Wir sehen uns im Bällebad

Die “Secret Sauce” für erfolgreiche Innovation

Marc Frey
Simplify Innovators

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Mit bahnbrechenden Innovationen die Zukunft ihrer Unternehmen zu sichern zählen viele Top-Manager heute zu ihren größten Herausforderungen. Corporate Innovation ist in der Realität aber häufig ein Widerspruch in sich und dies liegt nicht daran, dass es den Menschen in Unternehmen an Ideen mangeln würde. Gibt es einen Königsweg oder eine “Secret Sauce”? Worauf Sie sich einstellen müssen und worauf Sie achten sollten, um wirklich innovativ zu sein, lesen Sie hier im vierten Teil unserer Serie “The Future of Business is Exponential”.

Von Marc Frey

Wenn es ein Unternehmen gibt, das in den letzten Jahren bei Vorträgen auf Kongressen oder in Managementpräsentationen von Beratern eine beispiellose Präsenz erreicht hat, dann ist es dieses: Kodak. Wie kaum ein anderes steht der ehemalige amerikanische Film- und Foto-Gigant als Paradebeispiel für Fehlentscheidungen in Sachen Innovation. Mit dem Ausdruck “Uber yourself before you get kodak’ed“ hat es das Unternehmen sogar in den Management- und Beratersprech geschafft. Eine traurige und teuer bezahlte Berühmtheit allerdings.

Zweifelsfrei lassen sich noch heute tausende andere Unternehmen finden, die ähnlich uninspiriert geblieben und damit kläglich gescheitert sind. Kodak aber kennt jeder. Das macht das Unternehmen zum idealen Kandidaten für Spott und Häme. Vielleicht sind es aber auch die besonderen Umstände, die ganze Tragweite des Scheitern und Versagens, die bei genauerer Betrachtung vielleicht sogar unvermeidlich waren, die dem einstigen Weltmarktführer diesen Ehrenplatz in der “Hall of Shame“ eintrugen.

Ironischerweise hatte das Unternehmen den eigenen Sargnagel nämlich selbst in der Hand und hätte — bei richtiger Interpretation desselben — die revolutionäre Innovation selbst vorantreiben können: Steven J. Sasson, Ingenieur bei Kodak, erfand 1975 die Digitalkamera. In einem Interview mit der New York Times erzählte Sasson viele Jahre später: “My prototype was big as a toaster, but the technical people loved it. But it was filmless photography, so management’s reaction was, ‘that’s cute — but don’t tell anyone about it.’ ”

Was für Kodak zur tödlichen Falle wurde, war — neben möglicherweise Ignoranz, mangelndem Vorstellungsvermögen und Risikobereitschaft — der eigene Erfolg: Sie waren so damit beschäftigt, Unmengen von Geld mit silberbeschichteter Gelatine zu machen, dass sie einer anderen möglichen Zukunft keine Aufmerksamkeit schenkten. Never change a winning team. Die eigene Cash Cow wurde zum Königsmörder.

In dieser Situation befinden sich heute viele (mehr oder weniger) erfolgreiche Unternehmen: Glaubt ein Unternehmen einmal, sein Geschäftsmodell für die Zukunft entdeckt zu haben, organisiert es sich um die daraus abgeleiteten Ziele herum. Es werden Prozesse zur Umsetzung aller notwendigen Maßnahmen zur effizienten Erreichung dieser Ziele geschaffen und durchgesetzt und deren Ergebnisse rigoros gemessen. Blinde Flecken sind die logische Konsequenz. Selbstüberschätzung und Trägheit erledigen den Rest. Die deutsche Automobilindustrie kann davon laute Lieder singen…

Nun hat man natürlich aus Kodak (oder XEROX, wo ein Ingenieur in den 70ern die Computermaus erfand) gelernt. Sollte man meinen. Zumindest der Grad an Aufmerksamkeit und Aktionismus hat ein neues Level erreicht. Doch Bällebäder sind alleine auch keine Lösung. Zahlreiche Versuche von Unternehmen, mit Hilfe von Innovation Labs oder Acceleratoren und Company Buildern, als Ganzes innovativer zu werden, bleiben hinter den hochgesteckten Zielen zurück. Wirft man einen Blick auf die Gründe, mag das nicht verwundern, denn Umsetzung, Freiheitsgrade und Vorgehen passen oft nicht zu den hohen Erwartungen des Managements.

Zahlreiche Unternehmen segeln in Sachen Innovation im Nebel, ohne Kompass und Seekarte (und verwechseln Sie bitte F&E nicht mit Innovation!). Innovation scheint in den Augen mancher Führungskräfte etwas zu sein, dass es nur ausnahmsweise und mehr durch Zufall gibt oder doch zumindest nur durch übermenschliche Anstrengungen. Und obwohl viele dieser Unternehmen über enorme Ressourcen an Mitarbeitern und Geld verfügen, tun sie sich erheblicher schwerer als ein Startup, ihr Ziel in Sachen Innovation zu erreichen.

Innovation jedoch ist vielmehr das Ergebnis einer gut vorbereiteten, großartig durchgeführter gemeinsamer Aktivitäten des gesamten Unternehmens. Und Exzellenz auf diesem Gebiet kann man erreichen, wenn man ein paar wesentliche Dinge beachtet und entsprechende Rahmenbedingungen schafft. Gelingt dies, errichtet sich das Unternehmen ein “Innovation Ecosystem“.

Wissen Sie eigentlich was Sie wollen?

Venture Capital Firmen wird gemeinhin nachgesagt, sie seien der Motor hinter vielen Innovationen. Mit ihren Investments ermöglichen sie Startups, neue Ideen und Lösungen in Märkten zu testen, um bei Erfolg schnell zu skalieren. Es ist jedoch nur logisch, dass es auch in dieser Branche Gewinner und Verlierer gibt. Um in diesem Haifischbecken Sieger zu bleiben, bedarf es Fingerspitzen- und Bauchgefühl, die übliche Menge Fortune und dann noch eines: eine präzise Vorstellung davon, in welchen Bereichen man investieren will, in welchen nicht, und warum. Ausformuliert und mit Daten hinterlegt, nennt sich dieses Instrument “Investment Thesis“.

Diese “Investment Thesis” beschreibt welche Entwicklungen in der Welt die Risikokapitalgeber in den nächsten 5–10 Jahren für möglich halten. Diese Entwicklungen drücken sich in Form von technischen, sozialen, makroökonomischen oder politischen Trends aus. Folglich stellen die VCs eine Hypothese auf, welche Ideen, Geschäftsmodelle oder Märkte von diesen Entwicklungen profitieren können und investieren in Firmen mit dem passenden Portfolio. Die erfolgreichsten VCS sind darin besonders gut.

Will ein Unternehmen Innovation treiben und damit erfolgreich sein, hilft ihm ein solches Instrument ebenfalls: nennen wir sie Innovation Thesis. Sie dient zugleich als Scharnier zwischen den Daten, die das Unternehmen hat und dem Know-how zu den Geschäftsmodellen auf der einen Seite und der Innovations- und Unternehmensstrategie auf der anderen Seite. Sie ist Seekarte und Kompass zugleich. Opportunismus hat bei diesem Instrument keine Chance mehr.

Tanzen Sie auf den richtigen Hochzeiten

Von Clayton Christensen haben wir die Erkenntnis “small (emerging) markets don’t solve the growth needs of large companies“ (The Innovators Dilemma). Das führt dazu, dass das Management größerer und großer Unternehmen, Innovations-Initiativen, die zu Beginn nur kleine Umsätze machen, oft keine Bedeutung schenken, schlimmstenfalls sie gar nicht erst zuzulassen. Natürlich werden solche Entscheidungen von Managern aus gutem Grund getroffen, denn ihre kurzfristigen Ziele sind meist auf Umsatzwachstum ausgerichtet. Genau dies ist aber auch das Einfallstor für Disruption.

Disruption greift in der Regel dort an, wo Unternehmen entweder in der Leistungserbringung Kundenprobleme nicht ausreichend oder gut genug lösen, Chancen zur Innovation übersehen oder ungenutzt verstreichen lassen.

Erfolgskritisch für jedes Unternehmen ist daher ein ausgewogenes Innovationsportfolio, denn es sind in erster Linie nicht die schlecht gemanagten Firmen, die aus dem Geschäft fliegen, sondern jene mit einem schlechten Portfolio. Doch in zweierlei Hinsicht gilt es, die richtigen Weichen zu stellen: Ein solches Innovationsportfolio in gleicher Weise zu managen wie den Rest des Unternehmens, führt dazu, dass Innovation scheitert in großen Unternehmen. Und ein Portfolio Mix ohne Innovation Thesis führt zu Produktideen, die nicht mit der Strategie des Unternehmens in Einklang stehen.

Eine gute formulierte Innovation Thesis hilft, die richtigen Fragen zu stellen und Schwerpunkte für ein ausbalanciertes Portfolio zu setzen. Und hierfür ist es entscheidend, nicht nur dort zu innovieren, wo heute die größten Profite zu erwarten sind. Die Innovativen müssen einen guten Teil ihrer Aufmerksamkeit genau dahin lenken, wo — wenn alles gut geht — das Geschäft der Zukunft blüht. Nur wenn sie rechtzeitig alle Weichen hierfür stellen, werden sie bereit sein, wenn die Welt sich weiter verändert hat. Die “Ambition Matrix“ von Bansi Nagji und Geoff Tuff ist hier ein wertvolles Tool. Sie unterteilt das Spielfeld in drei Bereiche: Kerngeschäft, angrenzendes Business und solches, welches das Potential hat, das Unternehmen und seine Wertschöpfung zu verändern (Transformational Innovation). Im ersten Feld geht es um inkrementelle Verbesserung bestehender Produkte in bestehenden Märkten, im zweiten um inkrementelle Verbesserungen in angrenzenden Märkten und im dritten schließlich um komplett Neues in neuen Märkten.

Innovation Multitasking

Dieses Vorgehen ist jedoch nur erfolgreich, wenn das Unternehmen alle drei Bereiche gleichzeitig im Fokus hat: Der erste Bereich (McKinsey hat diesen in einem Framework als Horizont 1 bezeichnet) ist das Schlachtfeld für den Profit von heute, Horizont 3 das Spielfeld für Innovation. Hier hat sich laut Nagji und Tuff ein Verhältnis für die Verteilung von Ressourcen von 70:20:10 bewährt. Es versteht sich von selbst, dass dies von Unternehmen zu Unternehmen, Branche zu Branche variiert. Die Beschäftigung mit der Ambition Matrix jedoch zwingt den Innovator, sich hierüber Gedanken zu machen.

Im Zentrum des Innovation Lifecycle stehen zwei wesentliche Disziplinen: Suchen und Durchführen. Für die Durchführung bedarf es eines profitablen und nachhaltigen Geschäftsmodells. Zunächst aber müssen Innovatoren genau danach suchen: Neben der Identifizierung gehört vor allem das Minimieren von Risiken dazu. Neben den technischen Risiken (Machbarkeit) spielt hier natürlich das Marktrisiko eine entscheidende Rolle: Wir müssen frühzeitig im Prozess herausfinden, ob das Produkt überhaupt kreiert werden soll oder nicht. In seinem Bestseller „The Lean Startup“ unterscheidet Eric Ries zwischen „value hypotheses“ und „growth hypotheses“, um hier Antworten zu bekommen. Mit Werthypothesen testen Innovatoren, ob das Produkt den echten Kundenbedürfnissen entspricht. Im Gegensatz dazu konzentrieren sich die Wachstumshypothesen darauf, wie die Kunden das Produkt finden und kaufen werden und wie das Produkt Marktanteile und Gewinne steigern wird. Die Lösung dieser beiden Hypothesen ist der Schlüssel zu einer erfolgreichen Innovation.

Wie an anderer Stelle bereits erwähnt, helfen die bisher im Unternehmen genutzten Managementtechniken nicht oder nur bedingt bei dieser Aufgabe. In ihrem sehr lesenswerten Buch „The Corporate Startup“ schlagen die Autoren Tendayi Viki, Dan Toma und Esther Gons deshalb ein Framework vor, das die drei wesentlichen Stufen der Innovation, Ideen generieren, Ideen testen und Ideen skalieren, vereint. Das “Corporate Startup Framework“ nutzt dabei dabei die Ansätze von Steve Blank („Customer Development Prozess) sowie den drei Phasen „Problem — Solution Fit“, „Product Market Fit“ und „Scale“ von Ash Maurya und kombiniert sie zu einem Lean Product Lifecycle (Viki u.a. haben hierzu ein eigenes Buch veröffentlicht).

Ein solches Innovation Framework addiert eine zusätzliche Dimension wie wir unser Innovationsportfolio analysieren und managen. Das macht es so wichtig und wertvoll. Wir finden so heraus, wie balanciert das Portfolio ist und wo im Lifecycle die Produkte stehen.

Vision und Management schließen sich nicht gegenseitig aus, um erfolgreich zu innovieren: Nur Business Plan oder nur Just do it wäre die falsche Wahl. Geht es um Transformational Innovation sind Business Modelle oft sehr verschiedenen zu dem, was das Unternehmen heute tut. Das herauszufinden und anwendbar zu machen ist die Aufgabe des Innovation Frameworks.

Wer das Meer überqueren will, muss das Ufer verlassen

Das alles alleine ist freilich noch kein Garant dafür, dass Innovation auch zum gewünschten Erfolg führt. Neben den richtigen Werkzeugen braucht es auch die entsprechende Haltung, zu der auch das Aufgeben lang gehegter und als als richtig etikettierter Glaubenssätze gehört. Einer davon lautet: Der Erfolg des Unternehmens wird mittels Wettbewerb und Aufteilung von Märkten bestimmt, eine Welt, in der der Gewinn des einen nur auf Kosten des anderen geht. Eine Sichtweise, die an bekannten Mechanismen und Denkmodellen festhält — und schon deswegen nicht wirklich innovativ sein kann. Ein anderer ist, dass wirkliche Innovation immer “kreative Zerstörung“ bestehender Geschäftsmodelle, also disruptiv sein muss. Der Glaube daran ist eine extreme Limitierung für das, was möglich ist, basiert er doch auf dem, was ist, was wir sehen und kennen.

Steve Jobs formulierte es einmal so: “Ihnen wird häufig erzählt, die Welt ist so wie sie ist. Aber das ist eine sehr beschränkte Sicht. Das Leben kann sehr viel reichhaltiger sein, wenn Sie eine simple Tatsache erkennen: Alles, was um sie herum ist, das sie Leben nennen, wurde von Menschen geschaffen, die auch nicht schlauer waren als Sie. Und Sie können es ändern. Sie können es beeinflussen. Sie können ihre eigenen Dinge herstellen, die die Menschen dann nutzen können. Und in dem Moment, wo Sie das erkennen, können Sie dem Leben einen Stups geben…es verändern und gestalten. Das ist vielleicht das Allerwichtigste — diese irrige Vorstellung abzuschütteln, dass das Leben da ist und Sie nur darin leben. Und wenn Sie das einmal gelernt haben, werden Sie nie wieder derselbe sein.“

Zu wirklich neuen Ufern aufzubrechen, um die Welt mit noch nicht Dagewesenem zu bereichern, ist das Ziel des Blue Ocean Shift von W. Chan Kim und Renée Mauborgne (den beiden INSEAD-Professoren verdanken wir schon die Blue Ocean Strategy, seit 2005 eines der erfolgreichsten und wichtigsten Bücher zur Strategieentwicklung für Unternehmen). Der Blue Ocean Shift ist der Blick über den Tellerrand: Die zugrundeliegende Blue Ocean Strategy macht den Wettbewerb irrelevant und sieht bestehende Branchengrenzen nicht als feststehend an. Es geht darum, eine neue Nachfrage zu schaffen und neu definierte Märkte zu erobern und nicht darum, um bestehende Kunden zu kämpfen. Fokussierung auf Nutzen und Wert statt auf reine Technologie in der Innovation. Wesentlich hierfür ist, dass Unternehmen tatsächlich das Gegenteil dessen tun, was sie zumeist bisher tun: die Abkehr von starren Unternehmensprozessen, klassischen KPIs und fehlgeleiteten Anreizsystemen hin zur Inspiration der eigenen Mitarbeiter und dem Aufbau von Vertrauen in die Menschen des Unternehmens.

“Alles, was um sie herum ist, das sie Leben nennen, wurde von Menschen geschaffen, die auch nicht schlauer waren als Sie. Und Sie können es ändern. Sie können es beeinflussen.” Steve Jobs

“Was wir erkannt hatten, war, dass im tiefsten Kern der Blue Ocean Shift ganz grundlegend ein humanistischer Prozess ist. Statt unsere Menschlichkeit zu verleugnen, umfasst er sie auf eine Art, die uns kompetenter und zuversichtlicher macht, als wir uns das je vorgestellt hatten. Menschlichkeit inspiriert uns weiter zu machen. Sie erkennen unsere Skepsis und Verwundbarkeiten, unsere Angst, dass wir es nicht schaffen, unsere Zweifel, ob es überhaupt Blue Oceans gibt, unser Bedürfnis nach intellektueller und emotionaler Anerkennung, damit wir uns wertgeschätzt fühlen“, fassen es Kim und Mauborgne zusammen.

Dies schafft ein “Blue Ocean Mindset“, das gekennzeichnet ist durch die Bereitschaft, sich nicht von dem vereinnahmen zu lassen, was andere als gegeben hinnehmen. Blue Ocean Strategen nehmen eine Perspektive ein, die es ihnen erlaubt, grundlegend andere Fragen zu stellen und es ihnen im Gegenzug ermöglicht, die Irrtümer hinter traditionellen Annahmen und künstlichen Grenzen bewusst wahrzunehmen. So verändern sie Branchenbedingungen zu ihren Gunsten. Damit ist Blue Ocean Shift ein Gegenmodell zu den meisten Unternehmensstrategien, die existierende Branchengrenzen als das tatsächliche Universum definieren und sich vor allem an den herrschenden Bedingungen orientieren. Damit verkennen diese klassischen Strategien, dass diese Grenzen nur Produkte unserer Gedanken sind und limitieren damit die Optionen des Unternehmens, vor allem bei der Innovation.

Die Kraft der zwei Hände

Steve Jobs soll einmal gesagt haben, es sei besser, ein Pirat zu sein, als der Marine beizutreten. In der Welt der Corporates erscheint es mir besser, ein Pirat in der Marine zu sein. Denn für Unternehmen geht es darum, zwei Disziplinen gleichzeitig zu meistern: die Entdeckung von etwas Neuem (Exploration) bei gleichzeitiger Nutzung des Alten (Exploitation). Für diese Fähigkeit gibt es den sperrigen Begriff Ambidexterity, was am besten mit Beidhändigkeit übersetzt wird.

Beidhändige Organisationen sind in der Lage, in ihren traditionellen Geschäftsbereichen starke Leistungen zu erbringen und gleichzeitig neue Chancen schnell und flexibel zu nutzen. Sie sind ein wenig wie Asterix und Obelix in einer Person. Aber damit etablierte Unternehmen erfolgreich innovieren können, müssen sie einen Weg finden, um zu suchen während sie ausführen. Corporate Innovation ist ein Kampf, der an zwei Fronten geführt wird.

Was heute in vielen Unternehmen in Sachen Innovation unternommen wird, funktioniert häufig nur für eine Seite der Medaille, Exploitation. Inkrementelle Verbesserung gehört hierzu. Es geht darum, das Bestehende besser zu machen, die Herstellung effizienter. Ein Maßstab hierfür ist der “Strategic Fit“, passt das Vorhaben zur Produktstrategie des Unternehmens.

“Exploration”-Projekte folgen einer anderen Logik: Vielleicht suchen wir gerade die strategischen “Außenseiter”? Definitionsgemäß werden Explorationsprojekte ins Leben gerufen, um “jenseits” dessen zu innovieren, was sich bereits in der Entwicklung befindet. Es ist daher sehr wahrscheinlich, dass sie außerhalb des aktuellen strategischen Fokus liegen werden.

Der eigentliche Zweck von Explorationsprojekten ist es, das gegenwärtige Denken in Frage zu stellen. Deshalb ist jedes Explorationsprojekt, das die “Strategic Fit”-Anforderung erfüllt, mit Argwohn zu betrachten: Haben wir wirklich die Herausforderung angenommen, jenseits des Bestehenden zu suchen oder geben wir dem vertrauten Vorgehen nur einen neuen Anstrich? Die erste Hürde, die ein solches Explorationsprojekt zu nehmen hat, ist daher die des “Strategic Misfit“. Nur so können wir sicher sein, das Spiel zu verändern.

Eine “Ambidextreous Organization” benötigt jedoch zwingend auch “Ambidextreous Leader”. Es braucht Führungskräfte, die sich in solchen Umgebungen wohlfühlen. Führungskräfte, die ein Gespür dafür haben, wann sie den Stift „in die andere Hand“ nehmen müssen.

Wenn es um die Beidhändigkeit geht — die Fähigkeit, sowohl Exploitation- als auch Exploration-Projekte durchzuführen — zählt der persönliche Führungsstil. So geht es bei der Exploration um “positive Beeinflussung“: Man trifft auf funktions- und bereichsübergreifende Teams, es gibt Stakeholder innerhalb und außerhalb der Organisation, die als Partner gewonnen werden müssen. Führungskräfte können sich hier zumeist nicht auf ihren Einfluss und Rang in der Organisation verlassen, um die Projekte zum Erfolg zu führen. Ihre Haltung sollte daher viel stärker als sonst auf Offenheit für Veränderung und dem Anspruch, “Zustimmung“ und Gemeinsamkeit zu erzeugen, basieren. Aus dem Manager, der ansagt, wird der “Influencer“ und “Storyteller”.

Free Your Mind

Der “Ambidextrous Leader“ wird damit zum “Last Man Standing“ gegen die Tendenz vieler Unternehmen, in die “Scalable Efficiency“ Falle zu tappen. Und warum dieses Konzept, das Ronald Coase bereits 1937 als den größten Wachstumsfaktor für große Organisationen identifiziert hat, heute nicht mehr funktioniert, hat John Hagel während des German Summit der SingularityU eindrücklich dargelegt: Das Bestreben der Unternehmen ist es, Aufgaben hoch standardisiert zu gestalten, um so Effizienz zu erreichen. Alle Schritte zur Erledigung der Aufgaben sind ins Unternehmen integriert und in Prozessen abgebildet, alles was den Status Quo challenged, wird beseitigt. Es liegt auf der Hand, dass damit echte Innovation nicht möglich ist. Diese braucht Neugier, Kreativität, Vorstellungskraft, soziale und emotionale Intelligenz, Eigenschaften, die in der Welt der “Scalable Efficiency“ stören würden.

Aus all dem wird klar: Exzellenz in Innovation und Organisationsentwicklung sind zwei Seiten derselben Medaille. Wissenschaftler etwa müssen sich, genau wie Unternehmer, gegen das System des Status Quo stemmen, um ihre Theorien und Hypothesen zu verkaufen. Tolle Ideen machen anfänglich oft keinen Sinn. Das ist die Kraft einer dem gesunden Menschenverstand widersprechenden Denkweise, das sogenannte “counterintuitive mindset”: Sie wird Ihnen helfen, Probleme in schwierigen und herausfordernden Zeiten aus einem neuen Blickwinkel zu betrachten.

Also, etablieren Sie eine Kultur der freien und furchtlosen Köpfe, übernehmen Sie Verantwortung und handeln Sie selbst. Und vielleicht glaubt Ihr Unternehmen daran, mit einem Innovation Lab einem solchen Mindset in den Sattel zu helfen. Dann allerdings sollten Sie es so machen, wie John Hagel es von erfolgreichen Beispielen berichtet: “Nehmen Sie das Geld und die Leute für das Vorhaben, gehen Sie auf die grüne Wiese und starten Sie die Suche nach dem Unbekannten. Aber kommen Sie auf gar keinen Fall zurück!“

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Der Autor

Als Management-Berater, Coach und Business Activist beschäftigt Marc Freysich seit vielen Jahren mit der Frage, wie Führungskräfte und Unternehmen sich wandeln können, um die Herausforderungen in einer digitalen und komplexen Welt zu meistern. Er ist Mitbegründer der Unternehmens- und Innovationsberatung Simplify Business Innovators im Silicon Valley und Berlin.

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Marc Frey
Simplify Innovators

As Business Activist, Innovation and Change Facilitator and Leadership Coach my passion is to help companies and people growing to the better.