“Soll ich diesen Vortrag honorarfrei halten?”

Was Sie für sich selbst klären sollten, und warum das “Prinzip Hoffnung” selten funktioniert

Dr. Kerstin Hoffmann
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4 min readNov 27, 2017

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Bezahlte oder nicht bezahlte Vorträge? Das fragt sich so mancher, der/die mal wieder eine Anfrage für einen Auftritt erhält, für den kein Honorar gezahlt werden soll. Je nachdem, wie das eigene Geschäftsmodell aussieht, kann sich das selbst für hauptberufliche Speaker in Einzelfällen lohnen; aber dazu sollten Sie zunächst einiges für sich selbst klären.

Der Markt für Vorträge und Vortragsredner ist sehr, sehr heterogen. Während manche Speaker für einen einzigen Auftritt fünfstellige Beträge (oder, wenn sie sehr berühmt sind, sogar noch deutlich mehr) erhalten, gibt es viele Veranstalter selbst renommierter Kongresse, die gar nichts zahlen wollen. Oft locken sie mit “guten Kontakten” oder einem “hochwertigen Publikum”, was immer das zu bedeuten hat.

Wer, wie ich, von Berufs wegen Vorträge hält, bekommt oft genug Anfragen von Veranstaltern oder Agenturen, die mit dem betreffenden Kongress Geld verdienen, aber für die Inhalte nichts zahlen wollen. Dass dies immer wieder funktioniert, liegt daran, dass viele Unternehmen ihre Fachleute und Funktionsträger gerne auf Bühnen schicken, um dort sichtbar zu sein und für sich zu werben. Dies kann sich lohnen, wenn es zum Geschäftsmodell passt. Aber wenn sich beides vermischt, dann ist eigene Klärung gefragt.

Die Autorin im Vortrag.

Bezahlte Vortragsredner sollten sich nur unter bestimmten Umständen auf so etwas einlassen, denn sonst zerstören sie ja ihr eigenes Geschäftsmodell. Man kann schlecht ein- und dasselbe einmal bezahlt und einmal unbezahlt tun, es sei denn, die Bedingungen sind klar abgesteckt — und es herrscht eigene Klarheit.

5 plausible Gründe für unbezahlte Auftritte

Ich trete, wie die wohl meisten Speaker, in wenigen Ausnahmefällen auch ohne oder für ein niedrigeres Honorar auf. Es gibt aus meiner Sicht aber nur einige wenige Gründe, aus denen jemand, der eigentlich bezahlte Vorträge hält oder halten will, unbezahlt auftritt und ggf. sogar die eigenen Fahrtkosten trägt. Einige Beispiele:

1. Er/sie kann mit dem Vortrag etwas anderes verkaufen (entweder selbst oder im Auftrag ihres/seines Arbeitgebers). Das bedeutet: geldwerter Vorteil, weil Marketing. Das ist aber eine Frage des Geschäftsmodells, und das muss man für sich definieren. Wie gesagt: Man kann nur sehr schwer zugleich sowohl bezahlter hauptberuflicher als auch unbezahlter Speaker mit Marketingbotschaften sein.

2. Er/sie möchte erst noch bekannter werden und braucht dafür mehr Sichtbarkeit und z. B. Vorträge auf größeren Bühnen. Das bedeutet: geldwerter Vorteil, weil Steigerung des eigenen Marktwertes. Viele Speaker haben wohl so angefangen. Aber auch hier darf man aber den Zeitpunkt nicht verpassen, das Geschäftsmodell zu wechseln.

3. Er/sie tut einem guten Freund oder einer Freundin einen Gefallen. Das bedeutet: nicht in Geld zu beziffernder Vorteil für beide; ggf. mit Aspekten von 1. und 2.

4. Er/sie trägt zu etwas größerem Ganzen bei, in einem Umfeld, in dem generell nicht oder wenig bezahlt wird, und es macht sich damit auch niemand anders die Taschen so richtig voll (z. B. re:publica, TEDx). Das bedeutet: nicht in Geld zu beziffernder Vorteil für alle; ggf. mit Aspekten von 1., 2. und 3.

5. Er/sie hat selbst Lust auf den Anlass, möchte die Veranstaltung besuchen und macht das zur eigenen Motivation. Das bedeutet: nicht in Geld zu beziffernder Vorteil für beide Seiten; ggf. mit Aspekten von 1., 2. und 3.

Fragen Sie nach!

Wenn Sie bezahlter Speaker sind, und jemand will von Ihnen, dass Sie in seine Veranstaltung investieren (denn genau das tun Sie, indem Sie Zeit investieren und eine hochwertige Leistung abliefern), dann sollte er/sie Ihnen das auch plausibel machen können. Fragen, die Sie stellen könnten:

  • Warum glaubt er, dass sich der Auftritt nicht nur für ihn lohnt, sondern auch für Sie?
  • Verdient er (oder jemand anders) auch kein Geld damit – oder sind die Vortragenden die einzigen, die Werte mitbringen, ohne einen finanziellen Gegenwert zu erhalten?
  • Hat er/sie verstanden, dass Sie ein professioneller Speaker sind und dies Ihr Geschäftsmodell ist und dass Sie nicht Vorträge halten, um etwas anderes zu verkaufen?

… und lassen Sie sich bitte nicht mit Floskeln wie “wertvolle Kontakte” oder “hochwertiges Publikum” abspeisen. Die finden Sie auch, und oft sogar noch viel eher, bei gut bezahlten Vorträgen. Mögliche, aber keinesfalls garantierte Folgeaufträge sind ebenfalls kein Grund, ohne Bezahlung zu arbeiten; das macht nämlich Ihre Autowerkstatt oder Ihr Frisör auch nicht.

Wie gesagt: Wenn Sie Vorträge unbezahlt halten wollen, um etwas zu verkaufen, dann ist das keineswegs verwerflich, sondern kann gut funktionieren. Aber das ist dann eben keine Speaker-Tätigkeit im eigentlichen Sinne, sondern Content-Marketing mit Vorträgen.

Vergessen Sie das “Prinzip Hoffnung”!

Wenn Sie aber etwas verschenken in der Hoffnung, dasselbe irgendwann zu verkaufen, und Sie haben die Rahmenbedingungen für sich selbst und andere nicht genau definiert, dann ist jetzt genau der richtige Zeitpunkt, noch einmal am eigenen Geschäftsmodell und an der eigenen Positionierung zu arbeiten. Viel Erfolg dafür!

Zu diesem Beitrag angeregt hat mich übrigens ein Facebook-Posting von Daniel Fiene, unter dem ich zunächst ähnlich, aber etwas kürzer kommentiert hatte.

Lesen Sie auch dieses Interview mit der Speakeragentin Greta Andreas, in dem sie ebenfalls wertvolle Hinweise zum Thema “bezahlte oder unbezahlte Vorträge” liefert.

Zu meinem eigenen (bezahlten) Vortragsangebot geht es übrigens hier.

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Dr. Kerstin Hoffmann
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