Plädoyer für mehr konstruktive Konfrontation

Dominic Weber
Solettres | Universität Basel
2 min readMay 8, 2016
© Anaïs Steiner

Einer unserer früheren Beiträge hat bereits das Verhältnis beziehungsweise die Abgrenzung zwischen Lyrik und Poetry Slam angeschnitten. Eine ähnliche Thematik wurde auch im Zukunftsatelier Buch_Text mit Jürg Halter angesprochen.

Er beobachte und bedauere, dass sich junge, moderne Lyrik und Poetry Slam viel zu selten aus den Schubladen herausbewegen, die sie sich, unter Anleitung von Kritikern und Publikum, selbst zimmere. Erstere sei viel zu selbstreferenziell und zwanghaft kryptisch, während Letztere um jeden Preis die Erwartungen der Zuhörer erfüllen wolle. Stets im Zeichen von Ordnung und Vergleichbarkeit.

Aus jenen Beobachtungen entwickelt Halter ein flammendes Plädoyer für mehr konstruktive Konfrontation in der freien Literatur- und Kunstszene, welche doch sehr brav und konsensorientiert sei. Ein Appell für mehr geistige Beweglichkeit.

Wein predigen und Wein trinken

Jürg Halters Gedichtbände gehen, in Kooperation mit anderen Künstlern, mit gutem Beispiel voran. In Zusammenarbeit mit dem japanischen Schriftsteller Shuntaro Tanikawa veröffentlichte er bereits einen im Mailverkehr entstandenen, dialogischen Gedichtband. Ein zweiter solcher Band, mit sich abwechselnden Gedichten, wird im Herbst erscheinen.

Vor zwei Jahren veröffentlichte er mit dem Künstlerduo Huber.Huber das Buch Hoffentlich verliebe ich mich nicht in dich, in welchem Fotos und Gedichte einander abwechseln. Dabei wurde Halter jeweils ein Foto zugeschickt, zu welchem das Gedicht dann verfasst wurde.

Solche dialogischen Formen des Schaffens und der wechselseitigen Inspiration, machen selbstverständlich nur einen Teil des Methodenrepertoirs aus, welche Künstler, Gattungen, Schubladen aufeinanderprallen lassen. Kollisionen und Kooperationen sind durchaus auch dazu geeignet, die strenge Lyrik vom zitathaften wegzulocken und dazu anzustiften, das Alltägliche zurückzuerobern — oder den Poetry Slam vom pointenorientieren Possenreissen. Will sagen, beide werden dazu ermuntert, aus ihren Schubladen herauszutreten und sich gegenseitig zum Tanz aufzufordern. Frei nach dem Motto it takes two to tango… und auch ein bisschen Mut zur Nähe.

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