Blick vom See auf die Stadt Murten und die dahinter liegenden Hügelzüge.
Die Stadt Murten — der See geht in Land über.

Eine Liaison von Tradition und Innovation

Die Stadt Murten hat einen neuen Auftritt. Frisch, lebendig und freundlich widerspiegelt er den Charakter der Organisation. Wie ist das Erscheinungsbild begründet und was hat es zu bedeuten? Und warum funktioniert das Wappen in seiner bekannten Form für den zeitgemässen Auftritt der Stadtverwaltung nicht? Wir liefern die Antworten in diesem Artikel.

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8 min readJul 2, 2020

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Broschüre und Visitenkarten der Stadtbehörden Murten
Broschüre und Visitenkarten mit neuer Ausstrahlung

Murten im Übergang

In Murten, am Eingangstor zur welschen Schweiz, geht die deutsche in die französische Sprache über. Menschen unterschiedlicher Kulturen leben zusammen, arbeiten oder besuchen den Ort als Touristen, Kulturinteressierte, Sportlerinnen oder Geniesser. Mit einer hohen Wohn- und Lebensqualität und mit seiner zentralen Lage ist Murten ein idealer Standort für Gewerbe- und Industriebetriebe. Viele Veranstaltungen haben zudem mittlerweile einen fixen Platz in der nationalen Kulturagenda.

Gegenüberstellung Fotografie der Stadt Murten mit Blick vom See und Linienverlauf des Gestaltungskonzeptes
Der Übergang als abstraktes Gestaltungsprinzip

Murten steht aber auch für den Wandel von Tradition zu Innovation. Die Historie, die sich heute besonders in der Architektur manifestiert, wird durch moderne Industriebetriebe und unzählige zeitgemässe Angebote kontrastiert. Gegenüber dem Mont-Vully taucht die historische Zähringerstadt mit ihrer prägnanten Silhouette aus dem Murtensee auf. Dieser Übergang von Land, Stadt und See ist einmalig und charakteristisch. Kein Wunder ist er Thema und Titel der Gestaltungslinie, mit der wir, nach intensiver Zusammenarbeit mit der Kundin, den Gesamtgemeinderat überzeugen konnten.

Mit Feingefühl in die Gegenwart

Eine zentrale Frage stand von Beginn weg im Raum: Will man das bestehende Wappen, das den Murtner Löwen¹ zeigt und den Auftritt bis anhin als einziges visuelles Element prägte, unverändert weiterverwenden oder soll ein neues, abstraktes Logo kreiert werden? Das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung in den vorbereitenden Workshops mit der Kundin war einstimmig der Mittelweg.

Der Murtner Löwe soll weiterhin für die Behörden der Stadt Murten stehen. Er widerspiegelt unmissverständlich die Geschichte des Ortes und gilt seit dem Mittelalter als offizielles Zeichen der Stadt. Das Emblem ist in den Köpfen verankert und unterstreicht den offiziellen Charakter. Wir bauen damit auf das Bewährte auf und profitieren dadurch von der Wiedererkennung, die das Symbol erzeugt und dem Vertrauen, das es vermittelt.

Im Mittelalter schafften Wappen auf Schildern und Fahnen der Ritter Wiedererkennung und Zugehörigkeit. Plakativität war dafür die Voraussetzung. Für den Einsatz auf kleinen Anwendungen waren die Symbole nicht gedacht. Obwohl es die Heraldik (Wappenkunde) zugelassen hätte, wurde die detaillierte Zeichnung des Murtner Löwens nie für den heutigen Gebrauch als Zeichen einer Organisation angepasst. Sofern das Resultat der im amtlichen Wappenregister hinterlegten Blasonierung¹ (fachsprachliche Beschreibung eines Wappens) entspricht, bestehen nämlich gewisse gestalterische Freiheiten².

«In Silber ein gelbgekrönter und bewährter roter Löwe auf grünem Dreiberg.»

Logo

Damit das Zeichen zeitgemässen Anforderungen standhalten kann, führte kein Weg an einer Vereinfachung der Formensprache vorbei. Mit der Überarbeitung wollte man auch dem in der vorgelagerten Diskussion mit der Kundin gesteckten Ziel der Modernisierung Rechnung tragen. Der feste Zusatz «Murten/Morat» und die Kennzeichnung der jeweiligen Organisationseinheit in Deutsch und Französisch auf der Unterzeile machen das Zeichen zum eindeutigen und trennscharfen Logo der Stadtbehörden Murten. Die Lesbarkeit ist damit in allen Kanälen gewährleistet.

Das Logo der Stadtschreiberei Murten
Das Logo der Stadtschreiberei Murten

Die Abstimmung der Gestaltung erfolgte im Austausch mit Leonardo Broillet, Staatsarchivar Stv. und Verantwortlicher für Heraldikfragen beim Staatsarchiv Freiburg. Den endgültigen Entwurf kommentierte er folgendermassen:

«Ein modernes und stilisiertes Logo, das den Vorzug hat, sehr stark vom Wappen inspiriert zu sein, dessen Gegenstand und Farben es respektiert.»

Künftig bestehen also das Wappen als historisches Hoheitszeichen der Stadt und das Logo als Kennzeichnung der Stadtbehörden und ihren Leistungen nebeneinander. Mit dem Unterschied, dass das Logo bewusst die Regeln der modernen Kommunikation denen der historischen Heraldik vorzieht. Die anderen Gemeinden und Städte, die zuvor als Massstab definiert wurden (Bern, Thun und Burgdorf), handhaben dies ebenso.

Der Auftritt als lebendiges Gestaltungssystem

Wiedererkennbarkeit erreicht das zeitgemässe und medienunabhängige Erscheinungsbild, auch Corporate Design genannt, nicht durch den alleinigen Einsatz eines Logos. Wir im Büro skop verstehen und konzipieren Erscheinungsbilder als lebendige Gestaltungssysteme. Mit dem Ziel, durch das koordinierte Zusammenspiel der unterschiedlichen Gestaltungselemente die im Vorfeld mit der Kundin gemeinsam entwickelte Organisations-Persönlichkeit zum Ausdruck zu bringen.

«Das Interface ist die Marke, nicht das Logo.»³

Farbiger Linienverlauf

Allem voran stellten wir dem Logo mit einem farbigen Linienverlauf ein augenfälliges Gestaltungselement gegenüber. Assoziationen mit Lichtreflexen auf der Wasseroberfläche sind gewollt. Exemplarisch für den eingangs besprochenen, für Murten charakteristischen Übergang, inszenieren wir die Verbindung von See und Landschaft auf abstrakter Ebene. Am Horizont taucht die Altstadt von Murten auf. So unsere Interpretation des Rechtecks, das den harmonischen Verlauf vom rechten Seitenrand her durchbricht.

Die vier neuen Farbtöne, welche mit denen aus der Wappenkunde abgeleiteten harmonieren, sind ebenfalls von Murten und seiner Umgebung inspiriert: Das Rot der Ziegel, das Grün der Landschaft, das Blau des Sees und das Gelb des Sonnenlichts versetzen den Betrachter in eine Stimmung, die für Murten typisch ist.

Übersicht über mögliche Titelseiten zukünftiger Broschüren
Mögliche Titelseiten zukünftiger Broschüren

Typografie

Neben dem plakativen Element braucht es jedoch noch mehr für eine gesamtheitliche und eigenständige Kommunikation. Inhalte werden durch Schrift vermittelt. Gerade bei der Typografie lohnt es sich, genau hinzuschauen.

Mit ihrem ausgeprägten vertikalen Rhythmus kontrastiert die moderne Schrift Gemeli des französischen Typografen Jean-Baptiste Levée die horizontale Schraffur des farbigen Linienverlaufs. Sie erinnerte uns mit ihren breiten und offenen Formen und dem damit einhergehenden blockartigen Charakter an die Stadtmauer Murtens. Ihr gegenüber verfügt die Stuart des Schweizer Schriftgestalters Matthieu Cortat über «Füsschen». Die so genannten Serifen schliessen Buchstaben quer zu ihrer Grundrichtung ab, stabilisieren so die Schriftzeile und tragen insbesondere bei längeren Texten zu einer einwandfreien Lesbarkeit bei. Ganz der Tradition verpflichtet, verleiht die Referenz zur Breitfeder, mit der Lettern früher gezeichnet wurden, der Stuart einen zugänglichen und menschlichen Duktus. Die Hausschrift der Stadt Lausanne stammt übrigens ebenfalls von Cortat.

Um den reibungslosen Austausch von Bürodokumenten zu gewährleisten und Lizenzkosten für eingebundene Schriften zu umgehen, wurden den beiden Hausschriften ähnliche Microsoft-Systemschriften zur Seite gestellt.

Die Hausschriften Gemeli und Stuart ergänzen sich dem Thema entsprechend.

Bildwelt

Ebenfalls wurden sogenannte Schlüsselbilder produziert. «Begegnung» ist der Titel des aus der Organisations-Persönlichkeit geschöpften Bildkonzeptes. Fotografien von Murtnerinnen und Murtnern in ihren Alltagssituationen erweitern das Gestaltungskonzept. Die bewusste Abkehr von der rein touristischen Sichtweise, welche bereits von anderen Murtner Organisationen besetzt ist, hat neben der Eigenständigkeit zum Ziel, die Nähe zu den Bürger*innen zu unterstreichen.

Murtnerinnen und Murtner stehen im Fokus der neuen Bildwelt.

Das Schweizer Radio (SRF) hat das Fotoshooting begleitet. Hören Sie im Beitrag vom Regionaljournal Bern Freiburg Wallis was Bürger*innen dazu bewegte, für ihr Murten zu posieren.

Persönliche Kommunikation

Aus der Vorarbeit mit der Kundin resultierte das Bedürfnis, die persönliche Kundenbindung zu verstärken. Ab dem ersten Kontakt soll die Beziehung zur zuständigen Ansprechperson etabliert und nachvollziehbar sein. Neben der Kennzeichnung der Organisationseinheit auf oberster Logo-Ebene setzte sich dieser Anspruch im Briefverkehr, der bei einer Stadtbehörde immer noch als einer der zentralen Kommunikationskanäle zu behandeln ist, fort. Neu sind daher auf den Briefvorlagen auch die persönlichen Koordinaten der Mitarbeitenden zu finden.

Direkte Kommunikation dank Briefschaft mit persönlichen Absenderangaben und Logos der Organisationseinheiten.

Auch in der digitalen Kommunikation hat man sich weitestgehend von den allgemeinen E-Mail-Adressen verabschiedet. E-Mail Signaturen und Absenderangaben auf Visitenkarten folgen neu der gleichen Systematik.

Vorlagen für Bürodokumente

Die Kommunikation wurde auch auf der organisatorischen Ebene vereinfacht. Mit der Einführung einer globalen Vorlagenverwaltung für Microsoft Office wird den Mitarbeitenden das Erfassen von Briefen und E-Mails erleichtert. Persönliche Absenderangaben sind nach Rollen hinterlegt, Briefvorlagen und Textblöcke für die gängige Korrespondenz stehen auf Abruf bereit. Neben der Effizienzsteigerung im Büroalltag schaffen wir durch die Harmonisierung der Kommunikation Vertrauen.

Druckbogen auf dem Normlicht-Abstimmtisch in der Druckerei
Farbabstimmung in der Druckerei

Papiere

Nachhaltig soll sie sein, so der Konsens bei der Charakterisierung der Organisations-Persönlichkeit im Vorfeld. Diesem Anspruch tragen wir auch bei der Papierwahl Rechnung. Für die Bürokommunikation wird künftig durchgängig das weisse Recyclingpapier Refutura eingesetzt. Die Auszeichnung mit dem Umweltzeichen «Blauer Engel» bestätigt vertrauenswürdig die bestmögliche Umweltverträglichkeit. Wie wir später erfahren haben, ist dasselbe Papier bereits beim Staat Freiburg erfolgreich im Einsatz.

Dokumentation

Das Zusammenspiel der Gestaltungselemente will orchestriert sein. Mit einer Online Dokumentation stellen wir einen Werkzeugkasten mit greifbaren Logo- und Gestaltungselementen bereit und befähigen damit die Stadtverwaltung Murten und ihre Partner effizient und einheitlich zu kommunizieren. Die Organisations-Persönlichkeit ist ein lebendiges Wesen. Zeitgemässe Erscheinungsbilder können darauf reagieren und bringen die Fähigkeit mit, sich stetig weiterzuentwickeln. Unsere Dokumentation baut auf diesem Ansatz auf und garantiert damit eine nachhaltig konsistente Gesamterscheinung.

Ein Blick nach vorne

Mit der Briefschaft und dem Magazin «Info-Murten» (Publikationsorgan der Stadt) wurden die ersten zentralen Kommunikationsanwendungen umgesetzt. Sie werden bald die Möglichkeit haben, das besprochene Gestaltungskonzept auch im Raum zu erfahren. Das Rathaus wurde im Frühsommer fertig renoviert. Das neue Wegleitsystem, ebenfalls aus unserem Hause, wird die Besuchenden an ihr Ziel führen.

Auch in digitalen Medien wird das Erscheinungsbild erlebbar werden. Die Überarbeitung der Website murten-morat.ch war schon vor unserem Gestaltungsprozess beschlossene Sache. Zurzeit entstehen Navigationsarchitektur und Screendesign auf der Grundlage unseres Gestaltungssystems. Die Lancierung ist Ende 2020 geplant.

Gewappnet für die Zukunft

Zeitgemässe Erscheinungsbilder sind die visuelle Repräsentation der Organisations-Persönlichkeit und damit, entgegen der weit verbreiteten Meinung, weit mehr als reine Logos. Sie entfalten Ihre Wirkung durch das koordinierte Zusammenspiel von Gestaltungselementen an den unzähligen Publikums-Kontaktpunkten.

Möchten Sie mehr dazu erfahren und interessiert es Sie, wie das Erscheinungsbild der Stadt Murten entstanden ist? Dann empfehlen wir Ihnen unseren Artikel «Transformation durch Dialog».

Der neue Auftritt steht sinnbildlich für Wandel und Übergang und hebt sich von anderen Gemeinden und Städten sowie von der alten Erscheinung deutlich ab. Durch ein lebendiges Gestaltungssystem werden die Leistungen der Stadtbehörden Murten in allen bestehenden und zukünftigen Kanälen konsistent sichtbar. Zusammen mit dem verstärkten Anspruch an den persönlichen Kontakt schafft das nachhaltig Vertrauen in die Organisation.

Ein grosser Schritt ist getan — Murten ist gerüstet für die Kommunikation der Zukunft.

Impressum

Literaturnachweis

  • ¹ Fribourg: Armorial illustré des communes fribourgeoises — Illustriertes Wappenbuch der freiburgischen Gemeinden, Chapelles-sur-Moudon (1981), S. 72, 168
  • ² Wappenbuch des Kantons Bern, Staatlicher Lehrmittelverlag (1981), S. 37
  • ³ Spies, M. (2018), Branded Interactions, Verlag Hermann Schmidt

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skop war ein Büro für Kommunikationsdesign in Bern. Wir gestalteten und wandelten Botschaften in Erlebnisse, on- und offline. 2014–2021