Niemand mag ein UX Konzept medium rare

oder wie und warum man einen Concept Roast durchführt

Thomas Bechberger
sovanta — Design Lab
5 min readNov 5, 2020

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Ein Grill in dessen Rost “UX” zu erkennen ist

Bohrende Fragen zu deinem erarbeiteten UX Konzept können unangenehm sein.

„Warum sollte der Nutzer auf die Idee kommen, diese Funktion zu verwenden?“ „Ist der Nutzer nicht verwirrt, wenn das passiert?“ — Hat man keine zufriedenstellende Antwort parat, kommt man schon mal ins Schwitzen.

Doch selbst die unangenehmste Frage hat etwas Positives: Sie können ein Konzept besser machen! Sie legen offen, wo im Konzept Potenziale vorhanden sind und an welchen Stellen noch nicht alles verstanden wird, also Verbesserungsbedarf besteht.

Um beim Erarbeiten von Konzepten jederzeit die Möglichkeit zu haben, diese kritisch hinterfragen zu lassen, haben wir ein Format entwickelt: Den Concept Roast.

Der Concept Roast ist eine Form der Designkritik. Er hilft dabei, ein UX Konzept nicht nur reifen zu lassen, sondern ist auch schnell und kostengünstig durchführbar.

Während des Concept Roasts zeigt ein UX Designer Kollegen einen erarbeiteten Userflow. Sobald die Kollegen sich über etwas wundern oder etwas nicht verstehen, löchern sie den UX Designer mit kritischen Fragen. Diese Fragen nutzt der UX Designer dann im Nachgang, um das Konzept weiter zu schärfen und zu verbessern.

Prozessgrafik die die Schritte Meeting, Userflow Review, Kritische Fragen, Schwachstellen identifizieren und Verbesserung des Konzepts zeigt

Soweit so einfach. Damit der Concept Roast reibungslos funktioniert, gibt es zwei wichtige Regeln, die eingehalten werden müssen:

1. Kritik nur in Form von Fragen

Das Formulieren als auch das Annehmen von Kritik ist nicht so einfach. Stellt man Fragen zur Anwendung, wird dies seltener als persönliche Kritik aufgefasst. Sie sind leichter anzunehmen.

Um das zu erreichen, sollten die Fragen offen formuliert sein und keine Wertung beinhalten. „Warum ist das Kalender Icon oben rechts platziert?“, ist eine bessere Frage als „Ist das Kalender Icon oben rechts nicht total fehl platziert?“.

Die erste Frage kann man leichter annehmen und sie regt dazu an, nochmals über die Positionierung nachzudenken. Ist die Positionierung begründet, kann der UX Designer die Entscheidung schnell erklären. Bei der zweiten Frage kann es sein, dass der Designer weniger offen für Anpassungen ist oder voreilig eine Änderung macht, ohne selbst genügend darüber nachgedacht zu haben. Die Positionierung war ja bereits als fehlplatziert gebrandmarkt.

2. Lösungsansätze werden nicht diskutiert

Viele, gerade Designer, neigen dazu, wenn sie ein vermeintliches Problem entdecken, sofort nach möglichen Lösungen zu suchen und diese zu diskutieren. Bei der Durchführung des Concept Roasts ist dies aus zwei Gründen untersagt: Zum einen frisst eine Diskussion viel Zeit und würde so verhindern, dass der Concept Roast ein kostengünstiges und schnelles Format bleibt, und zum anderen ist das Erarbeiten von Lösungen in Gruppen nicht immer effizient.

In der Regel ist es besser, wenn sich der verantwortliche Designer die kritischen Fragen mitnimmt und im Nachgang das Konzept überarbeitet. Wird Unterstützung benötigt, kann man auf die Teilnehmer des Concept Roasts zugehen und mit diesen die Lösungsvorschläge diskutieren.

Die beiden Regeln haben sich nach mehreren Durchläufen als diejenigen herauskristallisiert, die uns helfen, dass ein Concept Roast gelingt.

Wenn du den Concept Roast auch einmal an einem deiner Konzepte versuchen willst, mache es gerne so, wie wir:

Vorbereitung

Werde dir zunächst darüber klar, welchen Userflow du testen möchtest. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass die Review eines ganzheitlichen Konzepts mit allen Funktionen zu zeitaufwendig ist.

Erstelle dann für diesen Userflow einen Klickprototypen und formuliere die Aufgabe, die in diesem von den Concept Roast Teilnehmern bewältigt werden soll.

In der Regel führen wir einen Concept Roast mit drei Teilnehmern durch. Als Teilnehmer wählen wir Kollegen, die sich mit der Thematik der Anwendung oder Website auskennen oder andere UX Designer, da diese Experten im Erstellen und Bewerten von Konzepten sind. Wichtig ist, dass kein Teilnehmer an der Erarbeitung des Konzepts beteiligt war, da sie so frei und nicht voreingenommen kritisieren können.

Für den Concept Roast plane mit einem 30 bis 45-minutigem Timeslot. Den Concept Roast kannst du entweder in einem Raum mit Bildschirm, Post-its und einer Stoppuhr durchführen oder remote in einem Videocall unter Zunahme eines online Whiteboards (z. B. Miro oder InVision Freehand). Sorge dafür, dass für jeden Teilnehmer ein Gerät zur Verfügung steht, auf dem er den Klickprototyp benutzen kann.

Durchführung

5 Schritte der Durchführung: Ablauf und Regeln, Projektstory, Userflow vorstellen, Silent Review und Fragenhagel
  1. Ablauf und Regeln 5min

Stelle zunächst den Concept Roast vor und erkläre den Teilnehmern, warum dieser gemacht wird.

Gib ihnen einen Überblick über die Agenda und erkläre die Regeln.

2. Projektgeschichte 5min

Erzähle nun kurz die Geschichte des Projekts, aus dem der Userflow geroastet wird. Erzähle dabei, für welchen Kunden das Projekt ist, wer die Zielgruppe ist und warum die Anwendung benötigt wird.

3. Userflow vorstellen 5 bis 10min

Stelle nun kurz deinen Userflow vor. Erkläre zunächst die Aufgabe, die in dem Userflow bewältigt werden soll und zeige dann den Teilnehmern, wie der Klick-Prototyp zu bedienen ist. Hilf den Teilnehmer Zugriff auf den Klick-Prototypen zu bekommen.

4. Silent Review 10min

Erinnere die Teilnehmer zunächst an die Regeln. Bitte sie in den nächsten 10 Minuten den Klick-Prototypen zu benutzen und jegliche Kritik in Form von Fragen auf Post-its zu schreiben.

(Bsp. „Warum kann ich den Vorgang nicht abbrechen?“, „Was bedeutet das Icon oben rechts?“ oder „Wie entferne ich meinen Eintrag wieder?“). Benutze die Stoppuhr, um die 10 Minuten einzuhalten.

5. Fragenhagel 10 bis 15min

Zum Schluss teilst du den Klick-Prototypen noch mal mit allen. Gehe den Userflow Schritt für Schritt durch. Kommt man im Prototypen jetzt an eine Stelle, für die ein Teilnehmer eine Frage formuliert hat, soll der Teilnehmer diese Frage stellen und gut sichtbar auf dem Whiteboard positionieren. Bitte die Teilnehmer allgemeine Fragen, nachdem ihr den Klick-Prototypen zusammen durchgegangen seid, zu stellen. Es ist für die nachträgliche Auswertung hilfreich, die Fragen auf dem Whiteboard für jeden gezeigten Screen zu clustern.

Schaut euch abschließend die gestellten Fragen zusammen an und schaut kurz, ob noch weitere Fragen formuliert werden müssen.

Dann ist der Concept Roast auch schon wieder vorbei. Bedanke dich bei den Teilnehmern und mach dich an die Nachbereitung.

Nachbereitung

Sobald du alleine bist, nimm dir kurz Zeit, schaue dir die gestellten Fragen an und dokumentiere sie.

Du erkennst schnell, wo Dinge noch nicht verstanden werden und wo noch Verbesserungsbedarf besteht und kannst dein Konzept nun dahingehend verbessern.

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