Hey Kids, wisst ihr was cool ist? Prozesse!

Nicolas Kittner
Published in
5 min readApr 10, 2019

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Für Innovationen braucht man ja vor allem eines: Sitzsäcke. Damit man cool rumhängen kann, während man ein paar fetzige Ideen auf den Post-it Block scribbelt.

Es gibt nur eine Sache, die noch cooler ist als Sitzsäcke. Und zwar Prozesse. Richtig gehört, Prozesse — diese langweiligen Abläufe, die uns doch eigentlich davon abhalten, brandneuen Hot-Shit zu entwickeln.

Aber die Sache ist die: Ohne Prozesse ist Innovationsentwicklung wirkungslos. Es passieren nämlich zwei Sachen:

  1. Die Ideen sind schlecht, weil sie nicht auf Insights aus dem Markt, dem Unternehmen und vor allem der User basiert, sondern rein gefühlig ausgedacht wurden. Ideen, die ohne Prozess erarbeitet werden, laufen Gefahr oberflächlich oder offensichtlich zu sein. Was wir aber wollen, sind Ideen, die Tiefe haben, die durchdacht sind, umsetzbar und wirkungsvoll.
  2. Die Umsetzung ist schlecht. Ideen sind die berühmten 1%, der Rest ist Umsetzung. In großen Unternehmen passiert häufig folgendes: Schlaue Leute treffen sich, überlegen sich einen Tag lang gute Ideen (mit Prozess) und sind hochmotiviert. Jetzt beginnt der Marsch durch die Instanzen: Abteilungsleiter, Geschäftsführer, Vorstände, Rechtsabteilungen müssen überzeugt werden, dass einige dieser guten Ideen umgesetzt werden. Das ist schon schwierig genug. Springt die Ampel irgendwann tatsächlich von Rot auf Grün, werden digitale Innovationsprojekte meist so umgesetzt, wie große Organisationen es gewohnt sind. Als komplexe IT-Projekte mit sehr vielen Beteiligten. Also arbeiten alle Beteiligten viele Monate an diesem neuen Projekt und am Ende wird etwas gelauncht, mit dem niemand zufrieden ist. Die Ideengeber nicht, die Geschäftsführung nicht und die Kunden schon mal gar nicht. Für die nächste gute Idee gibt es dann kein Geld, hat ja beim ersten Mal bereits nicht funktioniert und eine Unmenge an Geld und Zeit gekostet.

Um diese Probleme zu verhindern, benötigen wir Prozesse. In großen Unternehmen gibt ja bereits seeeeehr viele Prozesse. Und nicht alle sind schlecht. Für die Innovationsentwicklung sind es eben nur die falschen.

Wir benötigen neue Prozesse, und zwar solche, die auf der einen Seite Seite Planbarkeit und Risikomanagement und auf der anderen Seite Kreativität ermöglichen.

Gute Prozesse können — Unsicherheit reduzieren: jeder der Beteiligten weiß, was als nächstes kommt und warum. Das nimmt Unsicherheit in einem Umfeld, das sowieso ständig in Bewegung ist. — Planbarkeit erhöhen: Die Einteilung komplexer Aufgaben in unterschiedliche, kleinere Projektphasen macht die Umsetzung überschaubar und planbar. Nach jeder Phase können wir das Erreichte analysieren, bewerten und danach entscheiden, ob wir genug Potenzial sehen, um weiterzumachen. Mit jeder Phase steigt das zeitliche und finanzielle Commitment, gleichzeitig gibt es klar definierte Exit-Points, die ein Aussteigen aus dem Projekt wenig schmerzhaft machen.
— Fokussierung ermöglichen: Innovationsprojekte schaffen intern extrem viel Begehrlichkeiten und ecken gleichzeitig oft an. Das schafft für das Team sehr viel Rauschen und Ablenkung, die von der eigentlichen Produktentwicklung ablenkt. Klare Prozesse integrieren Stakeholder an den richtigen Stellen und schützen das operative Team gleichzeitig vor zu viel Ablenkung.

Prozesse sind wie eine Landkarte: Je unbekannter das Terrain, in dem wir uns bewegen, desto wichtiger sind sie. Sie geben uns drei zentrale Informationen: Wo wir sind, wo wir hin müssen und wie wir da hinkommen. Jetzt müssen wir (nur noch) loslaufen.

Aber genauso wie Landkarten sind Prozesse komplex, sie haben Abhängigkeiten und sind eingebettet in größere Konstrukte. Bei Silicon Pauli verstehen wir Prozesse daher als ein System, das aus drei Ebenen besteht: Framework, Methods, Plays.

Ebene 1: Framework

Dies ist unsere grundsätzliche Art zu arbeiten, der Meta-Prozess. Dieser Ablauf ist sehr grob, gibt uns und unseren Kunden aber bereits ein gutes Gefühl dafür, was wann passiert.

Unser Framework basiert heute auf vier Schritten.

Discovery

In unserem Discovery-Prozess erarbeiten wir strategische Produktkonzepte mit hohem Innovationspotenzial. Dazu identifizieren wir aussichtsreiche Marktsegmente, vielversprechende Geschäftsmodelle, Kundenbedürfnisse sowie relevante Startups der jeweiligen Branchen.

Prototyping

Auf Basis der strategischen Ansätze entwickeln wir mehrere Prototypen, testen diese mit echten Kunden und entwickeln sie weiter.
Wir stellen ein Team aus den Bereichen Design, Product, Business und Tech zusammen, das gemeinsam mit Experten aus dem Unternehmen arbeitet.

MVP

Die Prototypen mit den größten Potenzialen bringen wir zur Marktreife. Wir launchen das Minimum Viable Product (MVP), erreichen Product- Market-Fit und skalieren. Ist das Produkt erfolgreich, wird es entweder in die Kernorganisation re-integriert oder etabliert sich als separates Venture.

Training

Anschließend helfen wir den Mitarbeitern dabei, die richtigen Kompetenzen aufzubauen, damit sie langfristig ohne uns in der Lage sind, das entsprechende Produkt weiterzuentwickeln. Zudem unterstützen wir die Teams beim Aufbau der richtigen Strukturen, begleiten Organisationsprozesse und helfen beim Hiring wichtiger Schlüsselpositionen.

Unser Framework beschreibt unsere grundsätzliche Arbeitsweise, in der wir uns Stück für Stück vorarbeiten. Der Kunde weiß zu jedem Zeitpunkt, was er oder sie bekommt und hat nach jeder Phase die Möglichkeit, aus dem Prozess ohne weitere Kosten auszusteigen. Das hört sich selbstverständlich an, ist aber grade in großen Projekten selten der Fall. Zu groß sind bereits getätigte Investitionen in Technologie, Infrastruktur oder Mitarbeiter als dass ein problemloser Exit möglich wäre.

Unser Framework ist recht fix, wir überprüfen es zwar regelmäßig, aber es ist eine wichtige Konstante in unserer Arbeit, auf die sich alle Beteiligten verlassen können.

Ebene 2: Methoden

Während das Framework das gesamthafte Vorgehen darstellt, haben unsere Methoden immer ein Anfangs- und Endpunkt. Um Potenziale zu entwickeln, führen wir beispielsweise Innovation Discoveries durch. Diese Discoveries sind in der Regel zwei Wochen lang und sind in sich konsistent. Sie haben einen Anfangs- und Enddatum und eine klare Dramaturgie.

Wir wissen zu jeder Zeit ziemlich genau, was als nächstes passiert. Das schafft Vertrauen, Ruhe und ermöglicht überhaupt erst, dass wir in kurzer Zeit relevante Ergebnisse produzieren. Wir müssen nämlich nicht mehr über den Ablauf diskutieren, wir folgen der Methode und können uns voll auf die inhaltliche Arbeit konzentrieren.

Ebene 3: Plays

Plays sind schnelle, kurzfristige Spielzüge. Jede Methode besteht aus mehreren Plays, die eine klare Reihenfolge haben. In unserer Innovation Discovery entwickeln wir immer erst Big Ideas nachdem wir How Might We Notes geschrieben haben. Und diese wiederum basieren auf Nutzer- und Expertenbefragungen.

Plays sind bewusst standardisiert, so dass sie wiederverwendbar sind, aber eben auch analysiert und optimiert werden können. Würden wir jedes Mal etwas völlig anderes machen, hätten wir zu viele Variablen, was die Analyse von Erfolgs- oder Misserfolgsfaktoren unmöglich macht.

Im Gegensatz zu unserem Framework sind unsere Plays ständig in Bewegung. Wir haben dutzende Plays, die wir konstant analysieren, verändern und verbessern. Es gibt neue Plays und alte streichen wir aus unseren Prozessen, wenn sie nicht die gewünschten Ergebnisse bringen. Das Ziel ist, die besten Plays wirkungsvoll miteinander zu kombinieren ohne Methoden oder gar das Framework infrage zu stellen.

Alle drei Ebenen zusammen beschreiben unseren Prozess, mit dem wir unser gesamtes Vorgehen systematisieren. Die Unbekannte bleibt das Ergebnis. Wir wissen vorher nicht, welche Lösungen wir entwickeln. Wir können auch nicht vorhersagen, ob sie erfolgreich werden. Wir haben einen Prozess, keine Glaskugel.

Wir sind aber in der Lage, Innovationsentwicklung zu prozessualisieren und maximieren somit die Chancen für erfolgreiche Ergebnisse. Und erfolgreich sind wir dann, wenn der Kunde mehr Geld verdient als er eingesetzt hat. Und Sandsäcke gibt es dann meinetwegen auch noch.

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