Franz Hohler for President!

Ein Kurzinterview

Jonathan Tadres
Solettres | Universität Basel
2 min readMay 8, 2016

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Wir: Lieber Herr Hohler, wie fühlt sich eine Schreibblockade an?

Franz Hohler:

Wir: Wo holen Sie Inspiration?

Franz Hohler: Inspiration stellt sich ein, wenn ich das Leben weiterdenke.

Wir: Was bleibt von einem Buch?

Franz Hohler: Das ist sehr unterschiedlich und bei jedem Buch etwas anderes. Ein Buch kann ich vollkommen vergessen; ja, das ist sogar der Normalfall. Doch oft bleiben Stimmung, Atmosphäre oder Geschichte.

Nehmen wir z.B. Die Stadt der Diebe von David Benioff. Es ist das letzte Buch, das ich gelesen habe. Darin geht es um die Belagerung von Leningrad — heute St. Petersburg — durch die Deutschen. Ich habe es anlässlich meines Besuches in Russland gelesen, ein Besuch, das zu einer intensiven Beschäftigung mit der 90-tägigen Belagerung der Stadt durch die Deutschen im zweiten Weltkrieg führte.

Natürlich hat die Geschichte etwas mit dem Grossvater des Autors zu tun. Es ist eine Geschichte, bei der ich das Gefühl habe, dass sie mir länger als nur ein paar Wochen bleiben wird. Benioff verfügt über das Talent, etwas Tragisches komisch zu schreiben.

Das ist auch meine eigene Neigung zur Komik. Ich will keine Komik der Oberflächlichkeit. Es gibt nur wenige Werke, die in der Lage sind, Ernstes komisch darzustellen.

Oder nehmen wir z.B. Jakob der Lügner von Jurek Becker. Es ist sehr lange her, aber ich kann mich immer noch an die Atmosphäre im Buch erinnern. Figuren, die versuchen, eine Leere zu füllen, die versuchen, Fiktionen aufrecht zu erhalten, sind interessant. Sie kommen, z.B. aufgrund einer Lüge, in etwas herein und kommen nicht mehr raus. Sie müssen immer weiter.

Bei anderen Büchern bleibt mir etwas ganz anderes. Die Frage ist so schwierig zu beantworten. Was bleibt von einem guten Essen? Es ist individuell, auf die Bücher bezogen, auf die Leser.

Obwohl ‘gut’ immer ein sehr subjektiver Begriff ist, also relativ, bleiben gute Bücher. Das Buch, dass ich nicht gut finde, lese ich nicht fertig. Aber ich habe eine 30 Seiten Regel: Bevor ich ein Buch weglege, lese ich 30 Seiten — ich gebe dem Buch eine Chance. In diesen Seiten sollte etwas erklingen.

Wir: Vielen Dank!

Franz Hohler: Danke auch.

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