Wie interviewt man Nutzer „auf der Straße“?

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Die besten Produkte baut, wer ganz genau weiß, was Nutzer wollen. Doch wie geht das am besten? Um soviel wie möglich über die Bedürfnisse der späteren Nutzer eines Produkts zu erfahren, können verschiedene User Research Methoden angewandt werden. Das ist natürlich vor allem dann sinnvoll, wenn ein neues Produkt entwickelt wird, aber auch, wenn ein bestehendes Produkt weiterentwickelt werden soll. Aber nicht jede Research Methode eignet sich für jedes Ziel. Bei allen Anstrengungen, den Nutzern einen Service auf den Leib zu schneidern, muss also erst einmal entschieden werden, welche Methoden sich für den gegebenen Kontext überhaupt am besten eignen.

Beispielsweise gibt es die kontextuelle Befragung oder das Interview mit einzelnen Nutzern. Dabei werden die zu befragenden Personen meist bereits im Vorfeld ausgewählt. Um die Sichtweise von den bereits bekannten Benutzergruppen zu weiten, kann es jedoch auch hilfreich sein, ganz andere Methoden auswählen.

Für unseren Kunden Ampido haben wir dabei ganz tief in die User Research Kiste gegriffen. Ampido bietet Autofahrern die Möglichkeit, die Parkplatzsuche in den Innenstädten zu erleichtern und private Stellplätze vorab zu reservieren. Um herauszufinden, wie diese Zielgruppe geweitet werden kann, wurden Befragungen von potentiellen Nutzern auf der Straße durchgeführt.

Ampido verändert das Parken. Aber für wen genau? Das haben wir untersucht.

In dieser Story möchte ich nun einige meiner Erfahrungen, die ich dabei gesammelt habe, weitergeben.

Richtig vorbereiten

Ganz wichtig: Zu Beginn sollten bereits vorhandene Daten zu den Nutzern ausgewertet und entsprechend aufbereitet werden, z.B. in Personas oder auch Antipersonas. Das macht es leichter zu entscheiden, welche Personen für die Interviews angesprochen werden können.

Weiterhin gilt es zu definieren, welche Ziele mit den Interviews überhaupt verfolgt werden. So können beispielsweise bestimmte Hypothesen zu den Nutzergruppen geprüft werden.

Interviewfragen formulieren — Keep it short!

Im nächsten Schritt gilt es die Interviewfragen zu formulieren. Achtet darauf, dass ihr bei einem spontanen Interview meist sehr wenig Zeit für eure Fragen habt — rechnet mit einem Maximum von fünf Minuten. Im Vorfeld kann man sich lieber noch ein paar Puffer-Fragen überlegen und sollte außerdem festlegen, welche Fragen bei Zeitmangel doch noch gestrichen werden können.

Wo kann ich Befragungen durchführen?

Spontane Interviews können an verschiedensten Orte durchgeführt werden (sog. In-the-wild Methode). So können diese tatsächlich „auf der Straße“ durchgeführt werden oder beispielsweise in einem Café oder in der Fußgängerzone. Um den richtigen Ort auswählen, solltet ihr euch fragen, wo potentielle Benutzer angetroffen werden können. Für die Zielgruppe von Ampido war das recht leicht festzustellen: Jeder Autofahrer, ob er nun will oder nicht, muss früher oder später … genau, an die Tankstelle.

Ein Ort der Ruhe — die Tankstelle ist perfekt, um Autofahrer zu interviewen.

Wann treffe ich welche Nutzer dort an?

Überlegt euch gut, wann sich welche Benutzergruppen an diesem Ort aufhalten. Beispielsweise ist davon auszugehen, dass ein Student eher nachmittags sein Auto tankt, als eine vollzeit-arbeitende Person. Bei der großen Zielgruppe der Autofahrer zeigte sich diese Verteilung als Herausforderung und wir mussten verschiedene Zeitslots für die Durchführung der Interviews einplanen. Da muss man dann durch, alles für die Nutzer!

Herausforderungen

So weit — so gut. Doch dass das Ansprechen von Personen auf der Straße nicht immer einfach wird, kann man sich denken. Hier folgen nun einige Herausforderungen, die sich jedoch auch alle lösen lassen.

#1: Mal ehrlich, wer lässt sich schon gerne in der Stadt für ein Interview ansprechen?
Wenn jemand mit einem Klemmbrett unter’m Arm und einem bedruckten Logo-Pulli auf uns zukommt, wechseln wir doch lieber mal direkt die Straßenseite. Deshalb lautet meine Empfehlung, sich lieber unauffällig zu kleiden und seinen Zettel mit den Interviewfragen nicht zu offensichtlich bei sich zu tragen. Außerdem kann ein freundliches Lächeln Wunder bewirken.

Trotzdem kann es weiterhin schwierig bleiben, Passanten für ein Interview zu gewinnen, da sie sich meistens auf einem eiligen Weg irgendwohin befinden — das kennt man. Deshalb empfiehlt es sich, Leute eben dort anzusprechen, wo sie sowieso Zeit mit Warten verbringen. Für unsere Ampido-Befragung wieder ein Volltreffer: An der Tankstelle lässt niemand sein Auto während des Tankens allein, um vor uns zu flüchten.

Auch wenn man sich in der Situation etwas unwohl fühlt, lautet hier die Devise: Fragen kostet nichts!

#2: „Leider kein Zeit!“
Zeit ist für alle ein kostbares Gut. Von daher ist es auch sehr gut nachvollziehbar, dass viele Personen mit dieser Begründung ein Interview ablehnen. Es ist also hilfreich — nein angebracht — den zu befragten Personen einen gewissen Anreiz zu bieten.

Man kennt das: Immer ist man in Eile.

Für unsere Befragungen eignete sich ein Gutschein für die Tankstelle, den die Befragten unmittelbar einlösen konnten. Hier ist der Griff zum Gutschein schnell passiert und der Nutzer befindet sich schon im Gespräch — und wird sich auch nicht allzu schnell hinauswinden, aus Dankbarkeit über das kleine Geschenk.

Aber Vorsicht: Die Geschäftsführerin mit dem Sportwagen ist nicht ganz so heiß auf einen 5€ Gutschein, wie der Student in seinem klapprigen Kleinwagen.

#3: Die richtige Ansprache
„Hätten Sie 5 Minuten Zeit für ein Interview?“ Da auf diese Ansprache wohl die wenigsten einem Interview zustimmen, ist es sinnvoll auf die Passanten direkt mit dem Gutschein in der Hand zuzugehen. So kann man meist etwas mehr Zeit gewinnen, um sich und sein Anliegen kurz vorzustellen. Ein bisschen “pushy”, aber nicht unfreundlich.

#4: Personen werden anders eingeschätzt
Nachdem man sich bereits im Vorfeld überlegt hat, welche Nutzertypen man ansprechen möchte, kann sich das in der Umsetzung doch als schwierig erweisen. Mit der Einschätzung von Alter, Beruf und sonstigen Eigenschaften allein vom äußeren Erscheinungsbild kann man oft daneben liegen. Trotz alldem lassen sich auch mit diesen Interviews wichtige Erkenntnisse über die Benutzer gewinnen — oder über genau solche Personen, die nicht dazu zählen.

Beispielsweise habe ich eine Person aufgrund eines teureren Automodells und ihres Aussehens bereits als berufstätige Person eingeschätzt. Wie sich jedoch herausstellte, war sie wesentlich jünger und studierte derzeit noch. So kann man sich täuschen …

Von Kleidung und Automodell lässt sich nicht immer auf die Person dahinter schließen.

Fazit: Wie effektiv ist die Methode?

Da für die Durchführung von Interviews dieser Form in den allermeisten Fällen nur wenig Zeit zur Verfügung steht, können die Ergebnisse natürlich nicht so in die Tiefe gehen, wie die von fest geplanten Interviews. Außerdem eignet sich diese Form wohl auch nur für solche Produkte, deren Nutzer auch an entsprechenden Orten anzutreffen sind.

Die Stärke der Methode liegt aber vor allem darin, dass sich somit der Horizont über die Benutzer eines Produkts weiten lässt. Darüber hinaus können u.a. Problembereiche identifiziert, Erfordernisse und Anforderungen ermittelt und auch der Bekanntheitsgrad des eigenen Produkts geprüft werden. Die Erkenntnisse dieser Interviews können dann auch eine wichtige Grundlage für weitere Untersuchungen bieten.

Für Ampido konnten wir Annahmen zu bereits bekannten Benutzergruppen weiter festigen und ergänzen. Außerdem ließ sich durch die Befragungen auch eine neue Benutzergruppe — die der Außendienstler — ermitteln. Als Ergebnis der Befragungen konnten Empfehlungen zur Erweiterung des Produktkonzepts und für neue Feature-Ideen gegeben werden.

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