Intime Einblicke in den Medienbetrieb

Basil Buehler
Solettres | Universität Basel
2 min readMay 5, 2016
© Piper Verlag

Der neue Roman von Angelika Waldis Marktplatz der Heimlichkeiten ist ein Blind Date mit angenehmer Zeitbeschränkung. Er behandelt 26 Personen auf je 10–15 Seiten. Bisweilen ist das Blind Date aber von eher unangenehmer Intimität. Man lernt 26 junge und auch ältere Menschen kennen, deren gemeinsamer Nenner ihre Arbeit bei NeoMedia ist. Vom Hauspöstler bis zum Verwaltungsrat wird das professionelle und private Leben mit allen Abgründen und Verstrickungen in kurzen Einblicken beschrieben.

Das Medienhaus als Ansammlung von Sonderlingen, wobei diese Sonderlinge gar nicht so sonderbar sind; das Sonderbarste ist wohl, dass sie so unterschiedlich erscheinen. Es sind normale Menschen, eingegliedert in die Hierarchie eines grossen, profitorientierten Unternehmens. Jeder oder jede hat eine Leiche im Keller, was sie interessanter macht, als ihre Aussenansicht vermuten lässt. Dabei ertappt sich der Leser als Voyeur: Wenn ein Kapitel über ein mehr oder weniger erfolgreiches, beziehungsweise kaputtes Leben beendet wurde, freut man sich schon, die Abgründe der nächsten im Buch beleuchteten Existenz zu erfahren.

Man fühlt als lesender Medienkonsument diesen Medientrieb, den Drang zur Information, welcher die Medienwelt in den zurzeit vorherrschenden Wandel getrieben hat. Gepaart mit der rasanten Digitalisierung spüren dies auch die Protagonisten des Marktplatzes. Es muss an Personal zurückbuchstabiert werden bei NeoMedia. Dies erfordert manch ein Opfer unter der portraitierten Belegschaft, manche werden während des Buches zu Opfern, andere sind es schon. Sind dies Geschädigte der zunehmenden Gier nach Quantität von Information?

Ich glaube, hier liegt diese Faszination, die ich als Leserin während der Stunden im Marktplatz der Heimlichkeiten gespürt hatte. Der Informationsproduzent wird selbst zur Information. Die Angebots-Akteure produzieren nicht nur, sie inkorporieren dieses Produkt. Dies führt zu einem eigenartigen Gefühl, das Medienprodukt selbst wird dekonstruiert, während das Leben des normalen (Massen-)Menschen eine Aufwertung zum Lesenswerten erfährt. Das Konsumprodukt „Information“ ist völlig beliebig, so wie der produzierende oder konsumierende Mensch völlig beliebig ist.

Umso mehr soll es Spass machen, wenn die Information in einen anständigen Rahmen verpackt ist. Wenn sich hinter der Form der Information ein Konzept verbirgt, das die Beliebigkeit des Konsums unterläuft und uns lesende Konsumenten herausfordert. So geschieht es im Marktplatz der Heimlichkeiten.

Angelika Waldis liest am Samstag, 7. Mai 2016 um 10.00 Uhr in der Säulenhalle des Landhauses aus ihrem neuen Buch.

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