BehördenMatrix: Ohne Reflexion kein Wandel

Ein Instrument zur strukturierten Reflexion in der Verwaltung.

Tatiana Herda Muñoz
Public Service Lab
4 min readJan 24, 2022

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von Tatiana Muñoz und Laurin Scheuer

Eine schematische Darstellung einer Behördenmatrix-Arbeitsleinwand, die beinhaltet: Ergebnisse, Erneuerungskompetenzen und -ressourcen, Erneuerungsmechanismen, Sinn und Zweck, Umsetzungskompetenzen und -ressourcen, Dienstleistungsmodelle, Entscheidungen, Veränderung, Ressourcen, Führung

Fragt man fünf verschiedene Kolleg:innen, welche Ziele in ihrer Behörde wie verfolgt und gemessen werden, bekommt man mit hoher Wahrscheinlichkeit fünf verschiedene Antworten. Deswegen formulieren wir hier die These: Wenn man sich nicht die Zeit nimmt, um gemeinsam die eigene Organisation mit ihrer Kultur, ihren Abläufen und ihren Strukturen zu reflektieren und ein gemeinsames Verständnis zu schaffen, läuft jede so gewollte Innovations- und Modernisierungsinitiative ins Leere. Mit der BehördenMatrix haben wir ein Instrument weiterentwickelt, das eine strukturierte Reflexion der eigenen Organisation ermöglicht.

Fehlendes gemeinsames Verständnis

Vor ein paar Jahren, als die Diskussion um nutzer:innenzentrierte Ansätze in der Verwaltung losging, haben wir uns immer gefragt: Bei allem motiviertem Loslaufen Richtung digitaler Transformation und Innovation, für welches Problem wird hier eigentlich eine Lösung gesucht? Welche Wechselwirkungen innerhalb der Organisation entstehen, wenn die (wenigen) Motivierten losrennen und andere stehen bleiben? Wir haben uns auf die Suche nach Antworten gemacht und in unzähligen Diskussionen mit Kolleg:innen von der Polizei, anderen Behörden und Netzwerken haben wir erkannt: Viele haben die Sinnhaftigkeit ihrer Verwaltungsarbeit aus dem Blick verloren, Führungskräfte und Innovator:innen haben z.T. ein komplett anderes Bild der Organisation als die Sachbearbeitung bzw. der Rest der Belegschaft. Wie soll diese Organisation effizient und effektiv arbeiten, wenn diese gemeinsame Basis nicht existiert? Und wie soll sich so eine Organisation weiterentwickeln, wenn es kein gemeinsames Verständnis über ihre Eigenheiten und Stärken und Schwächen gibt?

Reflexion einfach gemacht

Um diese Fragen zu klären und eine gemeinsame strukturierte Reflexion der Abläufe in der eigenen Organisation im öffentlichen Dienst zu ermöglichen, haben wir die BehördenMatrix (inspiriert vom Management Model Design von R. Hoffmann) entwickelt. Mit diesem Instrument kann ein gemeinsames Verständnis über die Mechanismen und Wechselwirkungen in der eigenen, meist komplexen, Organisation entwickelt werden. Die ebenfalls im Anwendungsprozess erkennbaren Ansatzpunkte für Optimierungen bieten dann die Möglichkeit, gemeinsam an diesen zu arbeiten.

Das Instrument der BehördenMatrix wurde nach einem Impuls durch das Management Model Design entwickelt und arbeitet mit dem in der Denkschule des Design Thinkings üblichen Vehikel der Visualisierung. Ergänzt haben wir den Ansatz der institutionellen Reflexivität. Unter moderierter Anleitung wird vorhandenes Wissen reflektiert und durch die Visualisierung in Zusammenhang miteinander gebracht.

In der BehördenMatrix werden dabei alle wesentlichen Bereiche einer Organisation im öffentlichen Dienst beleuchtet. Vom Sinn und Zweck der Organisation wird über die zu erreichenden Ziele, die Dienstleistungen und die Erneuerungsstrukturen zunächst das Gerüst abgebildet. Im Inneren der Matrix steht dann das Innere der Organisation, also die Kommunikation, die Entscheidungsstrukturen und die Führungskultur.

Der erfolgskritische Faktor in der Bearbeitung der BehördenMatrix ist dabei die auf die Verwaltungskultur zugeschnittene Methodik. Die Überlegungen zur Abbildung des Managementmodells einer Organisation haben wir semantisch und kulturell für die Verwaltung übersetzt und dabei die Besonderheiten von nicht profitorientierten Verwaltungsorganisationen einfließen lassen.

Die BehördenMatrix in der Praxis

Die bisherigen Anwendungen fanden überwiegend in der Polizei in Organisationseinheiten von ca. 40 Mitarbeiter:innen bis hin zu 1.500 Mitarbeiter:innen statt. Dabei haben wir das Instrument sowohl genutzt, um den Ist-Zustand einer Organisation zu ermitteln und daraus Optimierungspotenziale abzuleiten, als auch um die jeweilige Vision der Organisation zu beschreiben und zu visualisieren. Die Rückmeldungen waren durchgehend positiv und konnten immer wieder zur Weiterentwicklung des Instruments genutzt werden. Als besonders angenehm empfanden es die Teilnehmenden, dass ihnen kein bestehendes vermeintlich optimales Modell einer Organisation vorgegeben wurde, sondern sie die Möglichkeit hatten, selbst über die Abläufe und Strukturen zu reflektieren und mögliche Potenziale zu erkennen. Für eine nachhaltige Organisationsentwicklung bietet diese gemeinsame Erkenntnis eine optimale Grundlage. Mögliche Überzeugungsarbeit muss nicht mehr geleistet werden. In einem Fall dienten die Erkenntnisse aus der BehördenMatrix, insbesondere die erkannten Schwächen in der Organisation, als Grundlage für einen Strategieprozess. Manche Führungskräfte nutzten die Gelegenheit die visualisierten Ergebnisse mit ihren Mitarbeiter:innen zu reflektieren und so in weitere Diskussionen und Austausch über die Zusammenarbeit zu kommen. Die durch die BehördenMatrix erarbeitete Landkarte der Organisation wird im Nachgang auch als Instrument für den Alltag genutzt, um beispielsweise vor strategischen Entscheidungen mögliche Wechselwirkungen mit anderen Elementen der Organisation durchzuspielen und zu reflektieren.

Die BehördenMatrix erhebt dabei keinen Anspruch auf absolute Vollständigkeit. Es wäre wohl auch illusorisch, zu glauben, es gäbe eine Methode, die eine Organisation mit all ihrer Komplexität in formellen sowie emergenten Prozessen und Strukturen zu 100% erfassen könnte. Dennoch haben die bisherigen Anwendungen und die anschließenden Diskussionen gezeigt, dass die wesentlichen Knackpunkte immer thematisiert wurden.

Zeit für Reflexion lohnt sich

Wie oft nehme ich mir im Alltag die Zeit über meine Organisation und die Abläufe zu reflektieren? Während sich diese Frage jeder noch selbst beantworten kann, wird es wohl eher wenig Gelegenheiten geben, solche Gespräche gemeinsam mit den Kolleg:innen zu führen. Selbst wenn dafür Zeit und Raum im Alltag vorhanden sind, ist damit noch lange nicht gewährleistet, dass daraus auch zielführende Ansätze entstehen. Wir ermutigen dazu, sich die Zeit für diese Reflexionen zu nehmen. Ohne die umfassende Kenntnis der eigenen Organisation mit ihren Mechanismen und Wechselwirkungen ist eine nachhaltige und effektive Organisationsentwicklung kaum möglich. Die BehördenMatrix macht diese Komplexität bearbeitbar und bietet den Rahmen und die Struktur, Veränderungen der eigenen Organisation aktiv zu gestalten und sie nicht nur geschehen zu lassen.

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Laurin Scheuer ist Dezernatsleiter und stellv. Abteilungsleiter im LKA RLP und befasst sich mit Verwaltungsmodernisierung, Organisationsentwicklung und Digitalisierung.

Tatiana Muñoz berät die öffentlichen Hand in Verwaltungsmodernisierung und -digitalisierung sowie Umwelt und Nachhaltigkeit.

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Tatiana Herda Muñoz
Public Service Lab

Verwaltungsgestalterin, Klimakommunikatorin, Stadtteilbürgermeisterin, Transformatorin, Migrantin.