Kopfschmerzen

Frank Adler
SchiefGedacht
Published in
2 min readJul 22, 2010

Es gibt Tage an denen Hasse ich meine Kopfhörer. Heute ist einer davon. Die tollen In-Ear-Clips von Sennheiser, die ich eben gerade wegen der guten Bass-Wiedergabe gekauft habe machen mir jetzt jeden Takt der Musik, jede einzelne Note zur Qual. Mein Kopf schmerzt bei jeder Bewegung, egal ob sie von mir oder der Bahn verursacht wird, die sich quälend langsam aber unbeirrbar ihren Weg zu meiner Universität bahnt. Natürlich könnte ich einfach auf die ohnehin schon unmelodiöse Musik, dieses harte, metallische Geschrammel, dass ich als meinen Musikstil bezeichne, verzichten, doch dann würde diese ewig anmutende Bahnfahrt noch länger werden.

Doch es nützt nichts, so geht es nicht weiter. Bei jedem sachten Vibrieren, dass die Bässe in meinem Schädel verursachen wird ein ganzes Erdbeben ausgelöst, welches, wie es den Anschein hat, mein ganzes Hirn zum beben bringt. Widerwillig nehme ich also doch, mich aus meiner eigenen kleinen Kapsel befreiend, die Knöpfe aus meinen Ohren. Augenblicklich prasselt die Umwelt nur so auf mich ein. Das Dröhnen der Bahn, deren Räder auf den nicht ganz exakt ausgerichteten Schienen hin und her springen, das Geschrei der beiden kleinen Kinder einige Sitze weiter vorn, die einfach nicht auf ihren kleinen Hintern sitzen bleiben wollen und lautstark mit ihrer überfordert-genervten Mutter diskutieren. Jedes mal wenn sich die Türen öffnen strömt der Krawall der Straße herein, schwappt gegen die Fensterfront neben mir, nur um so auch noch von der anderen Seite durch mein aufschreiendes Trommelfell in mein Gehör einzudringen.

Mit schmerzvollem Blick lehne ich meinen tonnenschweren Kopf gegen die Seitenscheiben und schreie im Inneren laut auf, als er durch die wieder abfahrende Bahn zu vibrieren beginnt. Noch fünfzehn Minuten — eine kleine Ewigkeit wenn man darauf wartet, dass sie vergehen. Nicht das es danach vorbei wäre. Es folgen noch zwei Vorlesungen, die den stark geschrumpften Bereich meines noch zur Informationsaufnahme bereitstehenden Kopfes in Anspruch nehmen.

Zu allem Überfluss brennt es — nicht hier in der Bahn, irgendwo weiter hinter uns. Zumindest glaube ich das, anders kann ich mir das Aufgebot der Feuerwehr die mit zwei Einsatzfahrzeugen, vier Tankwagen und mindestens achtmal so großen Lärm an uns vorbei ziehen. Die Sirene schneidet blutende Wunden in mein Nervenkostüm, hinterlässt stark schmerzende Wogen die immer wieder im Inneren meines Schädels abprallen und umher geworfen werden, nachhallend, unaufhörlich.

Zehn Minuten. Die zentrale Haltestelle auf der Route ist schon sichtbar. Was das bedeutet soll sich in wenigen Augenblicken zeigen. Weitere schwatzende, gröhlende Menschenmassen werden die Bahn fluten. Vorher biegt allerdings ein weiteres Feuerwehrfahrzeug in die Straße neben uns ein, mit Sirene natürlich — muss sein. Wir dröhnen weiter durch die Landschaft, ohne dass irgendjemand Notiz davon nimmt. Wir sind zu abgestumpft, an den allgegenwärtigen Lärm, das dumpfe Brummen der Bahnen, die Hupen und Motoren der Autos, das Quietschen der Busbremsen, all das nehmen wir schon gar nicht mehr wahr.
Und es ist besser so. Noch 5 Minuten. Ich schließe die Augen. Ruhe…

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