The music that they play says nothing about my life

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Dual
3 min readDec 12, 2013

Eines der Dinge, die ich FRÜHER an Menschen nie verstehen konnte, war, wenn diese behaupten, neue Musik sei nicht gut. Grundsätzlich. Wenn man ihnen zum Kennenlernen Stücke vorspielt, sagen sie: “Ach, das klingt doch wie ... Wenn du mal RICHTIGE Gitarren hören willst, musst du die alten Sachen von ... hören.” Ein anderes Reaktionsmuster: “Ich kaufe keine Musik mehr, ich hab genug.” Oder Menschen, die nachweislich sich für Musik interessierten, trotzdem irgendwie stehen bleiben, nicht mehr forschen, ausprobieren, sondern immer wieder „die alten Sachen“ hören. Das konnte ich nicht verstehen.
Süßer Vogel Jugend … Ist wohl fortgeflogen. Neuerdings beobachte ich an mir ähnliche Tendenzen. Obwohl ich mich nachweislich für Musik interessiere. Ich beobachte also, wie ich zunehmend neue Bandnamen nicht kenne, oder wenn ich versuche sie kennenzulernen, ihre Musik nicht zu mir spricht, mich höchstens an jemanden erinnert. Gedanken in mir auslöst wie: Da höre ich mir doch lieber meine alte … mal wieder an. Ich ertappe mich auf Konzerten von alten Bands, zwischen Menschen in meinem Alter und genau das finde ich dann super. Beim Musikkaufen bin ich ratlos und beginne zunehmend Raritäten oder Live-Auftritte von Musikern zu sammeln, deren Platten ich schon habe. Und überhaupt, ich KAUFE immer noch Musik.
Ich habe über die Gründe nachgedacht. Ein wichtiger (ich weiß, das klingt wie eine Ausrede) ist mangelnde Zeit. Was für ein Armutszeugnis. Aber ich habe weniger Zeit, die Musikjournallie zu lesen, mit Menschen in ihren Zimmern zu sitzen und ihre Musiksammlung zu durchwühlen (das ist ein ECHTER Verlust). Es gibt aktuell mindestens drei Menschen, deren Musiksammlung ich mal kennenlernen möchte. Führt irgendwie kein Weg hin. Früher hatte ich auch einen Lieblingsplattenladen mit einem meine Bedürfnisse kennenden Verkäufer. Wir lernten uns (musikalisch) näher kennen, als er den Stapel meiner „Die möchte ich bitte kaufen“-CDs durchschaute und sagte: “Das KANN man nicht zusammen besitzen wollen.” Beim nächsten Mal den Plattenladen-Betreten brüllte er über die Köpfe der anderen Käufer hinweg: “Wir führen keine Weltmusik!”. Die machen es einem nicht leicht in Plattenläden.
Wo war ich, ach ja, Musik und älter werden. Mangelnde Zeit ist also ein Grund. Und noch was – ich beschreibe das Phänomen mit Fazination aber mit Schrecken - es hat ein energetischer Wandel stattgefunden. Früher GAB mir laute, wüste Musik Kraft – zum Beispiel um hoch zu kommen, vor der Arbeit oder nach der Arbeit, wenn ich ausgehen wollte. Heute NIMMT mir laute, wüste Musik Kraft. Ich tendiere zu harmonischen Konstellationen. Gefallen tut mir das nicht. Und wenn ich dann mal wieder einen dieser lichten Momente habe, wo trockene Gitarren oder ein tiefer, tiefer Bass mich mitnehmen, nach oben, wo die Freiheit ist, dann bin ich begeistert und will MEHR. Aber diese Momente werden seltener, ich gebe ihnen seltener die Chance. Ihr größter Feind – der Alltag – hat die Nase vorn (noch eine Ausrede).
Einzig den dritten Grund bereue ich nicht. Neue Musik, stelle ich fest, SAGT mir oft nichts. Ich habe diese Probleme nicht (mehr) von denen die da singen. Die Phasen der Liebe, die mich beschäftigen, sind andere. Es geht seltener ums Kennenlernen, es geht ums sich weiter kennen. Ich stelle mir nicht mehr die Frage, warum Beziehungen scheitern. Ich WEISS es jetzt. Die Abenteuer, nach denen ich mich sehne, stehen einer dichteren Front von „abers“ gegenüber. Die Ideen, die mich in Brand setzen, werden schneller mit desillusionierten Argumenten erstickt. Klingt drastisch. Und langweilig. Und trotzdem wünsche ich mir natürlich (natürlich!) nichts mehr als genau das – Wildheit, Direktheit, Romantik, Abenteuer, Trotz, Gedankenblitze (Nur sehen diese Wörter plötzlich alle aus wie aus Zigarettenwerbungen. Egal, kann ich ja nichts für, wenn die die sich klauen.)
Neulich in einem Büronetzwerk konnte ich auf eine unbekannte, allgemein freigegebene iTunes-Bibliothek zugreifen. Ich kannte vielleicht drei der Bands und die klangen wie - Achtung – früher. Den Rest fand ich nervig. Schon grad weil der das 80er –Revival feierte. Da höre ich doch lieber noch mal Joy Division… Ha! Erwischt! Siehe oben. Im Umkehrschluss muss dieser Mensch auch meine Musikbibliothek gesehen haben. Was der wohl gedacht hat? “Lauter altes Zeug, da ist aber jemand stehen geblieben.” Bin ich? Wann ist das denn passiert?
Kurz danach war ich auf einem Konzert von Billy Bragg. Die meisten seiner Sätze hatten so viel mehr mit meinem Leben zu tun, als 90% von dem Zeug, das sie heute im Radio spielen. Moment, das ist nicht von mir, das ist ein Zitat. Das Stück dazu wurde released: 1986.

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