(Un)gleiche Brüder — Huawei P20 & P20 Pro

Lukas Wenzel
Smartphone Magazin
Published in
6 min readMay 18, 2018

Zwei Smartphones mit fast gleicher Optik, starken Kameras und jeder Menge Features. Wo liegen Unterschiede und Gemeinsamkeiten? Und zahlt sich der Aufpreis für die Pro-Variante aus?

Ende März lud Huawei zur Pressekonferenz nach Paris. Spätestens mit der Ankunft beim „Grand Palais“, in dem die P20-Serie erstmals öffentlich gezeigt wurde, war klar, dass Huawei Großes vorhat. Mehr als 1.000 Journalisten aus aller Welt waren geladen, um das P20 und das P20 Pro zu Gesicht zu bekommen.

Bereits erhältlich

Mittlerweile sind beide Modelle (und auch der dritte Bruder im Bunde, das P20 lite) in Deutschland und Österreich erhältlich. Das vergleichsweise günstige Lite-Modell wurde bereits im Vorfeld des Events präsentiert, einen Test liefern wir gegebenenfalls nach.

Wir nutzen das P20 Pro seit dem Event in Paris , das P20 ohne Beinamen traf dann drei Wochen vor Redaktionsschluss bei uns ein. Dieser Test behandelt beide Phones, wir zeigen Unterschiede und die (vielen) Gemeinsamkeiten auf und verraten, ob sich der Kauf der doch erheblich teureren Pro-Variante überhaupt lohnt.

Bekannte Hardware

Sonderlich spektakulär war der Show-Abschnitt über die inneren Bestandteile beider Modelle nicht. Warum? In beiden Fällen ist die Konfiguration zu großen Teilen vom Mate10 Pro bekannt. Huawei hat die meisten Bestandteile übernommen, was aber nicht weiter verwundert — immerhin ist das Mate-Modell auch noch nicht allzu alt. Natürlich hat Huawei aber an einigen Stellschrauben gedreht und beispielsweise EMUI 8.1 überarbeitet und perfekt mit Android 8.1 abgestimmt. 6 GB RAM sind beim P20 Pro vom Mate10 Pro bekannt, 128 GB Festspeicher und der Kirin 970 als Rechenzentrale mit KI-Unterstützung ebenfalls. Insofern war abzusehen, in welchem Bereich sich das P20 Pro in unserer Rangliste ansiedeln wird. Das Mate 10 Pro liegt in Sachen Leistung in den Top 10, das P20 Pro ebenso — und erreicht sogar marginal bessere Ergebnisse. Die Konkurrenz von Samsung oder Sony hat die Nase allerdings vorne — deutlicher, als Huawei es lieb sein dürfte. Im Geekbench-Benchmark, der die Leistungsfähigkeit der Hardware misst, erreicht der Exynos 9810 des Samsung Galaxy S9+ um teilweise mehr als 20 Prozent bessere Ergebnisse. In diesem Preis- und Performance-Bereich laufen aber ohnehin sämtliche Aktionen reibungslos, unsere Kritik ist auf sehr hohem Niveau.

Etwas weniger Power ohne Pro

Das P20 steht dem Bruder mit dem Pro-Attribut in Sachen Performance um nicht allzu viel nach. Der Prozessor bleibt gleich, kann aber „nur“ auf 4 GB RAM zugreifen. Das hat marginale Einbußen in den Benchmark-Tests zur Folge, nicht einmal fünf Prozent unter den Ergebnissen des P20 Pro liegen die Leistungstest-Ergebnisse des P20. Das ist absolut betrachtet immer noch top, das P20 befindet sich in unmittelbarer Gesellschaft eines Mate10 Pro oder eines HTC U11.

Unterschiede zuhauf

Wo liegen nun aber die Unterschiede, die eine Preisdifferenz von über 200 Euro (laut UVP) rechtfertigen? Am auffälligsten ist die Abweichung beim Display. Nicht nur, dass Huawei den Bildschirm des P20 um 0,3 Zoll kleiner gestaltete als beim P20 Pro, auch die Technologie ist eine andere.

Das P20 Pro besitzt ein OLED-Panel mit einer Diagonale von 6,1 Zoll und einer Auflösung von 2.240 x 1.080 Pixeln. Die ungewöhnlichen Werte sind durch das ebenfalls nicht übliche Seitenverhältnis von 18,7 : 9 bedingt.

Das Display an sich gibt gar keinen Anlass zur Klage. Sämtliche Inhalte sind nicht nur gut unter freiem Himmel zu erkennen, dank der OLED-Technologie sind die Farben naturgemäß kräftig und kontrastreich. Die Helligkeitswerte fallen zwar ein wenig ab, für einen Platz im besseren Mittelfeld reicht es aber allemal.

Auch das P20 hat ein zumindest gutes Display. Aufgrund der verwendeten IPS-LCD-Technologie ist der Kontrast weniger kräftig und der Schwarzwert geringer, kritisieren können wir aber auch hier nichts. Es ist zu einem guten Teil subjektiv, welche Display-Technologie als besser oder ansprechender wahrgenommen wird. Objektiv betrachtet sind beide Displays einwandfrei gelungen, einzig in puncto Helligkeit sind einige Konkurrenten besser aufgestellt.

iPhone X?

Zumindest gewöhnungsbedürftig dürfte hingegen für den einen oder anderen Nutzer der „Notch“ sein, also die Auslassung am oberen Rahmen, die beide Modelle gemeinsam haben. Hier sind Kamera und Sensoren untergebracht. Wer mag, kann softwareseitig aber auch einen herkömmlichen Rahmen wählen, dann wird oben virtuell ein schwarzer Balken eingezogen. Das sorgt zwar für einen geraden Abschluss, hat aber Einbußen in der Display-Diagonale zur Folge.

HUAWEI SPENDIERT BEIDEN MODELLEN TOLLE KNIPSEN.

Zwei oder drei Kameras?

Der zweite Unterschied ist auf der gegenüberliegenden Seite des Displays zu finden. Während das P20 mit einer Dual-Kamera auskommen muss, spendiert Huawei dem Pro-Modell eine Triple-Kamera und damit die erste Smartphonekamera mit drei Objektiven. Die vor wenigen Jahren verkündete Kooperation mit Leica bleibt bestehen. Der Fingerprintsensor befindet sich übrigens bei beiden Geräten an der Vorderseite — auf Nachfrage, um eine optische Abgrenzung zur Mate-Serie zu schaffen.

Hervorragende Resultate

Beginnen wir mit der Kamera des P20 Pro: In unserem Labortest waren die Ergebnisse der Kamera hervorragend, im alltäglichen Einsatz ließen die Knipsen vor allem bei schwierigen Verhältnissen ihre Muskeln spielen. Dank des 8-MP-Telesensors gelingen Fotos auch bei höheren Zoomstufen, während der 40 MP-RGB-Sensor in Kombination mit dem 20 MP-Monochrom-Sensor kontrastreiche Aufnahmen garantiert. Vor allem in der Nacht konnten wir ausgezeichnete Ergebnisse erzielen, was auch dem ISO-Wert von 102.400 geschuldet ist. An der Vorderseite ist eine 24 MP-Knipse verbaut, die ebenfalls überzeugt. In unserem Test musste das P20 Pro gegen die Konkurrenz rund um das Galaxy S9 Plus, das iPhone X und das Sony Xperia XZ2 antreten — und hinterließ insgesamt den besten Eindruck.

Verdienter Sieger

Wenn Huawei die Kamera vollmundig als „Game Changer“ bezeichnet, mag das wie ein üblicher Marketingslogan wirken — nur stimmt der in diesem Fall tatsächlich. Wer unserem Urteil nicht bedingungslos traut: Die Experten von DxOMark gelten als weltweite Richtschnur für die Messung von Kamera- und Bildqualität. Das Resultat des Huawei P20 Pro: 109 Punkte und damit sieben Punkte mehr als der Zweitplatzierte, das Huawei P20 (102 Punkte). Auf den Plätzen folgen das Samsung Galaxy S9 Plus (99 Punkte) und das Pixel 2 mit 98 Punkten.

Spannend ist hier vor allem, dass das P20 mit dem „Pro“-Bruder zumindest mithalten kann und ebenfalls die 100 Punkte-Schallmauer knackt. Entsprechend überzeugend sind auch hier die Fotos. Huawei verzichtet beim P20 allerdings auf das dritte Tele-Objektiv und verbaut etwas andere Sensoren als beim P20 Pro. Auf die tolle Zoomfunktion des P20 Pro muss der Fotograf beim „Standard-P20“ also verzichten.

Die Kooperation mit Leica greift indes auch hier, ebenso wie die Einbindung der hauseigenen KI. Die künstliche Intelligenz wertet das Setup noch einmal auf, vor allem bei schlechten Lichtbedingungen bessert die Software sinnvoll nach. Wer sich auf die KI-Unterstützung verlässt, wird auch mit dem P20 hervorragende Fotos schießen. In den Details und bei schnellen Schnappschüssen hat das Pro-Modell aber die Nase vorne, wenn auch nur leicht.

Mehr Wissen für die KI

Softwareseitig wurde die KI bei beiden Modellen abermals verstärkt, damit die Kamera stets in der Lage ist, die Einstellungen perfekt zu optimieren. Das merkt der Fotograf auch im Betrieb, abhängig von Motiv und Umgebung legt die Kamera alle Parameter autonom fest. Wer mag, kann im Pro-Modus aber natürlich auch eingreifen.

Die Frontlinse (24 MP bei beiden Phones) spielt eine große Rolle für die Gesichtsentsperrung, die in unserem Test akkurat funktionierte und das P20 (Pro) nahtlos in den aktiven Zustand versetzt. Fotos macht diese Kamera auch, in brauchbarer Qualität und auf Wunsch mit einigen ganz nützlichen Software-Nachbesserungen.

Noch ein paar Worte zu den Akkus: Die 4.000 mAh des P20 Pro liefern bessere Ergebnisse als die 3.400 mAh-Zelle des P20. Deutlich über zehn Stunden durchgängigen Videospaß garantieren beide Phones.

Fazit

Ein Blick nach rechts sagt (fast) alles: Sowohl das P20 als auch das P20 Pro überzeugen auf ganzer Linie. Das „Pro“ ist vor allem bei der Kamera noch eine Stufe besser, bietet etwas mehr RAM und das größere Display — kostet aber auch erheblich mehr. Wir können für beide Phones eine Empfehlung aussprechen.

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