A Fait Accompli

Die Macht der Eisernen Kanzlerin

Link Daniel
Savvy

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Dieser Artikel wurde in Zusammenarbeit mit Dr. Marc Weidenbusch geschrieben und erschien ursprünglich am 17. September 2013.

Es ist der Abend des 22. September 2013. Angela Merkel, Peer Steinbrück und der Rest der Bundesrepublik Deutschland schauen gespannt auf die ersten Hochrechnungen. Die Wahl endet knapp, aber dennoch überrascht das Ergebnis nicht. Wenn die Wahllokale schließen steht fest, dass Angela Merkel gewinnt und als eiserne Kanzlerin in ihre dritte Amtsperiode eintritt.

Gehen wir über zehn Jahre zurück, bis an einen Vormittag im Januar 2002. Während eines gemeinsamen Frühstücks in Wolfratshausen besprachen Angela Merkel und Edmund Stoiber die Details der Kanzlerkandidatur des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten.

Die Entscheidung, Stoiber den Vortritt zu lassen hatte Angela Merkel freilich schon Tage vorher getroffen. Aber den Gedanken erste deutsche Kanzlerin zu werden hatte sie nicht aufgegeben. Es war nur eine Frage der Zeit. Damals jedoch hatte Merkel zur Kenntnis nehmen müssen, dass wichtige Entscheidungsträger der CDU ihr die Unterstützung versagten. Merkel konnte jedoch aus dieser Niederlage lernen und entscheidende Schlüsse ziehen. Sie lernte, dass sie sich einiger Parteigranden entledigen musste, um ihre Ambition, erste deutsche Kanzlerin zu werden, zu realisieren. Sie schaffte es sich gegen einstiger CDU-Größen wie Koch, Merz, Meyer, Oettinger, Schäuble und Wulff zu behaupten. Ihr Einfallsreichstum war dabei stets groß. Schlussendlich wurde sie erste Kanzlerin der Bundesrepublik Deutschland und mit ihre Popularität kannte nur einen Weg. Nach oben.

Ihre erste Legislaturperiode in der großen Koalition mit der SPD spielte sie geschickt aus. Eine CDU-geführte Regierung hätte die vermeintlich arbeitnehmerfeindliche und unsoziale Agenda 2010 nie umsetzen können, zu groß wäre der Widerstand des politischen Gegners und der Gewerkschaften gewesen. Selbst die SPD kostete es nicht nur an Stimmenanteilen, sondern auch ihr linker Flügel brach weg. Merkel aber verstand es von den positiven Auswirkungen der „Agenda 2010“ zu profitieren.

Und so konnte sie die Lorbeeren fremder Arbeit ernten. Als nächstes verpasste sie den SPD-Kandidaten von morgen das Stigma des „Juniorpartners“. Es gab kaum Widerstand. Nach einer durchwachsenen zweiten Amtszeit mit freiheitlich-liberalen Erfüllungsgehilfen, bestimmte im Wesentlichen die Finanzmarktproblematik in Europa und der Welt. Sie lag die entscheidenden Akzente auf Europa weiter Ebene. Als dann der Wahlkampf begann, war keine Rede von Wahlkampf. Keine Namen, keine Konfrontation. Im Grunde gab es keinen wirklichen Wahlkampf. Merkel verstand es geschickt den Wahlkampf zu umgehen. Für lange Zeit sprach sie ihren Kontrahenten Peer Steinbrück nicht einmal direkt an. „Deutschland geht es besser denn je,“ hieß der einzige und allgegenwärtige Leitspruch Merkels.

In der Zwischenzeit schaltete Peer Steinbrück sich selber aus. Seine unbestritten hohe Intelligenz und sein konstanter Einsatz haben ihn in seiner politischen Karriere vom persönlichen Referenten des großen Helmut Schmidt zum Staatssekretär und -minister in verschiedenen Ressorts und Bundesländern, Ministerpräsidenten Nordrhein-Westfalens und schließlich zum Bundesfinanzminister gemacht. Zusammen mit Frank-Walter Steinmeier stellte er das große Gegengewicht zur Kanzlerin dar. Und so wie es für Angela Merkels Sieg gute Gründe gibt, so gibt es auch spezifische Ursachen für Peer Steinbrücks Niederlage. Die erste Ursache geht auf eben jene große Koalition zurück, in der Peer Steinbrück, wie auch Frank-Walter Steinmeier und viele andere, vier Jahre mit Angela Merkel zusammengearbeitet und Deutschland regiert haben. Oder anders gesagt, als Junior-Partner für die Kanzlerin gearbeitet haben. Denn genau diese Lesart ist es, die die Kanzlerin über die Jahre zwischen 2005 und 2009 bevorzugt.

Während Frank-Walter Steinmeier als Mitglied der großen Koalition einen schweren Stand im Wahlkampf 2009 hatte, war das Unterfangen des Kanzlerkandidaten Peer Steinbrück von vorneherein aussichtslos. Denn die Kanzlerin hat gegen Steinmeier den Grundstein für ihren Wahlkampfnimbus gelegt: Angela Merkel ist das Original, wo hingegen die SPD nur die Juniorpartner darstellen. Rühmlich, dass Steinbrück es dennoch auf sich nahm, aber vielleicht war es auch das Wissen um eben diesen psychologischen Nachteil, das ihn, sonst souverän und staatstragend, immer wieder, wenn auch nicht entscheidend, aber eben anhaltend und stetig daneben greifen ließ: Kanzlergehalt. „Es kann nicht sein, dass der Kanzler das gleiche Gehalt hat wie ein Sparkassendirektor,“ sagte Steinbrück. „Es hilft niemandem, wenn ich mir Gummistiefel anziehe und Hände schüttle,“ erörterte er.

Oder „Angela Merkel hat eine andere politische Sozialisation erlebt,“ war sein Versuch die Kanzlerin aus der Bahn zu bringen. Während Angela Merkel vor Jahren die letzten parteiinternen Kritiker ausgesiebt hat, muss Steinbrück sich als Dompteur einer SPD versuchen, die offenbar noch in die Nachwehen der „basta“-Politik inbegriffen ist. Zudem schaffte es Peer Steinbrück nicht eine effektive Wahlkampagne zu leiten. Er wirkte kalt. Seine Popularität gegenüber Merkel lag stetig niedrig. Selbst wenn seine Inhalte sinnvoll erscheinen mögen, hat er es nicht geschafft eine emotionale Verbindung mit der Wählerschaft aufzubauen. Und selbst der 31. August 2013 konnte daran nichts mehr ändern. Obwohl Steinbrück durchaus Wirkungstreffer bei der TV Debatte bei der Kanzlerin erzielte, wirkte er dennoch nicht überzeugend. Steinbrück’s Stinkefinger zeigte dann noch einmal deutlich, dass die Wahl entschieden war.

Es ist Peer Steinbrücks klares Versagen, die Kanzlerin nicht viel früher in einen echten Wahlkampf verwickelt zu haben, und seine effektlose Art die Wahlkampagne der SPD zu leiten. Die Landtagswahl in Bayern hat gezeigt, dass die FDP geschwächt in die Bundestagswahl einzieht. Das Risiko besteht weiterhin, dass die schwarz-gelbe Koalition nicht weiter geführt wird sollte die FDP nicht in den Bundestag einziehen. Die große Koalition ist eine ernstzunehmende Alternative. Dennoch wird Angela Merkel Bundeskanzlerin bleiben, und Peer Steinbrück — der tragische Prince of the Kotelett.

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