“Es gibt ein falsches Leben im richtigen” — Gedanken zu “Social Media”

Christoph Schweres
rigel-computer.com
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5 min readJul 7, 2024
Ein Junge starrt mit leerem Blick auf sein Smartphone, das ihm nur bedeutungslosen Müll ausspuckt. KI-generiert
Ein Junge starrt mit leerem Blick auf sein Smartphone, das ihm nur bedeutungslosen Müll ausspuckt. KI-generiert

Den bekannten und vielfach zitierten, apodiktischen Satz Adornos herzunehmen, ihn herumzudrehen, um eine andere, ebenfalls unbestreitbare und einen Widerspruch nicht zulassende These aufzustellen… Nun, das lag so derart nahe — ich konnte nicht widerstehen.

Dies war der letzte Anstoß, Gedanken zu “Sozialen Medien” niederzuschreiben, Gedanken, die mich seit langem umtreiben, die mich vor sich her treiben, die mir keine Ruhe lassen.

Einen Abriss zu besagtem, ursprünglichen Satzes Adornos lässt man sich — laiengerecht — heuer natürlich so erstellen:

Das tut es auch als zero prompt ohne weitere Referenzierung. Eine der Stärken der LLMs.

Im Folgenden gilt es, die These zu belegen. Und es mangelt nicht an Beispielen… leider.

War der Satz Adornos der Trigger im Sprachlichen, so ist ein Blick aus dem Küchenfenster der Trigger im Visuellen gewesen:
Ein Teen, hoch gewachsen und schlacksig, lief über den Gehsteig…
Sein Kopf war um knapp 80 GRAD gebeugt, während er auf sein Smartphone glotzte. Fast ein rechter Winkel… Wie ein flexibler Schlauch unter der Spüle — irgendwie außerirdisch, so krass, dass mir das Mittagessen im Hals stecken geblieben ist.

Die Assoziation im Visuellen war nicht minder krass:

Kranich Krummbein und die Drachenlibelle

Der hatte genau so einen Hals — nur anders herum “gefaltet”… “krumm” halt…

Original-Bild der amerikanischen Comic-Serie “Crazy Legs Crane” — im Deutschen als “Kranich Krummbein und die Drachenlibelle” im TV
Original-Bild der amerikanischen Comic-Serie “Crazy Legs Crane” — im Deutschen als “Kranich Krummbein und die Drachenlibelle” im TV

Es gab schon vor geraumer Zeit Berichte von — nein, nicht Ornithologen — sondern von Orthopäden, die massive Beschwerden im Hals/Nacken-Bereich für die Zukunft derer prognostizieren, die ständig auf ihr Smartphone herunter-glotzen.
(Mangels vergangener Zeit sind diese Diagnosen klassisch natürlich (noch) nicht Evidenz-basiert)

Tik Tok — ein Anti-Bildungs-Albtraum

Tanzende Clowns — die Lebenswirklichkeit von Kindern — leider ist nur das Bild KI-generiert…
Tanzende Clowns — die Lebenswirklichkeit von Kindern — leider ist nur das Bild KI-generiert…

Der nächste Punkt, auch keine zwei Wochen her, tauchte im TV auf: Ein Bericht in einem dritten Programm, aus einer Grundschule. Thema: Smartphone & Tik Tok an der Schule — Handyverbot im Klassenzimmer — aber auf dem Schulhof, da geht’s dann richtig ab…

So erzählte ein vllt. Zehnjähriger in kindlicher Unbekümmertheit, dass er jede Pause etwa 20 Minuten Tik Tok — Videos guckt. Mit dem üblichen leeren Blick wurden die Kinder gefilmt. Und zum Schluss kam der ausschlag (Schlag-ins-Gesicht) Satz:

“Wenn ich zwanzig Minuten geswiped (*) habe, dann weiß ich überhaupt nicht mehr, was ich als erstes geguckt habe”…

Dazu passt ein Inverview mit einem weiblichen Twen: satt geschminkt, ordentlich aufgebrezelt — irgendwo in einer Fußgängerzone — und schon länger her.

Der mit dem Mikro fragte, wie die Schulzeit denn so abgelaufen sei, und die Frau sagte in die Kamera was in der Art von ‘eigentlich ganz toll’… um dann mit “…nur so Sachen zu lernen, was zum Beispiel 1+1 ist, das braucht man nun wirklich nicht…”

Soviel Kitt kann man gar nicht in der Brille haben wie da rausgeflogen ist.

Völlig folgerichtig bleiben noch die

Influenzer — und hier darf das generische Feminin ausdrücklich nicht fehlen — die Influenzerinnen

— denn ohne solch ungebildetes und komplexe Sitationen einzuschätzen völlig unfähiges Klientel hätten die ja nix zu tun.

Wer, der noch bei Verstand ist, holt sich Rat und “Informationen” von jemandem, der sich schon im Namen

Beeinflusser

nennt?

Ok, vielleicht die, die auch in Englisch nicht aufgepasst haben…

Doch spätestens, wenn der erste Konsum-Müll angepriesen wird, der nicht mal auf dem Mond das halten wird, was versprochen wurde, müsste man/ und Frau eigentlich stutzig werden.

Man soll ja beeinflusst werden! Nicht informiert — beeinflusst!

Sich zu informieren, das ist manchmal mit Arbeit verbunden. Man sollte zudem einschätzen können, wo man hingeht um welche Informationen zu bekommen — die auch halbwegs stimmig sind.

Bequemlichkeit

Allen Nutzenden von Social Media per se die Kompetenz abzusprechen, sich korrekt zu informieren und mit Medien jeder Art bewusst und kompetent umzugehen… wohl kaum.

Ein großes Problem ist die Bequemlichkeit.

Wieso Informationen suchen? Die bunte Tusse auf Instagram weiß doch soooooo viel, da spare ich mir die Zeit.

Und die hat doch 100.000 Follower!!!! Die können sich ja nicht alle irren!
“Stiftung Warentest”? => nur was für Spießer.
Zeit gespart. Viel bequemer so. Warum sich mühen.

Follower-Anzahl als Beweis für Seriösität?

Wohl kaum; dazu reicht ein Zitat meines Deutschlehrers:

Fresst Scheisse, 50 Millionen Fliegen können sich nicht irren!

Whatsapp — inklusive Ende-zu-Ende-Beschnüffelung

Ich wüsste jetzt niemanden, der ein Smartphone regelmäßig (mehr oder weniger intensiv) nutzt, der nicht auch bei Whatsapp wäre… das ist ja “noch bequemer”.

Ich wüsste aber auch nur einen, der wissen könnte, dass die amerikanischen Geheimdienste jederzeit auf noch-so-verschlüsselte Datenströme zugreifen können — und auch dürfen.

Der “Abschnitt 702 des FISA Amendments Act”, als Ergänzung zum Patriot Act von 2001, erlaubt dies der NSA nicht nur ausdrücklich auch und gerade bei nicht-US-Staatsbürgern

… die betroffenen Firmen sind gleichzeitig zum Stillschweigen verpflichtet, drüfen nicht einmal mitteilen, dass sie überhaupt angefragt wurden!

Wie bei jeder Betrachtung über Möglichkeiten von Geheimdiensten gilt natürlich auch hier eine Relativierung:
Wie wahrscheinlich ist es, dass Omma Pasulke aus Bottrop beim Whatsapp-en vom NSA abgehört wird?… Oder Sie oder ich?

Nun — es ist nicht wahrscheinlich — aber eben auch nicht ausgeschlossen!

Und die Daten sind das “Schwarze Gold” der Konzerne, dass Ihre Daten benutzt werden, das ist nicht nur wahrscheinlich — das ist 100%ig sicher!

To be continued…

(*) Ge-Swiped

“Ge-swiped”? “Swipen”? Älteren und wenig-Smartphonern muss man das erklären: Swipen heißt “wischen”. Man wischt auf dem Bildschirm herum. Damit wischt man z.B. Videos weg — wie bei Tik Tok. Leider kommen dann immer neue, vom Algorithmus passend zum Nutzerverhalten eingespiegelt. Man swiped ohne Ende — oder bis die Schulglocke ertönt.

Ich selber kannte das schon, allerdings nur von meiner “To good to Go”-Foodretter-App… da sagte mal eine Dame beim Abholen, ich müsse die Bestätigunge “swipen”… “Wassissass???” — und sie machte es mir vor. Jetzt weiß ich, was swipen ist…

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Christoph Schweres
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