Wie du Erleuchtung im Alltag findest

Steffen Schulz
Steffen Schulz
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5 min readApr 23, 2019

Erleuchtung — bedeutet, dass ich mein Alltagsbewusstsein loslasse, um die Wirklichkeit zu erkennen.

Eine tolle Sache diese Erleuchtung, endlich frei und glücklich — das wünschen sich viele Menschen, auch ich bin einer davon. Um erleuchtet zu werden, unterziehe ich mich täglich gewissen Anstrengungen. Eine davon ist das meditieren. Ich setze mich still auf den Boden, konzentriere mich auf meine Atmung und versuche meine Gedanken zum Schweigen zu bringen. Das tue ich, indem ich aufmerksam darauf achte, welche Gedanken auftauchen, mich aber nicht mit ihnen beschäftige und wieder zu meiner Atmung zurückkehre.

Nichts tun klingt leicht für außenstehende, ist es aber nicht. Still dasitzen ist auf Dauer unangenehm und langweilig; der Fußboden hart und unbequem und die Gedanken werden anfangs nicht weniger, sondern mehr. Wenn ich es aber schaffe, dieses Training über Jahre hinweg täglich durchzuführen, kann ich mich von gedanklichen Rückblicken und Sorgen über meine Zukunft befreien und die Gedanken verschwinden vollkommen. Plötzlich gibt es nur noch das hier und jetzt.

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Leider ist der Weg dahin lang und steinig, die meisten scheitern schon daran täglich einen Zeitpunkt zum Meditieren zu finden.
Zum Glück bin ich von Natur aus zielstrebig. Wenn ich mich für etwas entschieden habe, dann mache ich es auch und bleibe am Ball, egal was passiert. Ich bin also der ganz oder gar nicht Typ und suche immer nach der harten und direkten Methode, um mein Ziel möglichst schnell zu erreichen. Wenn es um die Erleuchtung geht, führt der direkteste Weg, darüber als Mönch in einem Kloster zu leben.

Durch Herausforderungen wie Hitze, wenig Nahrung, noch härtere Fußböden und 18 Stunden tägliches Meditieren, wird das Unbehagen gesteigert; dadurch werden besonders die negativen Gedanken verstärkt und man kommt schneller zur Erleuchtung.

Aber ergibt es überhaupt Sinn nach Thailand zu reisen? Bringt mir die dort erhaltene Erleuchtung etwas, wenn ich nachher nicht mehr dort, sondern hier in der westlichen Welt lebe?
Schließlich habe ich auch hier meine Schwierigkeiten, die ich angehen kann, denen ich sonst wahrscheinlich aus dem Weg gehen würde. Am Ende will ich schließlich hier in Ruhe und Gelassenheit leben.

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Betrachten wir das ganze einmal genau. Was ist im Moment meine größte Herausforderung? Klare Antwort, es ist meine Tochter Briana. Obwohl sie mir alles bedeutet und ich sie bedingungslos liebe, stellt sie mich täglich vor immer neue Aufgaben.

Ich habe das mal verglichen. In einem Kloster muss ich früh aufzustehen, genau wie auch meine Tochter dafür sorgt, dass ich spätestens um 7 Uhr wach bin. Wochenenden gibt es im Kloster nicht und vom Leben mit meiner Tochter, kann ich mir ebenfalls nicht einfach freinehmen. Im Kloster werde ich immer wieder an die Grenzen meiner Selbstbeherrschung geführt; auch das macht meine Briana großartig, indem sie zum Beispiel an einem stressigen Tag, an der Supermarkt-Kasse anfängt bitterlich zu weinen, weil sie ein Schokoladen-Ei möchte und nicht warten will, bis ich es bezahlt habe. Ich muss im Kloster regelmäßig ganze Nächte wach bleiben und meditieren anstatt zu schlafen; wenn meine Tochter krank ist und nur in meinen Armen schaukelnd schlafen kann, ist das eine sehr ähnliche Situation. Zu guter Letzt übt man in einem Kloster seinen Körper und Geist intensiv wahrzunehmen; so wie ich es bei meiner Tochter tue, indem ich spüren muss, wann es Zeit ist ihr zu vertrauen, dass sie ohne mein Zutun genug isst und selbst den richtigen Zeitpunkt für den ersten Besuch auf dem Töpfchen findet.

Beide Situationen ähneln sich erstaunlich. Es gibt so viele, Dinge die ich hier genauso gut wie dort lernen kann. Ich könnte natürlich auch alles auf einer halben Arschbacke absitzen, das Beste daraus machen und hoffen, dass alles gut geht. Aber ich glaube, dass man im Leben nicht nur in der Schule lernt, sondern aus jeder Situation und jeder Begegnung etwas mitnehmen kann und so betrachte ich meine Briana als den glatzköpfigen Mönch, der meinen Lehrmeister darstellt. Sie lehrt mich alles, was ich können muss, um mein Leben besser zu meistern und wie ich ihr gleichzeitig zeige, wie man seine Aufgaben angeht; mit Gewissheit, Beharrlichkeit und Gelassenheit. Ich habe also alle Lektionen, genau auf mich zugeschnitten, direkt vor mir und brauche nicht erst nach Thailand zu fahren um mich zu erleuchten.

Man muss nicht in einem Tempel im Dschungel von Thailand leben, um Erleuchtung zu finden; jeder hat seine Lektionen direkt vor sich.

Photo by Antonio Molinari on Unsplash

Und jetzt frage ich dich. Was sind deine Aufgaben, denen du vielleicht schon lange aus dem Weg gegangen bist? Gibt es etwas, was du gern tun würdest und bisher nicht angefangen hast, weil es dir zu aufwendig erschien? Dann ist wahrscheinlich jetzt der richtige Zeitpunkt um zu beginnen und dich den Misserfolgen und kläglichen Versuchen zu stellen, die auf dem Weg zu deinem Ziel nötig sind. Immer um Hindernisse herumzulaufen, mag für den Moment einfach aussehen, aber mit der Zeit merkst du dann, dass du dir dein Leben damit schwerer machst.

Jeder von uns hat sein Thailand und seinen Lehrmeister. Vielleicht in Form eines Chefs, der dich immer beleidigt; einer Arbeitskollegin, die dich nervt, weil sie ständig über alle lästert, die nicht im Raum sind; es kann auch eine Krankheit sein, mit der du kämpfst oder die Trauer um einen geliebten Menschen, den du verloren hast. Es sind die kleinen Ärgernisse, die täglichen Aufgaben, die Hindernisse und die Zurückweisungen, die uns immer stärker machen. Diese sind unser tägliches Training auf dem Weg zur Erkenntnis.

Solang ich nicht frei von allem bin und es noch Aufgaben hier für mich gibt, denen ich mich stellen kann, ist ein buddhistischer Tempel nicht notwendig um meine Erleuchtung zu finden. Ich werde mich also lieber meinen Aufgaben widmen, die hier jeden Tag auf mich warten.

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Steffen Schulz
Steffen Schulz

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