Öffentliches Gestalten im CityLAB Berlin

Öffentliche Verwaltungen stehen vor vielfältigen und komplexen Herausforderungen. Das CityLAB Berlin hat Angebote geschaffen, um öffentliche Verwaltungen bei ihren digitalen Veränderungsprozessen und Innovationsvorhaben zu unterstützen.

Joshua Pacheco
Public Service Lab
5 min readDec 24, 2020

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Foto: Florian Reimann, 2019

Im Juni 2019 eröffnete das CityLAB in den Räumen des ehemaligen amerikanischen Offiziershotels im Flughafen Tempelhof. Mit ihm entstand ein Ort, an dem sich zivilgesellschaftliche und gemeinnützige Organisationen, wissenschaftliche Einrichtungen und die Stadtbevölkerung in vielfältigen Formaten austauschen und Ideen für die Zukunft der Stadt entwickeln konnten. Auf die öffentliche Verwaltung kommen dabei immer mehr und neue Herausforderungen zu: Klimakrise, demografischer Wandel oder Digitalisierung sind komplexe und dynamische Probleme. Auf der Suche nach wirksamen Lösungen fehlen vielen verantwortlichen Verwaltungsmitarbeiter:innen die richtigen Werkzeuge.

Dieser Artikel wirft einen Blick auf die Angebote und Formate, die wir im CityLAB entwickelt haben, um sie ihnen an die Hand zu geben:

  1. das Vermitteln von neuen Methoden und Kompetenzen,
  2. die Moderation designgeleiteter Entwicklungsprozesse und
  3. das Entwickeln prototypischer Softwarelösungen.
Foto: Florian Reimann, 2020

Vermittlung von Methoden und Kompetenzen

Für zukunftsfähiges Verwaltungshandeln werden neue Denk- und Arbeitsweisen benötigt. Im CityLAB beruhen unsere Formate zur Vermittlung dieser neuen Denk- und Arbeitsweisen auf drei Prinzipien:

Verantwortlichkeit

Wirkungsorientiertes und menschzentriertes handeln.

Transparenz

Evidenzbasiertes und designgeleitetes handeln.

Partizipation

Multiperspektivisches und co-creatives handeln.

Die Annahme und Anwendung dieser Prinzipien ist für Mitarbeiter:innen in der Verwaltung nicht trivial. Zum Beispiel bedeutet, Menschen ins Zentrum zu stellen, gleichzeitig, Veränderungsprozesse für externes Feedback zu öffnen. Bisher wurden aber Entscheidungen nur verwaltungsintern getroffen – sie transparent zu machen, scheint angreifbar zu machen.

Foto: Florian Reimann, 2020

In acht Modulen zur Service-Agent:in

Unser neuestes Lernformat bereitet Berliner Verwaltungsbeschäftigte auf ihre Graswurzelrolle als Service-Agent:in vor und besteht aus acht halb- oder ganztägigen Modulen zu Servicedesign und Nutzer:innenorientierung, zur Selbst- und Fremdwahrnehmung, zur Methodik und Umsetzung qualitativer Untersuchungen, zum Nutzen des Erfahrungsschatzes und Erkunden von Ideen, zum Gestalten von Sprache und Prototypen und schließlich zur Umsetzung und Netzwerkbildung.

Handbuch für innovatives Arbeiten in der Verwaltung

Unser bisher umfangreichstes Angebot an die öffentlichen Verwaltungen – über die Berliner Stadtgrenzen hinaus – ist unser Handbuch für innovatives Arbeiten in der Verwaltung. Es ist ein frei zur Verfügung gestellter Methodenkasten und eine Anleitung zum eigenständigen Arbeiten an Innovations- und Digitalisierungsvorhaben. Das Handbuch ist unterteilt in mehrere Phasen und begleitet Verwaltungsmitarbeiter:innen ab dem Moment, an dem sie feststellen, dass etwas nicht optimal funktioniert. Dort zeigt es auf, wie motivierte Teammitglieder gefunden und Vorgesetzte vom Investieren in Raum, Zeit und Ressourcen überzeugt werden können. Es führt im Anschluss durch Phasen der Systemexploration und Problemdefinition, als auch des Entwickelns und Testens von Ideen und Prototypen, bevor es Möglichkeiten aufzeigt, wie Lösungen umgesetzt und verstetigt werden können.

Um die Eintrittsschwelle für Mitarbeiter:innen der Berliner Verwaltungen möglichst niedrig zu gestalten, bieten wir kurze Formate zum begleiteten Ausprobieren erster Methoden an und haben damit gute Erfahrung gemacht. Die Teilnehmer:innen genießen den kreativen Austausch, eignen sich die neuen Methoden, Denk- und Arbeitsweisen schnell an und erkennen, dass etwa das Einbeziehen von Bürger:innen kein Eingeständnis eigener Unfähigkeit ist, sondern Ausdruck von ehrlichem Interesse.

Moderation designgeleiteter Entwicklungsprozesse

Die Lernformate haben die Tür für Anfragen nach Unterstützung bei realen Innovations- oder Digitalisierungsvorhaben geöffnet. Um dem Bedarf nach Unterstützung für existierende Problemstellungen zu begegnen, haben wir ein Begleitprogramm entwickelt. Es besteht aus drei Phasen, an denen sich sowohl betroffene, als auch verantwortliche Anspruchsgruppen beteiligen:

Analyse

Ziel der Analysephase ist ein gemeinsames Problemverständnis und Zielwissen. Dazu führen wir Sachstandanalysen durch, kartieren Prozesse, Akteure und Abläufe und identifizieren Ursachen und Effekte einer vorliegenden Herausforderung.

Intervention

Dem identifizierten Problem begegnen wir zunächst mit einer Intervention in Form von Lösungskonzepten. Um lösungsweisende Empfehlungen und Maßnahmen zu formulieren, priorisieren wir die Potenziale, die sich aus Bedürfnissen und Hindernissen der betroffenen und verantwortlichen Personen ergeben.

Evaluation

In der dritten Phase evaluieren wir die Intervention. Dazu führen wir Tests der Lösungskonzepte mit betroffenen Personen durch und werten sie gemeinsam mit den verantwortlichen Personen aus. In einigen Fällen bietet es sich an, das Lösungskonzept gleich in eine anfassbare und nutzbare Form zu bringen, bevor die zuständige Verwaltung in die öffentliche Vergabe geht.

www.giessdenkiez.de ist in Zusammenarbeit mit Bürger:innen, Umwelt- und Gießinitiativen entstanden. Es informiert die Stadtbevölkerung über Stadtbäume, ihren Wasserbedarf und öffentliche Wasserzugänge. So wird ihr ermöglicht, in den immer trockeneren Sommern, die zuständigen Ämter bei der Bewässerung der Bäume in ihrer Nachbarschaft zu unterstützen.

Umsetzung prototypischer Softwarelösungen

Um zu illustrieren, was durch gemeinsame innovative Arbeit möglich ist und vielversprechende Konzepte erstmalig und probeweise in den Arbeitsalltag oder Nutzungskontext einzuführen, lohnt sich die Umsetzung prototypischer Softwarelösungen für den internen oder externen Gebrauch. Dabei kann der technische Prototyp den verantwortlichen Verwaltungen als elektronisches Lastenheft dienen und damit Vergabeverfahren effektiver machen und verkürzen.

Bescheidenheit in der Vermittlung

Unsere Zusammenarbeit mit der Berliner Verwaltung hat auch uns viel gelehrt. Verwaltungen werden häufig für ihre wahrgenommene Rückständigkeit belächelt oder kritisiert. Das trifft die Menschen in den Verwaltungen doppelt: nicht nur werden sie von außen gedrängt, sondern stehen auch intern unter wachsendem Druck. Das hat seine Richtigkeit, ist aber vor allem dann zermürbend, wenn seit vielen Jahren die Strukturen und die Unterstützung fehlen, um angemessen auf Veränderungen reagieren zu können oder erfolgreiche Veränderung nicht belohnt, gescheiterte Versuche aber regelmäßig mit gestrichenen Aufstiegsmöglichkeiten bestraft werden. Und trotzdem haben die Mitarbeiter:innen, mit denen wir arbeiten durften, in ihren oft jahrzehntelangen Laufbahnen immer wieder bewiesen, dass sie Probleme mit allen Mitteln, die ihnen zur Verfügung stehen, kreativ lösen wollen und können. Dementsprechend dankbar sind sie einerseits über weitere Ansätze und Werkzeuge, die sie befähigen, besser und eigenständiger durch die neuen Herausforderungen ihrer Arbeitsrealität zu navigieren. Andererseits schätzen sie es, wahrgenommen, anerkannt und verstanden zu werden. Es lohnt sich also, Methoden und Kompetenzen auch mit der angemessenen Anerkennung und Bescheidenheit zu vermitteln.

Das CityLAB Berlin ist ein Projekt der Technologiestiftung Berlin und wird von der Senatskanzlei Berlin gefördert.

Joshua Pacheco (@joshuapachecos) ist Servicedesigner im CityLAB. Dort leitet er die oben beschriebene Zusammenarbeit mit der Berliner Verwaltung und hat die Entwicklung von »Öffentliches Gestalten – Handbuch für innovatives Arbeiten in der Verwaltung« als Redakteur verantwortet.

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Joshua Pacheco
Public Service Lab

Program Lead @ DigitalService4Germany. Prev. @ CityLAB Berlin. Design Ethics & Public Innovation. https://joshuapacheco.de | @joshuapachecos