Wie Stadtwerke die Energiewende vorantreiben können und was sie daran hindert, ihr volles Potenzial zu realisieren

Finn Faust
QLab Think Tank GmbH
4 min readMay 16, 2022
Photo by Sander Weeteling on Unsplash

Als Nachhaltigkeitsberater arbeitet das QLab eng mit privaten und öffentlichen AkteurInnen der deutschen Energiewende zusammen. Durch solche Kooperationen haben wir festgestellt, dass öffentliche Energieversorger Schwierigkeiten haben, ihr volles Potenzial für die Energiewende auszuschöpfen.

Warum öffentliche Energieversorger wichtig für die Energiewende sind

In Deutschland wird Energie über die Stromnetze der Stadtwerke verteilt. Während kleinere Stadtwerke den gesetzlich festgelegten Energiemix hauptsächlich über die Europäische Energiebörse in Leipzig von den Erzeugern kaufen, stellen die Stadtwerke der größeren Städte das Netz nur für Energie zur Verfügung, die direkt von verschiedenen Erzeugern eingespeist wird.

Daher spielen Stadtwerke eine wesentliche Rolle bei der Aufrechterhaltung von Zuverlässigkeit und Strompreisen, auch wenn sie keinen Einfluss auf den verfügbaren Energiemix haben. Darüber hinaus können die Stadtwerke durch ihre Nähe zu Verbrauchenden und lokalen AkteurInnen den Weg ihrer Kommune in Richtung Klimaneutralität maßgeblich steuern. Es ist den Stadtwerken möglich, in lokale Ökostromerzeugung zu investieren und Anwohnende zu motivieren, beispielsweise in private Photovoltaik (PV) zu investieren.

Diese spezielle Stellung im deutschen Energiemarkt behindert laut Fraunhofer-Institut (S. 38) aber auch Verbesserungen in bestimmten Bereichen. Zudem können die vielfältigen Beziehungen zu lokalen AkteurInnen ihre Manövrierfähigkeit weiter einschränken.

Darüber hinaus droht das klassische Geschäftsmodell der Stadtwerke laut oekologisches-wirtschaften.de seit 2010 unrentabel zu werden. Wenn die Proportion privater PVs und die sektorübergreifende Energieeffizienz steigen, können vor allem große Stadtwerke Gewinnverluste erleiden.

Nachhaltigkeit, Zuverlässigkeit, Preisgestaltung

Erneuerbare Energien sind zwar schon jetzt günstiger als fossile Brennstoffe, aber der Mangel an effizienten Alternativen zu Gas bleibt ein Problem. Gleichzeitig übertragen sich die gestiegenen Öl- und Gaspreise von den privaten Anbietern über die öffentlichen Verteiler auf die privaten Haushalte. Kurz: die öffentlichen Energieversorger sind auf Gas angewiesen, aber business-as-usual ist keine Option mehr.

Leider verfügen bürokratisch träge Institutionen wie die Stadtwerke nicht unbedingt über die Fähigkeiten, Disruptionen zu bewältigen. Nach jahrzehntelanger, auf risikominimierende Instandhaltung ausgerichteter Bundespolitik sind die Stadtwerke für neue Situationen schlecht gerüstet, und längst absehbare Nachhaltigkeitsstandards werden plötzlich zu dringenden Angelegenheiten, die schnell behoben werden müssen. Der gelegentliche Mangel an ExpertInnenwissen macht den weiteren Weg ungewiss.

Die Kernfrage dabei lautet: Welche Strategien sollten die deutschen Stadtwerke verfolgen, um Energie bezahlbar, nachhaltig und zuverlässig bereitstellen zu können?

Best Practice: Probleme und mögliche Strategien

Taxonomien. Was ist nachhaltig? Diese Frage muss durch umfassende Taxonomien beantwortet werden, die idealerweise Etappenziele beinhalten, die öffentliche Energieversorger als Leitlinien für ihre langfristigen Strategien verwenden können. Planbarkeit ist hier essenziell. Diese Taxonomien werden jedoch von der EU festgelegt und die Stadtwerke haben keinen Einfluss auf solche Entscheidungen. Wenn Gas von der EU als grün eingestuft wird, könnten die Stadtwerke den Anreiz sehen, länger auf Gas zu setzen. Im besten Fall investieren die Stadtwerke stattdessen in alternative Heizmöglichkeiten durch Fernwärmenetze oder Wasserstoff, um nachhaltiger und unabhängiger vom Gaspreis zu werden.

Bundespläne für erneuerbare Energien. Wie stark können die Stadtwerke auf Erneuerbare setzen, ohne deren Zuverlässigkeit zu riskieren? In Abstimmung mit den Anbietern erneuerbarer Energien und der Bundespolitik müssen sich die Stadtwerke über die Perspektiven der Erneuerbaren informieren. Das Wissen um die Kapazitäten wird den öffentlichen Energieversorgern helfen, einen Fahrplan für das Outsourcing fossiler Brennstoffe in den kommenden Jahren zu entwerfen.

Selbstständigkeit erhöhen durch Diversifizierung. Während öffentliche Energieversorger innovative lokale Projekte begrenzt unterstützen können, können sie ihre Kommunen ermutigen, mehr in die lokale Beschaffung erneuerbarer Energien wie Photovoltaik und Wasserstoff zu investieren. Durch den Ausbau der lokalen Verfügbarkeit können die Stadtwerke eine aktive Rolle bei der Senkung der Preise für erneuerbare Energien spielen und unabhängiger von etablierten Lieferanten fossiler Brennstoffe werden.

Erhöhung der Flexibilität. Traditionell war es das Hauptziel öffentlicher Energieversorger, den Status quo zu erhalten. Die Anforderungen von 2022 zeigen, dass dies nicht mehr ausreicht. Stattdessen müssen Institutionen wie die Stadtwerke flexible, zielgerichtete Motivationen annehmen und sich in der Verantwortung sehen, die Ziele von morgen zu erreichen, anstatt den Status quo von heute zu erhalten.

Koordination und Zusammenarbeit mit anderen Stadtwerken. Öffentliche Energieversorger müssen sich vernetzen und kooperieren. Tatsächlich sind einige Stadtwerke der Masse weit voraus und finden Lösungen für Probleme, die andere Werke noch nicht identifiziert haben. Durch verstärkte Networking-Bemühungen können weniger fortschrittliche öffentliche Distributoren Strategien kennenlernen und mögliche Fehler umgehen, die andere bereits erlebt haben. Bei der Skizzierung des Fahrplans für die kommenden Jahre könnten Abstimmungen bezüglich Lieferketten gegenseitige Synergien zwischen den Erzeugern erneuerbarer Energien und den öffentlichen Institutionen ermöglichen. Netzwerken ist essenziell.

One-Stop-Shops. Derzeit sind Anwohnende aufgrund des fehlenden Wissens über die Machbarkeit und die technischen Einzelheiten der Energiewende für die Einzelnen völlig verloren. Die Stadtwerke könnten ihren Bürgern All-in-One-Informationszentren ermöglichen, über die sie den finanziellen Wert von Investitionen (beispielsweise in private Photovoltaik- oder Ökowärmeanwendungen) kommunizieren können. In der Kommunikation mit lokalen AkteurInnen sind die Stadtwerke angesehene Kommunikatoren und Enabler. Vielen Stadtwerken mangelt es derzeit jedoch an Unternehmertum und Innovationsfähigkeit, um dieses Potenzial zu nutzen.

Take-Away und Ausblick

Die Zahl der möglichen Strategien, die Stadtwerke ergreifen können, um die Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Preisgestaltung (und letztendlich ihr Geschäftsmodell) zu stärken, ist riesig. Die Ressourcen und Tools sind leicht verfügbar, aber die Stakeholder der öffentlichen Energieversorgung muss die Notwendigkeit erkennen, sie zu frequentieren und zu nutzen.

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In den folgenden Wochen werden wir tiefer in die Fragestellungen rund um das Potenzial kommunaler Energieämter eintauchen. Abonniere unsere Publikation, um nie die neuesten QLab-Insights zu verpassen!

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Finn Faust
QLab Think Tank GmbH

I’m an author of the QLab Think Tank blog, and I believe that empirically founded information is essential to prepare stakeholders for climate action.