Die leserzentrierte Redaktion — in real life

Saskia Mayer
SÜDKURIER // SHIFT
8 min readFeb 23, 2021

Wie Redaktionen mit datengestütztem Bauchgefühl ihren PaidContent-Umsatz innerhalb eines Jahres verdoppeln

Bereits seit Jahren befindet sich die Welt im Wandel. Die digitale Transformation, die nahezu alle Lebensbereiche erfasst hat, hat vielschichtige Auswirkungen. Die Nutzung von Smartphones hat den Konsum von Content maßgeblich verändert. Zeitungsauflagen schrumpfen, dieser Trend ist branchenweit bekannt, an eine Kehrtwende glaubt kaum jemand mehr. Die Corona-Pandemie hat die Welt getroffen und auch den Wandel im Printgeschäft schneller in Richtung Zukunft katapultiert, als man das noch vor einem Jahr gedacht hätte. Die digitale Transformation schreitet in riesigen Schritten voran und wird zu einer dauerhaften Herausforderung.

Die Erkenntnis: Wir müssen unsere Produkte anders denken
Früher wurden Produkte ganz nach der Devise entwickelt: Was dem Verlag gefällt, dass gefällt (hoffentlich) auch den Lesern. Projektteams versammelten einiges an digitaler Kompetenz, daher gingen sie davon aus zu wissen, wie sie Produkte für Leser entwickeln müssen. Doch dies stellte sich oft als ein Trugschluss heraus, weil sehr viele Leser anders denken und digital anders handeln als wir selbst.

Daher sollten sich Verlage zu Verbündeten ihrer Leser ernennen, indem sie auf deren Bedürfnisse eingehen. Jeder einzelne Content sollte einen Mehrwert für die Leser darstellen. Die digitale Transformation und die damit verbundenen Chancen können wir zu unserem Erfolg machen, wenn wir unsere Arbeitsweise und unsere Produkte einem Wandel unterziehen.

5 Säulen für eine erfolgreiche Strategie
Bei der Entwicklung einer Paid-Content-Strategie sollten 5 Säulen betrachtet werden. Die Basis bilden Daten, die mittels umfassendem Tracking erhoben werden, entsprechend aufbereitet, breit verfügbar gemacht und öffentlich im Verlag visualisiert werden. Für die Verarbeitung dieser Daten braucht es hoch-automatisierte Vorgänge, um den Prozess bestmöglich skalieren zu können. Bei so wenig wie möglich sollte manuell eingegriffen werden müssen. Ein klarer Schwerpunkt der Paid Content Strategie liegt in der Kundenzentriertheit. Technik und Usability nach aktuellem Standard ist der Leser durch Google, Facebook und Co gewohnt und erwartet dieses Niveau auch von einem Verlag. Das Hauptziel des Produktes muss aber auf den Kunden bezogen sein, und nicht auf die Technik dahinter. Bei der 5. Säule sprechen wir von Flexibilität. Damit gemeint ist der Wandel unserer Arbeitsweise hin zu immerwährender Anpassungen auf neue Gegebenheiten. Nur wenn dies möglich ist, können wir einen dauerhaften Erfolg im Paid-Content-Business sicherstellen.

Die Herausforderung
Die größte Herausforderung besteht bei alldem im internen Wandel: Lösen von alten Arbeitsweisen hin zu einem aktiven Umdenken. Wir brauchen für erfolgreiche Paid-Content-Strategien vor allem JournalistInnen, die sich in ihrer Herangehensweise an Themenplanung und Storyumsetzung verändern und ihr Gefühl für gute Storys anreichern durch Zahlen, Auswertungen, KPIs, etc. Damit wird ein neuer journalistischer Grundsatz geschaffen: das Datengestützte Bauchgefühl.

Die Vereinigung beider Bereiche — dem persönlichen Instinkt und den objektiven Daten — ermöglicht es Journalisten, so leserzentriert zu arbeiten wie noch nie zuvor. Im ersten Moment stellt sich sicherlich jeder die Frage: Wie lassen sich journalistische Arbeit und Daten überhaupt miteinander vereinen, ohne dass es entweder zu anstrengend und zu einem leidigen Aufwand wird, oder die Dateninformiertheit in Datenhörigkeit und ein Weniger an Kreativität umschlägt?
Redaktionen brauchen Motivation und Leidenschaft. Eine integrierte Datenstrategie und die damit verbundene neue Arbeitsweise kann beides befeuern, wenn man es richtig anstellt.

Der Weg zum datengestützten Bauchgefühl
Hierbei liegt der Fokus auf dem Miteinander. Die Entwicklung einer Datenstrategie wird aus der Redaktion heraus gemeinsam mit den technischen Bereichen entwickelt. Schon immer war es für Sales-Manager oder Vertriebsmitarbeiter gängig, auf Basis definierter Ziele zu arbeiten. Dies ist nun auch ein wichtiger Schritt für Redaktionen. JournalistInnen liefern den größten Beitrag für ein erfolgreiches Paid-Content-Geschäft. Daher gilt es, Ziele auch für Redaktionen zu definieren. Dieses Vorhaben benötigt interne Multiplikatoren, die das Thema treiben und voller Motivation in den eigenen Reihen dafür werben. Denn Ziele können dabei helfen, die eigene Arbeitskraft zu fokussieren, den eigenen Journalismus mit Relevanz aufzuladen, und mehr Menschen zu erreichen und zu begeistern.

Wenn die Akzeptanz und der Fahrplan stehen, dann liegt der letzte große Hebel in der Zugänglichkeit der Daten. Abgesehen von Data-Science-Spezialisten (oder nennen wir sie Zahlen-Nerds) möchte niemand seitenweise KPIs lesen oder Dutzende von Zahlen interpretieren. Man muss sich also von der Zahlenschlacht verabschieden und eine einfache und klare Aufbereitung der Daten in den Blick nehmen, die es JournalistInnen ermöglicht, mit einem Blick die Daten zu erfassen, zu interpretieren und eine konkrete Idee zu bekommen, wie sie noch leserzentrierter berichten können.

Komplexität der Zahlen, gelöst durch Systeme
Mit öffentlich zugänglichen Dashboards schafft man ein einheitliches Zielverständnis im kompletten Medienhaus. Die Dashboards über Screens zu positionieren, ermöglicht Transparenz und ein damit verbundenes Verständnis für die digitalen Ziele. Eine Individualisierung der Dashboards je nach Screen-Standort ist eine weitere Möglichkeit der Sensibilisierung für die entsprechenden Redaktionsziele.

Dashboards für Screens in Café-Ecken, Pausenzonen, Eingangsbereichen etc.

Ein weiterer Weg weg von der Zahlenschlacht hin zu einfach und klar verständlichen Analysen ist ein Artikelscore. Der Artikelscore ermöglicht es unseren AutorInnen mit einem Blick zu erkennen, wie kundenzentriert der Artikel geschrieben ist. Angereichert wird der Score durch eine Einordnung mit erklärenden Hinweisen zum Leserverhalten. Dies bildet die perfekte Hilfestellung, um den Artikel so zu optimieren, dass er noch leserzentrierter wird, und für die künftige Arbeit zu lernen.
Das SÜDKURIER Medienhaus hat seinen durchschnittlichen Artikelscore über alle Redaktionen hinweg um 40% gesteigert (innerhalb 1,5 Jahre) was nachweislich auch zu einer Steigerung der Digital-Abos geführt hat.

„Als Redakteure waren wir es lange gewohnt, uns bei unserer Arbeit auf unser journalistisches Gespür zu verlassen. Jetzt können wir herausfinden, ob wir damit richtig liegen: Mit der systematischen Auswertung digitaler Daten haben wir ein direktes Feedback, was bei den Lesern ankommt und was nicht. Die tägliche Datenanalyse ist für uns unverzichtbar geworden, denn sie hilft uns, die richtigen Themen zu finden und diese lesernah aufzubereiten.“ Dieter Löffler, Politikchef

Artikelscore

Ein Startseiten-Overlay ist das ideale Tool für Online-Redaktionen. Das Bestücken einer Webseitenstartseite ist eine wesentliche Aufgabe für Online-Redaktionen. Welche Artikel wollen die Leser lesen? Wo sind sie am Besten positioniert? Wie schnell ändert sich das Interesse? Mittels Livedaten lässt sich im Overlay ablesen, wie jeder Artikel auf der Startseite von den Lesern genutzt wird. Damit ist den Redakteuren ein flexibles Agieren möglich, um den optimalen Artikel für die jeweiligen Positionen zu finden.
Der Erfolg rechtfertigt das Tool: Auf suedkurier.de konnte die Klickrate auf der Startseite um 75% gesteigert werden.

Startseiten-Overlay

Auch für Print haben wir heute die Möglichkeit, das Leserverhalten in Echtzeit zu messen: über ihr digitales Pendant, das Epaper bzw. der Digitalen Zeitung, wie wir das nennen. Bei der gedruckten Zeitung ist das Leserfeedback nur in sehr langsamen Zyklen über Umfragen oder aufwändige und teure Messmethoden möglich. Redakteuren fehlt so eine direkte Rückmeldung auf das Leseverhalten ihres aktuellen Textes. Die Qualität des Print-Produktes sollte aber weiterhin sichergestellt sein, weil die Erlöse aus diesem Bereich die digitale Transformation von Medienunternehmen finanzieren (und das auch noch viele Jahre tun werden). Die Leser sollen zufrieden sein, egal ob sie ein Tablet mit der digitalen Zeitung auf dem Küchentisch liegen haben oder noch die Print-Ausgabe. Um diese Zufriedenheit sicherzustellen, kann das Digitale-Zeitungs-Cockpit genutzt werden. Hierbei werden in der digitalen Zeitung die Nutzungsdaten mittels Tracking erhoben. Die Auswertung dieser Zahlen erfolgt täglich. Die Erkenntnisse dieser Zahlen kann dazu genutzt werden, auch die Print-Ausgabe zu optimieren. Im SÜDKURIER Medienhaus ist die tägliche Nutzungszeit in der Digitalen Zeitung durch die Arbeit mit diesem Tool um 33% gestiegen.

Weshalb Print weiter optimieren? Die Printleser von heute können sich täglich gegen das gedruckte Medium entscheiden, aus den unterschiedlichsten Gründen: ökologisches Vermeiden von Papierabfall, weil ihnen das Zeitungsformat zu sperrig ist oder man sich ein Tablet gekauft hat. Diese Entscheidungsgründe sind alle völlig legitim, kein Verlag kann dagegen wirklich etwas machen. Aber mit einem qualitativ hochwertigen Print-Produkt und der Zufriedenheit der Leser, kann man die Entscheidung eines Lesers, sich von Print abzuwenden, am Besten dafür nutzen, ihn stattdessen zur Nutzung eines digitalen Produktes zu bewegen..

Digitale-Zeitungs-Cockpit

Bei der zu Beginn aufgeführten 5. Säule stand Flexibilität in unmittelbarer Verbindung zum Erfolg von Paid Content. Bestandteil dieses Punktes, sind datengestützte Analysen der Themenlage und des Leserverhaltens. An dieser Stellen greifen nun einige Punkte ineinander. Wir lernen aufgrund des Trackings, welche Themen ein Verlag bespielt und auch in welcher Ausprägung (Artikelanzahl). Eine andere Zahl, nämlich die des Artikelscores, kann verraten, welche Themen besonders das Bedürfnis der Leser treffen. Beide Bereiche werden in einer Themenerfolgsanalyse zu einander ins Verhältnis gesetzt. Das Ergebnis ist eine klare und einfache Visualisierung dessen, welche Themen zum Erfolg führen. Themen, die einen niedrigen Score haben, zu denen aber viele Artikel in den Redaktionen produziert werden, zeigen, dass hier Ressourcen besser eingesetzt werden könnten durch eine andere Themenbearbeitung und/oder -gewichtung. Die gewonnen Kapazitäten können dann in die Themen mit hohem Artikelscore und niedriger Artikelanzahl fließen. Ein Ausbau dieser ermittelten Themen führt sehr schnell zur Steigerung der Käufe im Paid-Content-Geschäft. Die Arbeit mit der Themenerfolgsanalyse sorgt dafür, dass 60% aller Käufe auf SÜDKURIER Online aus den hierbei evaluierten Themenfeldern stammen.

Themenerfolgsanalyse

„Mit der Etablierung der Daten-Tools in unserem Haus hat sich die Arbeit der Redaktion ganz grundsätzlich weiterentwickelt. War es zuvor doch größtenteils eher ein Fischen im Trüben mit mal mehr, mal weniger gutem Erfolg, so können wir unsere Arbeit mittlerweile sehr genau überprüfen: Wir lernen, welche Inhalte unsere Kunden/Leser schätzen, welche Fragen sie beschäftigen und welche Form der Aufbereitung jeweils am geeignetsten ist — immer auf der Basis journalistischer Grundsätze und Qualität. Die neuen Erkenntnisse helfen uns bereits bei der Themenplanung vom Einsatz der Ressourcen bis hin zum optimalen Zeitpunkt der Publikation. Der Einsatz der Datentools motiviert die Teams und fördert die Kreativität. Das macht unsere Inhalte besser, unsere Leser zufriedener und unsere redaktionelle Arbeit langfristig erfolgreicher.“
Monika Olheide, Redakteurin Hochrhein

Der Erfolg
Die Arbeit hinter diesem Prozess und die Erkenntnisse daraus sind in die Entwicklung der hier aufgeführten Tools geflossen. Darin stecken über fünf Jahre Erfahrung und Expertise. Damit ist dem Prozess aber kein Ende gesetzt, sondern die täglichen Learnings aus den Produkten des SÜDKURIER Medienhaus fließen stetig in die Entwicklungen der SK Insight Tools ein. Das Backlog für künftige Innovationen ist prall gefüllt.

Das SÜDKURIER Medienhaus blickt mithilfe der neuen Arbeitsweisen in den Redaktionen und den damit verbundenen Tools auf Erfolge wie: Die Zahl der Web-Abos verdoppelten sich seit vier Jahren jährlich und es werden heute pro Tag mehr Web-Abos verkauft, als noch vor drei Jahren in einem ganzen Monat.

Die hier aufgeführten SK Insight Tools sind unabhängig von Dienstleistern entwickelt worden und können nahtlos in bestehende Infrastrukturen anderer Verlage integriert werden. Das SK Insight Toolset kann von jedem Verlag genutzt werden, um wie hier beschrieben den eigenen Paid-Content-Erfolg zu befeuern. Die technisch hochwertigen Tools helfen dabei, digitale Produkte am Markt erfolgreich zu führen.

Sie haben Interesse bekommen? Gern erklären wir Ihnen im Detail, wie unsere Tools funktionieren, wie Sie sie bei sich integrieren können und wie wir Ihnen dabei helfen können. Sprechen Sie uns an! (Saskia Mayer, Leitung operatives Geschäft und Technik: saskia.mayer@suedkurier.de)

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