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Endstation fürs Management

Transformative Leadership als neue Königsdisziplin

Marc Frey
Simplify Innovators
6 min readApr 19, 2018

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Wer in diesen Tagen versucht als Manager alter Schule in der Führungsetage seines Unternehmens seinen Job zu machen, kennt vor allem eins: das belastende Gefühl, angezählt zu sein. Vorbei sind die Zeiten, als der Manager von der Leiter der Hierarchie herab seine Anweisungen erteilen konnte und dabei einigermaßen sicher sein durfte, dass es immer genügend “Fußsoldaten” gäbe, die dienstbeflissen zur Umsetzung schritten.

Wie es Seth Godin so treffend formulierte, stehen Führungskräfte in Unternehmen stattdessen vor einer gänzlich neuen Herausforderung: Die Anforderungen an die Führung von Mitarbeitern, ja Teams haben sich massiv gewandelt. Das Aufstellen von Regeln oder starren Prozessen sind längst nicht mehr zielführend und auch für Unternehmen nicht mehr gewinnbringend.

Die Aufgabe von Führungskräften ist es nicht mehr, ihr Team zu kontrollieren. Sie sind vielmehr für das „Warum” verantwortlich und müssen ihrem Team helfen, das „Wie” umzusetzen. Hierfür ist allerdings ein Umdenken von „I can do it” zu „They can do it” notwendig. Oder wie es Simon Sinek ausdrückt: „The greatest contribution of a leader is to make other leaders.” Die Prinzipien des Transformative Leadership von Baas zeigen, welche Aspekte von Bedeutung sind, um aus Führungskräften Leader zu machen:

  1. Idealized Influence (Vorbildfunktion): Der Leader muss eine Vorbildfunktion einnehmen. Nur wenn er vorlebt, was er von seinen Mitarbeitern erwartet, wird das Team seinem Beispiel folgen.
  2. Inspirational Motivation (inspirierende Motivation): Der Leader gibt mit seiner Vision der Arbeit einen Sinn und motiviert das Team.
  3. Intellectual Stimulation (intellektuelle Anregung): Die Teammitglieder werden motiviert, ihr Potenzial zu nutzen und selbstständig an Lösungen zu arbeiten, um das gesetzte Ziel zu erreichen.
  4. Individualized consideration (individuelle Unterstützung): Wenn nötig, unterstützt der Leader Team und steht mit Rat zur Seite, ohne eine Kontrollfunktion auszuüben.

Das Ende des Org-Charts

Um diese Aspekte umsetzen zu können, benötigt es jedoch ein klares Umdenken in den Unternehmen und in den Köpfen der Führungskräfte. Denn „die Achilles-Ferse der meisten Unternehmen ist heute nicht ihre mangelnde Fähigkeit, Maschinenintelligenz, Prozesse, Regeln oder Standards (…) sinnvoll zu nutzen, sondern ihre generelle Unfähigkeit, die bereits intern vorhandene menschliche Intelligenz zu nutzen”, schreibt Niels Pflaeging in „7 Reasons why Digital Transformation is overhyped”.

Was Pflaeging hier beschreibt ist eine Folge der industriellen Revolution und der daraus resultierenden Methoden des sogenannten „Scientific Management”. Mit dem Einzug der Massenfertigung von Gütern wurde es notwendig, die Produktion in kleine überschaubare Schritte zu zerlegen, um sie steuerbar und kalkulierbar, also effizient und gewinnbringend zu machen. Das Zeitalter der Prozesse und Org-Charts war geboren. Der einzelne Arbeiter war nur noch für einen kleinen Teil des Gesamtprozesses zuständig, das immer komplizierter werdende Ganze überblickte er nicht mehr, umfassende Kompetenz bei dem einzelnen Menschen geriet zunehmend in den Hintergrund und wurde durch immer umfangreichere Führungsstrukturen ersetzt.

Die Arbeiter waren fürs TUN, die Manager fürs DENKEN da. Unternehmen wurden dadurch zu starren Organisationen, die viel Energie darauf verwandten, ihre Strukturen immer weiter zu festigen und zu optimieren. Sie legten sich damit selbst an die Kette und beraubten sich der Fähigkeit, auf schnelle und hochdynamische Veränderungen angemessen zu reagieren: es war nicht mehr der Kreativität und Intelligenz einzelner überlassen, flexibel und agil auf neue Situationen zu reagieren (so wie dies unser evolutionärer Bauplan eigentlich vorsieht), sondern die Möglichkeiten des Handelns waren zuvor von anderen augetüftelt und in gesetzesgleichen Handlungsanweisungen (Prozessen) festgelegt. Diese Art Unternehmen zu führen wurde jedoch für eine Welt gemacht, die es heute nicht mehr gibt. Und ist dennoch die noch immer am weitesten verbreitete.

Auch wenn es vollständig hierarchiefreie Organisationen per definition nicht geben kann (und sie auch nicht sinnvoll sind), so kann man eines mit Sicherheit sagen: Das alte Org-Chart ist tot. Es hat ausgedient.

Der wesentliche Grund dafür ist: das Org-Chart (und das wofür es steht) verhindert, dass Menschen die in ihnen steckenden Potenziale zum Wohle aller nutzen und ausschöpfen. Es schränkt das Denken ein und nimmt Verantwortung ab. Und vor allem: Es nimmt die Menschen in den Unternehmen nicht wirklich ernst. Ja, ich würde so weit gehen zu sagen: Es behandelt sie wie kleine, unmündige Kinder. Eine wirkliche Transformation ist mit Menschen, die man nicht ernst nimmt, jedoch nicht möglich. Ohne ein verändertes Menschenbild wird die Zukunft manches Unternehmens daher vorbei sein, bevor sie begonnen hat.

Das „Manifest für agile Softwareentwicklung” liefert uns mit seinen zwölf Prinzipien sehr wertvolle Hinweise darauf, wie sich in einer Organisation wirklicher Wert schaffen lässt. „Planen und errichten Sie Ihre Projekte um motivierte Menschen herum. Schaffen Sie die richtige Umgebung und geben ihnen, was sie brauchen. Und vertrauen Sie ihnen, dass sie „den Job erledigen.” In vielen Organisationen nutzen Manger heute agile Frameworks, hängen aber immer noch dem Irrglauben an Planbarkeit nach wie seit jeher.

Das verhindert auch, dass sie einen für den Erfolg unverzichtbaren Wandel ihres Mindsets vollziehen: Von der Prognostizierbarkeit und einem Inside-/Out-Denken hin zu einer experimentellen Haltung, die das Experiment als zentrale Disziplin nutzt und über Prototyp, Irren und Lernen eine Organisationen ermöglicht, die wahrhaft kontinuierlich innovativ ist.

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The Meaning of WHY

Als Simon Sinek im September 2009 bei TEDtalk sein Konzept des „Golden Circle” vorstellte, ahnte er sicher nicht, dass dieser 18-minütige Vortrag mit rund 38 Millionen views das dritthäufigst abgerufene TED Video aller Zeiten werden würde. Sinek gab darin eine bestechend plausible Antwort auf eine der fundamentalsten Fragen, die Topmanager rund um den Globus nachts nicht schlafen lässt: Warum sind oder waren manche Unternehmenslenker, wie etwa Steve Jobs von Apple, so erfolgreich und andere nicht? Das Geheimnis: Diese „True Leader” haben ein klares WHY, ein WARUM hinter ihrem Denken und Handeln. Oder anders ausgedrückt: Finde etwas, für das du sterben würdest, und dann lebe danach.

Seitdem sind viele Führungskräfte auf der Suche nach ihrem persönlichen WHY: Was macht den Unterschied? Warum sollte es mein Unternehmen überhaupt geben? Was ist der Sinn hinter meinem Tun? So bedeutsam und wertvoll die Suche nach dem persönlichen Warum oder wie es bei Strelecky heisst, den eigenen Big Five for Life, auch ist, geht es noch darum, ein WHY zu entdecken, das ein gesamtes Unternehmen nach vorne trägt. Das ist die hohe Kunst.

Die Amerikaner haben dafür wieder mal einen treffend präzisen Begriff geschaffen: Massive Transformative Purpose kurz MTP. Aufgelöst steht die Formel für Massive = wagemutig, groß und anspruchsvoll, Transformative = führt zu einer signifikanten Veränderung einer Industrie, einer Gemeinschaft oder sogar des ganzen Planeten und Purpose = es gibt ein klares „Warum” hinter dem, was man tut. Etwas, das Menschen vereint und zum Handeln anstiftet.

Tesla-Chef Elon Musk ist so einer mit einem mächtigen MTP. Sein Projekt SpaceX zielt nicht darauf ab, ihm einen luxuriösen Altersruhesitz auf dem Mars zu schaffen. Er hat nichts Geringeres im Sinn, als aus der Menschheit eine multi-planetarische Spezies zu machen. Diesen Traum Wirklichkeit werden zu lassen ist sein Purpose. Er tritt damit gewissermaßen in die Fußstapfen eines John F. Kennedy, der Anfang der 60er Jahre seinen Landsleuten versprochen hatte, dass ein Amerikaner im gleichen Jahrzehnt noch der erste Mensch auf dem Mond sein werde. Kennedy hatte zu der Zeit, wie übrigens auch die NASA, noch keine präzise Vorstellung davon, ob und wie das zu schaffen sein könnte. Aber diese Vision des US-Präsidenten hatte eine solche Strahlkraft, dass er damit einen beispiellosen Aufschwung einer ganzen Nation auslöste und Wissenschaftler wie Techniker dazu brachte, ein Wunder zu schaffen.

Ein echter MTP ist die stärkste Kraft, die ein wahrer Leader in einem Unternehmen freisetzen kann. Die Qualität seiner Inspiration bringt Teams dazu, wahrhaft groß zu denken, schnell über sich hinaus zu wachsen und Hürden zu überwinden und damit eine wirklich agile Organisation zu schaffen. Dies führt auf lange Sicht zu beträchtlichen Gewinnen der Organisation und des Unternehmens.

In diesem Artikel zwar am Ende, steht das WHY für ein erfolgreiches, zukunftsfähiges Unternehmen jedoch ganz am Anfang aller Überlegungen. Es hilft die Frage nach dem HOW zu beantworten, aus dem sich dann fast schon von selbst das WHAT ergibt.

In den nächsten Wochen werden wir in einer Serie vertiefender Artikel genau diese Faktoren näher beleuchten. Wir werden Ansätze und Methoden vorstellen und diskutieren, die Managern helfen Transformative Leadership zu erreichen und einen wirklichen starken MTP zu etablieren (WHY). Wir werden darüber sprechen, wie sie dank diesem WHY eine agile und exponentielle Organisation (HOW) schaffen und damit echte Innovationen ins Leben bringen, um eine stabile, nachhaltige Wertschöpfungsbeziehung mit ihren Kunden zu errichten (WHAT).

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Marc Frey
Simplify Innovators

As Business Activist, Innovation and Change Facilitator and Leadership Coach my passion is to help companies and people growing to the better.