Aufgabe 4.2: Kondensator laden

Kim (sblog)
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4 min readMay 18, 2017

Ein Plattenkondensator mit Flächen A=100 mm² im Abstand d= 10 µm sei mit einem Dielektrikum mit ε₂ =11300 gefüllt.

(a) Berechnen Sie die Kapazität C und die im Feld zwischen den Platten gespeicherte Energie W= ½ ε₁ ε₂ E² V

Diese Aufgabe erwartete mich unter anderem letzte Woche als Teil meines ExPhy-Zettels. Um zu zeigen, wie ich an Aufgaben herangehe und sie im Endeffekt löse, wollte ich euch das an diesem schönen Beispiel zeigen.

Beschäftigen wir uns erst mit Teil (a): Das ist relativ einfach. Es ist gefragt, wie groß die Kondensatorkapazität ist, also wieviel elektrische Energie der Kondensator speichern kann.
Nachdem man alles, was gegeben ist, erstmal schön auf den Zettel schreibt (wie ich das seit der 7. Klasse in Physik mache um einen ersten Überblick zu bekommen), gucke ich nochmal im Vorlesungsskript nach, wie C -die Kapazität- definiert ist. Das Skript sagt: C = Q/U = ε₁ ε₂ A/d.

Na, dann gucken wir mal, was wir davon gegeben haben. Da ε₁ als elektrische Feldkonstante feststeht und A, d und ε₂ in der Aufgabenstellung stehen, ist nur simples Einsetzen gefragt.

C ist demnach 10⁻⁶ Farad.
Jetzt die Energie W zu berechnen ist auch nicht schwieriger.

Hierfür stellt man kurz die in (a) gegebene Formel um: aus wird ganz schnell U²/d² (per Definition des elektrischen Feldes E) und wenn man für die Spannung U=10Volt einsetzt (was später in der Aufgabenstellung anzunehmen ist) kann man wieder alle gegebenen Größen einsetzen und bekommt als Ergebnis W= 5*10⁻⁵J.
Das war der einfachste Teil.

(b) Nun werde der Kondensator in Reihe mit einem Widerstand R=1MΩ an eine Spannungsversorgung von 10V angeschlossen.
Stellen Sie eine Differentialgleichung auf, die den Ladungsvorgang des Kondensators beschreibt. Lösen Sie die Differentialgleichung.

Zuerst male ich mir einen Stromkreis auf um mir das Ganze besser vorstellen zu können:

Links die Spannungsquelle, rechts der Kondensator und oben der Widerstand — und fertig ist der Stromkreis!

Jetzt überlege ich mit Maja zusammen, inwiefern Spannung eine Richtung hat und wie die Vorzeichen jeweiliger Spannungen an der Quelle, am Kondensator und am Widerstand wohl aussehen… und dann machen wir Mittagspause.

Nach der Mittagspause wird weiter überlegt und diskutiert bis wir beim Blättern durchs Skript die Maschenregel finden, die sich als äußerst nützlich für diese Aufgabe erweist; sie besagt, dass die Summe aller Spannungen in einem geschlossenem Weg in einem Stromkreis gleich 0 sein soll.
Meinen ExPhy-Tutor treffe ich auch noch zufällig in der Bibliothek, der uns bestätigt, dass die Spannungsquellspannung (ist das ein existierendes Wort?) ein negatives Vorzeichen besitzt, wie wir schon vermuteten.

So können wir sagen U₀+U₁+U₂=0 mit U₀=-10V.
Aus der Vorlesung wissen wir, dass U₁=R*I (das ist das berühmte Ohmsche Gesetz) und U₂=Q/C (diese Formel haben wir schon in Teil (a) benutzt).

Maja erinnert mich daran, dass wir I auch als die Ableitung der Ladung Q schreiben können, was uns sehr gut passt, da wir dann einmal Q und die Ableitung davon in unserer Gleichung haben — was es zu einer inhomogenen Differentialgleichung 1.Ordnung macht (was wesentlich schlauer klingt, als es tatsächlich ist.) Daraus ergibt sich -10V=R*(dQ/dt) + Q/C.

So, diese Differentialgleichung gilt es nun zu lösen. Eigentlich muss ich zuerst nur eine passende Funktion finden, die unter anderem genau die Eigenschaft hat, dass in der ersten Ableitung die Funktion selber auftaucht.

Ich denke mir, dass die Exponentialfunktion doch ganz gut passen würde um mein Problem zu lösen (im 1.Semester habe ich gelernt, dass es meistens eine Exponentialfunktion ist, die sich hinter so welchen Ausdrücken verbirgt) — und tatsächlich: Nachdem ich ein paar Konstanten durch Probieren, Umformen und Einsetzen bestimmt habe, bekomme ich eine schöne Exponentialfunktion.

Jetzt muss noch die spezielle inhomogene Lösung bestimmt werden, wo ich ziemlich ähnliche Dinge mache wie davor, nur mit einem anderen Ansatz, der sich auf Konstanten beschränkt. Nach weniger als 10min bin ich auch schon auf eine schöne Lösung gekommen: Q(t)=C*U₀*(exp(-t/R*C)-1).

Differentialgleichungen finde ich dabei persönlich ziemlich spaßig, da sie (noch) gut lösbar sind und man meistens einfach ein bisschen knobeln und umstellen muss, bis alles so ist, wie die Anfangsbedingungen es verlangen.

Die Lösungen in graphischer Form

“Was haben wir hier eigentlich berechnet?”

Das ist immer eine gute und sinnvolle Frage, denn das Ziel der Übungsblätter ist, das man genau das spätestens nach der Aufgabe verstanden hat. Also werde ich es euch erklären:
Im Teil (b) haben wir berechnet, wie sich die Ladungsmenge Q auf dem Kondensator mit der Zeit ändert, also auch, wie schnell der Kondensator die maximale Ladung aufnehmen kann. Daraus können wir ableiten, wie der Spannungsverlauf und die Stromstärke am Kondensator aussehen müssen.

In der Graphik kann man gut sehen, dass der Kondensator zuerst viel Ladung aufnimmt und dann immer weniger pro Zeit. So können wir sofort erkennen, zu welcher Zeit t der Kondensator wieviel Ladung trägt.
Dass die maximale Ladung hier negativ ist, ist erstmal egal, wir haben ja auch mit einer negativen Anfangsspannung gerechnet — Vorzeichen seien in Physik ja sowieso häufig nur eine Auslegungssache, habe ich das Gefühl.

Und dann bin ich auch schon fertig. Insgesamt kann ich gar nicht sagen, wie lange ich an dieser einen Aufgabe saß. Immer wieder habe ich mich ablenken lassen, habe nebenbei nach Inspirationen im Skript gesucht und mich zum Beispiel bei (a) viel zu lange gefragt, ob ich jetzt wirklich für die Spannung die 10V aus Teil (b) benutzen kann und wenn nicht, wie ich diese Aufgabe dann lösen könnte.

Jetzt, wo ich die Lösungen gerechnet und verstanden habe, kommt mir das ziemlich einfach vor, aber ich weiß, dass ich, als ich davor saß, das ganz bestimmt nicht mein erster Gedanke war. Und es gibt definitiv mehr Aufgaben, die sich schwieriger gestalten als dieses Beispiel.

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Kim (sblog)
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Hi, mein Name ist Kim. Ich schreibe über das Physikstudium an der Uni Göttingen.