Mediennutzer als Könige, Richter, Sklaven

Stämpfli Kommunikation
Stämpfli Kommunikation
3 min readApr 22, 2020

Monica Masciadri, Beraterin Kommunikation

In Zeiten von Corona wird sichtbar, welche Unternehmen und Institutionen mit ihren Ansprechgruppen erfolgreich digital kommunizieren, komplexe Projekte auf die Beine stellen und voranbringen. Wer digitale Hilfsmittel zu nutzen weiss, ist klar im Vorteil, um weiterhin effektiv und effizient seine Arbeit zu tun. Wenn wir uns über Digitalisierung unterhalten, sollten wir aber nicht nur von digitalen Werkzeugen und Kommunikationsinstrumenten reden, denn Digitalisierung geht darüber hinaus, alte Prozesse in neuer Form abzubilden. Digitalisierung ist eine Geisteshaltung, ein Transformationsprozess, in dem sich die Strukturen gesamthaft umschichten.

Medien steuern die Richtung und die Geschwindigkeit des digitalen Wandels auf eine ganz besondere Weise. Die klassischen Medien, gedruckt, haptisch erlebbar und intellektuell fassbar, raschelnd, platzeinnehmend und im vollen Zugabteil für zornige Blicke sorgend, sind von den «neuen» globalen Medien verdrängt worden. Sie sind smart, in Einzelteile, sprich einzelne Beiträge zerlegt, sodass wir sie wohlproportioniert lesen, hören oder anschauen können. Auch wenn sich die Erkenntnisse der Studie, die behauptet, Menschen hätten inzwischen eine geringere Aufmerksamkeitsspanne (8 Sekunden) als ein Goldfisch (9 Sekunden), als Mär herausgestellt hat, ist unbestritten, dass die digitalen Medien für uns in erster Linie Zerstreuung bedeuten.

In der digitalen Welt ist alles anders. Nicht weil der Kanal ein anderer ist, sondern weil die Digitalisierung unser Mediennutzungsverhalten komplett verändert hat und weiter verändern wird.

Die «neuen» Medien haben uns alle zu einem Teil der Weltöffentlichkeit gemacht. Wir können jederzeit für wenig Geld mit fast beliebig ausgewählten Menschen rund um die Welt kommunizieren und unsere Meinung ungefiltert verbreiten. Faktencheck? Quellensicherheit? Objektivität? Relevanz der Nachricht? Professionalität des Mediums oder des Schreibenden? Qualitätssicherung in Bezug auf Rechtschreibung gar? Mitnichten! Wir sind als Mediennutzer interaktive Produzenten. Wir verfassen selbst Artikel oder bewerten diejenigen von Journalisten, ergänzen, korrigieren, teilen sie und beeinflussen so die Berichterstattung und die Meinungsbildung ganz massgeblich. Dabei bedienen wir uns grosser Plattformen wie Twitter, Facebook, LinkedIn und Instagram. Diese verdienen sehr viel Geld damit, diesen Prozess zu organisieren. Das ist ein völlig risikofreies Geschäftsmodell. Das Sinken unseres Qualitätsanspruchs an die Berichterstattung in den Medien verhält sich umgekehrt proportional zur Steigerung der Aktienkurse der US-amerikanischen Social-Media-Giganten.

“Die Digitalisierung hat unser Mediennutzungsverhalten komplett verändert”

Wir sind als Nutzer gleichsam Könige, die den Preis diktieren, Richter, welche die Arbeit des Journalisten qualifizieren, Sklaven, weil wir von den Algorithmen in die Sippenhaft genommen werden. All diese Rollen üben wir aus gänzlich freien Stücken aus. Sind wir uns dieser Mehrfachrolle in der Medienwelt bewusst?

Bei der Stämpfli AG setzen wir uns intensiv mit der Frage auseinander, welchen Einfluss das neue Mediennutzungsverhalten auf Verbandsmedien hat. Was bleibt gleich, was ist neu? Wo liegen die Chancen, wo lauern die Gefahren? Wann haben Verbandsmedien eine Daseinsberechtigung? Was sind die Pfeiler einer erfolgreichen Kommunikation zwischen dem Verband und seinen Stakeholdern? Unserer Meinung nach ist es die Kernaufgabe von Verbänden, in hoher Qualität von Fachperson zu Fachperson Relevantes zu vermitteln und gleichzeitig die Interaktion mit dem Lesenden zuzulassen. An der Impuls-Veranstaltung vom 22. Oktober 2020 zum Thema «Die Fachzeitschrift — nur noch Aufwand oder auch Ertrag?» vermitteln wir Wissen aus Theorie und Praxis. Reservieren Sie sich den Termin heute schon.

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