Musik ohne Kontext hat es schwerer.

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Dual
2 min readDec 15, 2013

In einer Liste sammle ich die Stücke, die mir übers Jahr wichtig waren. Zu Zuständen gepasst, kennengelernt, wieder gefunden, Alltag zerkrümelt ... was Musik eben so kann. Am Ende des Jahres wird die Liste ein bisschen sortiert - der Übergänge wegen - und gebrannt.
So gibt es die letzten Jahre als Musik-Tagebücher. Und manchmal verschenke ich sie. An Menschen, mit denen ich das Jahr verbracht habe.

Heute also sitze ich hier und versuche 2013 zu sortieren. Da passt ja so gar nix. Die Stücke beißen sich gegenseitig in die Waden. Ich bin unzufrieden. Und überlege. Zu schummeln. Mit ein paar dazugemogelten Stücken liesse sich das Ganze aufpolieren. Mein Geschmack in ein besseres Licht stellen. Wo ja jeder gern rumsteht, milde beschienen. Aber es wäre eben nicht WAHR. Noch ein Jahr mit zu wenig Gelegenheiten für Musik. Das muss aufhören. Die Dinge, denen man keine Aufmerksamkeit schenkt, schleichen sich aus dem Leben. There are only three things that are for sure: taxes, death and trouble - Marvin Gaye. Um alles andere muss man sich kümmern.

In einem Jahr, als die Liste schon mal zwischen deep und seicht schlingerte (Life itself does, I guess.) habe ich einen Beipack-Zettel geschrieben, mit den Momenten, in denen das jeweilige Stück in meine Aufmerksamkeit gegrätscht ist. Weil die Hälfte der Bedeutung eines Dings sich nicht aus dem Ding selbst, sondern aus dem Bezug zu diesem Ding ergibt. Musik ohne Kontext hat es schwerer.
Eine befreundete Musikredakteurin versorgt mich regelmäßig mit neuer Musik. Obwohl neugierig erwartet, stellt mich das jedes Mal vor ein Problem. Ein Haufen Musik - ohne Zugang. Am Stück hören geht nicht, nach 20 Minuten klingt alles gleich. Ich fange an zu skippen. So entgeht mir auch Musik, die das nicht verdient hat. Das Gegenteil dazu - folgende Begegnung: Der abendliche Heimweg zur U-Bahn. Es ist schon dunkel und die Geschäfte schließen. Zur Frustbekämpfung und Ablenkung gehe ich schnell doch noch in eins rein. Kein Mensch drin. Die Verkäuferin schaltet gerade das Licht aus. Und lässt die Musik an. In der Mitte des Raumes ein riesiger Tisch, darauf brennen Unmengen dieser Duftkerzen, bei denen man sich fragt, wer so viel Geld für Geruch ausgibt. Bob Dylan und Emmylou Harris singen „One more cup of coffee“. Es riecht unheimlich exklusiv und der dunkle Holzfußboden leuchtet im Schein der vielen Kerzen. Ich hatte diese Platte mal. Wie konnte ich diese großartig verschleppte Hippiegeige vergessen? Dylan passt einem nun wirklich nicht immer in den Kram. Aber gerade hier - wäre nichts anderes besser. Desire. Am nächsten Tag „zurück“gekauft.

Note to myself für 2014: Mehr Musik, mehr Kontext!

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