“

KW: Wir haben einen Partei-Slogan und der lautet: Chancengleichheit ist besser für alle. Und das ist sie auch. Das Weltwirtschaftsforum und andere Institute haben gezeigt, dass die Länder mit dem höchsten Gleichstellungsniveau glücklichere und erfolgreichere Gesellschaften sind. Gleichstellung kommt nicht nur den Frauen zugute, sondern allen.

Wir müssen in die soziale Infrastruktur investieren, nicht nur in die Kinderbetreuung, sondern auch in die Unterstützung der Familie, die Unterstützung der psychischen Gesundheit und der ersten Schuljahre.
Ich kenne eine Schulleiterin, die berichtet, dass Kinder zur Schule kommen und noch gar nicht in der Lage sind, mit dem Lernen loszulegen. Sie haben nicht gefrühstückt, haben keine richtigen Schuhe an, wissen nicht, wie man sich in der Gruppe verhält oder mit anderen Kindern spielt. Ihre Eltern sind so damit beschäftigt, über die Runden zu kommen. Diese Kinder brauchen viel Unterstützung und Hilfe von der Schule. So werden nun die Bildungsbudgets für die psychische Gesundheit und die Familienunterstützung ausgegeben. Das war früher die Aufgabe der Sozialdienste und des Gesundheitssystems. Aber aufgrund der Sparpolitik in Großbritannien wurden diese Dienste eingestellt, und die Schulen zahlen dafür jetzt den Preis. Genau wie die Eltern. Der Druck auf sie steigt. Und das erhöht die Herausforderungen bei unsozialem Verhalten. Ich bin unter anderem Vorsitzende der Arbeitsgruppe für antisoziales Verhalten. Wir haben uns zu lange auf die Folgen antisozialen Verhaltens konzentriert: Was machen wir mit den Kindern, die im Park Drogen nehmen? Was unternehmen wir gegen Trunkenheit und so weiter?

Aber diese Fragen beziehen sich nur auf Ergebnisse unsozialen Verhaltens.

Ich möchte untersuchen, was wir gegen das Entstehen unternehmen können. Was können wir gegen die Ursachen tun? Wenn man Familien mehr unterstützt, dann können wir vielleicht dabei helfen, unsoziales Verhalten zu bekämpfen.

Politikerin*: Das Amt als Stadträtin basiert auf ehrenamtlicher Tätigkeit. Ich gehe davon aus, dass Sie eine kleine Vergütung für Ihre Arbeit erhalten, aber mehr auch nicht. Aufgrund des #genderpaygaps und der zeitlichen Belastung durch #carework, die überwiegend noch auf den Schultern der Frauen lastet, haben Frauen nicht wirklich die Zeit und das Geld, sich politisch zu engagieren. Was ist hierzu der Standpunkt der Women´s Equality Party´s? Gibt es Strategien, gegen diesen repräsentativen Missstand anzugehen?

KW: Genau, mein Dienst im Stadtrat ist unbezahlt. Viele Menschen, die als Stadträt*innen tätig sind, sind nicht darauf angewiesen, zu arbeiten, sind mittleren Alters oder bereits im Ruhestand. Das ist nicht gerade repräsentativ für die gesamte Bevölkerung, oder? Eine der Forderungen der Women´s Equality Party ist, dass man über Richtlinien verfügen muss, die die Teilnahme und Vertretung an einem politischen Amt für jeden und jede möglich macht. Das Britische Unterhaus beispielsweise sollte einen normalen Arbeitstag haben und Kinderbetreuungsmöglichkeiten anbieten.
Die Women´s Equality Party war die einzige Partei, die allen, die für die Partei kandidieren wollten, Kinderbetreuung anbot. Wenn Sie also als Kandidat*in antreten und einen Wahlkampf führen wollen, dann übernimmt die Women´s Equality Party die Kinderbetreuung. Wir sind die einzige politische Partei, die das tut.

Im Stadtrat bin ich im Personalausschuss des Stadtrates, weil ich überprüfen will, ob wir Kinderbetreuungsmöglichkeiten für Angestellte der Gemeinde und Ratsmitglieder anbieten können. Tatsächlich erwähnte neulich eine meiner Ratkolleginnen, dass sie früher ihre Kinder mit in die Meetings nehmen musste, weil ihr die Betreuungsmöglichkeit fehlte. Und ich sagte: “Dann ist das eine Sache, die wir brauchen: Kinderbetreuung für den Rat, oder?

Während meiner Kampagne besuchte ich eine Selbsthilfegruppe von Überlebenden häuslicher Gewalt und hörte mir an, was sie zu sagen hatten. Ich kann Ihnen sagen: Die beste Liste an politischen Maßnahmen kam von dieser Gruppe. “Das braucht es in Schulen, das muss am Arbeitsplatz geschehen, das ist es, was die Polizei tun sollte, so müsste man Wohnraum gestalten. “ Sie hatten alle Antworten. Und ich sagte: Ihr alle solltet euch für die Kommunalwahlen aufstellen lassen, nicht ich.

Daraufhin meine eine Frau: “Aber wer kümmert sich dann um meine beiden behinderten Kinder, während ich in der Ratsversammlung bin?” Guter Einwand! Sie hatte natürlich Recht.

Warum also können diese Menschen sich nicht für ein politisches Amt aufstellen lassen? Sie haben Erfahrungen mit einigen wirklich schwierigen Lebenssituationen, sie haben diese überstanden und überlebt. Ich denke, das ist es, was wir tun müssen. Ich kann das natürlich nicht alles in einer Woche erreichen, aber auf lange Sicht sollten wir mehr Menschen ermutigen, sich mit der Politik auseinanderzusetzen und die Stadt im Rat zu vertreten. Wir müssen die Art und Weise ändern, wie wir die Gemeindepolitik sehen.

Das einzig Gute an dem ganzen Populismus und dieser schrecklichen Brexit-Debatte ist, dass sich die Menschen jetzt stärker mit Politik auseinandersetzen. Als ich mit den Leuten an der Haustüre gesprochen habe, hatten alle eine Meinung. Ob ich nun mit dieser einverstanden war oder nicht. Daher ist es wichtig, dass sie sich in die Gemeinschaft einbringen.

Politikerin*: Sie selbst sind erfolgreiche Geschäftsführerin eines Unternehmens, das Kund*innen auf der ganzen Welt betreut. Wenn es um die Ziele der Women´s Equality Party bezüglich gleicher Bezahlung, Chancengleichheit und flexible Arbeitszeiten geht, wie gut gehen diese Ziele mit Ihren eigenen Geschäftsinteressen zusammen?

KW: Sie sind komplett auf die Bedürfnisse von Unternehmerinnen wie mir ausgerichtet. Ich leite eine digitale Agentur, wir arbeiten im digitalen Gesundheitswesen. Unsere Kund*innen sind Großkonzerne auf der ganzen Welt, vor allem in Europa. Unser Firmensitz befindet sich in der Nähe von Manchester in Nordengland. Aber der Großteil der digitalen Agenturen hat ihren Sitz in London. Ich beobachte, dass es diese Kultur im digitalen Agenturwesen gibt: Die umfasst einen 10-Stunden-Arbeitstag und ein paar Stunden im Pub am Ende des Arbeitstages.

So oft höre ich von Leuten, dass sie gerne für eine Agentur arbeiten würden, dass es aber einfach nicht mit ihrem Familienleben vereinbar sei. Aber ich sage zu ihnen: Unsinn. Meine Agentur arbeitet mit völlig flexiblen Arbeitszeiten. Ich habe Teilzeitkräfte, ich habe Menschen, die freitags nicht arbeiten, ich habe Mitarbeiter*innen, die sich um ihre Eltern und Kinder kümmern müssen. Wir haben ein völlig flexibles Arbeitsumfeld und sind dennoch eine sehr erfolgreiche Agentur. Wir schlagen unsere Londoner Konkurrenten häufig in Pitches. Die Hälfte der Leute, die hier arbeiten, würden nicht für mich arbeiten, wenn ich eine dieser typischen Agenturen leiten würde. Ich habe unglaubliche Talente in meinem Geschäft, einige der Top-Talente. Einige der Mitarbeiter*innen in meinem Team sind Expert*innen im Bereich der digitalen Gesundheit. Sie haben sich entschieden, für mich zu arbeiten, weil ich mein Unternehmen so führe, wie ich es eben führe.

Und ich ziehe die Talente an, die meine Konkurrent*innen nicht anziehen. Diese neigen dazu, viele begeisterte junge Absolvent*innen zu bekommen. Aber wenn diese Absolvent*innen selber Familien gründen, verlassen sie diese Agenturen, weil sie glauben, dass das “Agenturleben” nicht mit dem Familienleben vereinbar ist.

Wenn man sich um seine Mitarbeiter*innen kümmert, wenn man in Talente investiert, dann laufen die Geschäfte viel besser. Meine Mitarbeiter*innen sind auch ein sehr glücklicher Haufen. Wir haben Eltern und in einigen Fällen auch Großeltern, und gleichzeitig läuft das Geschäft. Ich habe Spitzenleute, aber die wollen auch ein Leben, eine Familie und Kinder — und mein Geschäft funktioniert sehr gut, vielen Dank.

Daher sage ich: Was gut für die Mitarbeiter*innen ist, ist gut für das Geschäft.

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Kay Wesleys persönliche Prioritäten für ihre Arbeit als Stadträtin für Congleton finden Sie hier.

Die Agenda der Women´s Equality Party finden Sie hier.

Noch ein Tipp, wenn Sie planen, Kay zu interviewen. Oder tatsächlich jede Frau, die erfolgreich ist und Kinder hat. Stellen Sie niemals, unter keinen Umständen, die berüchtigte “Sie sind auch Mutter, wie kriegen Sie das alles nur gebacken?“-Fragen. Nicht, wenn Sie nicht auch daran interessiert sind, wie Männer Job und der Familie vereinbaren.

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Diana Krebs
Politikerin*

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