Herausforderungen, Kulturwandel und Transformationen

Wie Servicedesign-Methoden in der Kölner Stadtverwaltung zum Einsatz kommen.

Elisabeth Fried
Public Service Lab
4 min readJun 16, 2021

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von Elisabeth Fried & Anastasia Bondar

In drei Fotos werden drei Menschen in einem Workshop zur Rolle von InteressensvertreterInnen gezeigt, darunter die Mitautorin Elisabeth Fried, die eine aktive Rolle im Workshop einnimmt, Klebezettel den anderen Beteiligten zeigt und eine Visualisierung an der Wand zeichnet.
Teilnehmer*innen bei einem Workshop der Arbeitsgruppe ›Service Design in Kommunen‹ der KGSt im Zukunftslabor der Stadt Köln

Die Stadt Köln hat sich als Vorreiterin gezeigt, als sie 2018 die erste Servicedesignerin deutschlandweit in einer Verwaltung fest anstellte. Seit 2019 sind es bereits drei Servicedesigner*innen, die in interdisziplinären Teams durch neue Methoden und agile Formate Veränderungsprozesse in unterschiedlichen Abteilungen der Kölner Stadtverwaltung (Reform und Innovationsmanagement) unterstützen.

Komplexe Herausforderungen und stetigen Veränderungen der heutigen Zeit stellen bisherige Strukturen und Strategien infrage und erfordern neue Lösungswege. Für eine ganzheitliche Veränderung braucht es neben erfolgreichen Projekten deshalb auch neue Arbeits- und Herangehensweisen. Das Ziel ist dabei immer, eine bessere Verwaltung zu werden, bessere Services für die Kölner*innen zu bieten und unsere Organisationskultur nachhaltig zu verändern.

Durch Workshops, Projekte und Netzwerke sowie unterstützt durch Servicedesign-Methoden kommen diese Werte und Prinzipien an immer mehr Stellen der Verwaltung mit rund 20.000 Kolleg*innen an und helfen dabei, akute Herausforderungen schnell und passgenau anzugehen.

Projekte mit Servicedesign schneller zum Erfolg führen

Die Herangehensweise des Servicedesigns legt den Fokus auf die Bedürfnisse der Nutzenden, das gemeinsame Gestalten, Testen und Umsetzen von zukunftsorientierten Ideen und Lösungen. Dieses Vorgehen ist für einige Herausforderungen besser geeignet, als zunächst lange und mit viel Aufwand einen ›perfekten Plan‹ zu erstellen, wie es im klassischen Projektmanagement häufig der Fall ist.

Ohne eine konkrete Lösung vor Augen, stattdessen mit dem Ziel, in die Welt der Nutzenden einzutauchen, werden Servicedesign-Projekte durch Nutzer*innenforschung mit einem ergebnisoffenen Ansatz begonnen. Durch Erkenntnisse über Bedürfnisse und Schmerzpunkte von Nutzenden und einen ganzheitlichen systematischen Ansatz wird so Vielschichtigkeit und Komplexität aufgearbeitet und neu verstanden. Mithilfe von Ideensammlung, Experimenten und Anwendungstests können letztendlich die Lösungen entwickelt werden, die auch nachhaltig bestehen werden.

Ein Format, in dem wir Servicedesign anwenden, nennen wir Veränderungswerkstätten: In einem festgelegten Zeitraum von meistens zwei bis vier Monaten erarbeitet ein interdisziplinäres Team schnell und konzentriert erste nutzbare Ergebnisse und Prototypen. Veränderungswerkstätten bilden den methodischen Rahmen, in dem individuell die geeigneten, agilen und nutzendenzentrierten Arbeitsweisen mit dem passenden Thema kombiniert werden. Folgendes Beispiel aus der Praxis gibt einen Einblick:

In der Veränderungswerkstatt mit dem historischen Archiv der Stadt Köln hat ein interdisziplinäres, hierarchieübergreifendes Team gemeinsam Ideen entwickelt, wie das Archiv unter anderem Schulen besser erreichen kann. Dafür haben wir am Anfang des Projekts qualitative Interviews mit Schüler*innen und Lehrkräften geführt. Dadurch konnten wir verstehen, was ihre Bedürfnisse und Anforderungen sind und für sie passende Lösungen konzipieren.

So haben wir ein digitales Bildungsangebot erarbeitet, mit dem Schüler*innen Archivmaterial wie beispielsweise Urkunden eigenständig im Unterricht kennenlernen können. Bei der Konzeption haben wir immer wieder Schüler*innen und Lehrkräfte eingebunden, um ihr Feedback fortlaufend einzuarbeiten. Durch die Einbindung der Zielgruppe konnten wir eine nutzendenzentrierte und interaktive Lösung schaffen, die einen niedrigschwelligen Einstieg in die Welt des Archivs bietet und gut an den bestehenden Lehrplan anknüpft. Da die Veränderungswerkstatt während der Corona-Pandemie stattfand, haben wir die Nutzenden hauptsächlich digital über Videokonferenzen eingebunden und befragt. Unsere Erfahrungen hierbei waren trotz anfänglicher Skepsis durchweg positiv und das zeigt, dass es sich immer wieder lohnt, Neues auszuprobieren.

Methodenwissen und agiles Mindset in die Verwaltung tragen und Führungskräfte mitnehmen (top-down und bottom-up)

Agile Herangehensweisen an Themen, Projekte und Fragen sind ein zentraler Baustein auf dem Weg zu einer zukunftsorientierten Verwaltung. Doch Prozesse ändern sich nicht von selbst — es sind die Menschen, die etwas verändern. Daher ist es uns ein wichtiges Anliegen, partnerschaftlich mit unseren Kolleg*innen zu agieren und ihnen das Handwerkszeug mitzugeben, um eigenständig Dinge zu verändern, die ihren Arbeitsalltag besser machen. Mit Angeboten wie der ›Agilen Woche‹ bieten wir die Möglichkeit an, sich mit Servicedesign-Methoden konzeptionell, methodisch und ganz praktisch vertraut zu machen: 2019 analog und 2020 in digitalen Workshops haben wir verschiedene Methoden vorgestellt und einen schnellen, alltagsnahen Einblick in die Herangehensweise des Servicedesigns gegeben. Innerhalb von zwei Wochen haben 180 Kolleg*innen begeistert für jeweils 120 Minuten mitgemacht und einen Einblick bekommen, was es bedeutet, nutzendenzentriert und iterativ zu arbeiten.

Drei Personen stehen vor einer Wand mit einer Visualisierung der Rolle von InteressensvertreterInnen. Die mittlere Person zeigt mit dem Finger auf den mittleren Teil.

Ganz konkret: Die Teilnehmenden aus sämtlichen Bereichen der Verwaltung von Bauverwaltung bis Kulturamt haben in Kleingruppen Ideen erarbeitet, was sie als Mitarbeitende und Führungskräfte in ihrem Alltag verändern können. Themen waren neben Servicedesign, die Methode Kanban, digitale Zusammenarbeit und bewusste Gestaltung von informeller Kommunikation. Der Austausch über Amts- und Dezernatsgrenzen hinweg wurde durchweg positiv angenommen und ermöglichte Vernetzung und Synergien. So erreichten uns im Nachgang zahlreiche Anfragen, die Inhalte der Agilen Woche auch weiteren Dienststellen näher zu bringen. Damit die Inhalte für alle Kolleg*innen stets abrufbar sind, entstanden kurzerhand Videos, die die wichtigsten Botschaften der Agilen Woche transportieren. Durch die Veröffentlichung im stadtweiten Intranet sind diese der gesamten Verwaltung zugänglich.

Die vorherigen Beispiele zeigen, wie Servicedesign im öffentlichen Sektor Anwendung findet; ob in der Organisationsentwicklung, im Innovationsmanagement, der Gestaltung neuer Dienstleistungen oder einer agilen Arbeitskultur, es geht letztendlich um ein gemeinsames Ziel und einen Mehrwert für alle. So schaffen wir eine Verwaltung, mit der wir, egal ob wir Mitarbeitende oder Bürger*innen sind, gerne zu tun haben und die uns unterstützt, nicht nur gut mit den komplexen Herausforderungen der heutigen Zeit umzugehen, sondern diese auch zu bewältigen.

Die ersten Schritte in Köln sind gemacht und wir gehen jeden Tag ein Stück weiter.

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Elisabeth Fried arbeitet seit 2018 als Servicedesignerin bei der Stadt Köln. Sie hält einen BA und MA der Köln International School of Design.

Anastasia Bondar ist Servicedesignerin bei der Stadt Köln seit 2020. Zuvor studierte sie Design im dänischen Kolding und in Köln.

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Elisabeth Fried
Public Service Lab

Hi, I’m a passionate designer and problem solver, design researcher, change maker, service designer, facilitator, storyteller, illustrator and environmentalist.