No Needs — No Business

Mark T. Drexler
Tållbeard Studio
Published in
15 min readOct 27, 2020

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Bedürfnisse des Kunden als Erfolgstreiber des Unternehmens — von Mark T. Drexler

Um was gehts: Bedürfnis als Sinn des Unternehmes > Experience Economy > Experience und Customer Journey > Bedürfnisse als Konzept

Die Antwort auf die Frage, was einem Unternehmen Sinnhaftigkeit verleiht, scheint für viele klar zu sein: Gewinne und Profit zu erzielen.

Aber wer zahlt? Dahinter stecken Bedürfnisse von Menschen die diese, nicht unendlich verfügbare Ressource Geld, Unternehmen oder Dienstleistern abwägend zur Verfügung stellen.

Dein Kunde gibt deiner Unternehmung erst Sinn. Ohne diesen hat deine Unternehmung keinen Zweck.

Was hierbei jedoch oft vernachlässigt wird ist, dass ein höherer Sinn, der über eine reine Gewinn- und Profitmaximierung hinausgeht, einen entscheidenden Faktor für den Erfolg eines Unternehmens und das Tauschgeschäft von Ressourcen darstellt: Die Bedürfnisse der Menschen die die Party bezahlen.

Experience Economy - Warum der Kunde einem Unternehmen Sinn verleiht

Eine Studie des Fraunhofer Instituts, bei welcher 211 Manager aus verschiedenen Unternehmensbranchen befragt wurden, was die wichtigsten Aspekte ihres Unternehmens aufweisen, ergab folgendes Ergebnis: Weniger als 5 % gaben die Auseinandersetzung mit dem Kunden als Antwort an. Viel mehr bezogen sich die Antworten auf Kosten, Finanzen, Organisation und Mitarbeiter. Der Fokus auf den Kunden und dessen Bedürfnisse fällt somit anscheinend an die letzte Stelle.

Dieser Blick vom oberen Management ist in der letzten Zeit mit einem Blick auf die Wertschöpfung der Experience-Ökonomie etwas mehr auf die Erfahrungen der Kunden ausgerichtet worden.

Pine und Gilmore, die den Begriff „Experience Economy“ 1998 eingeführt haben, argumentieren, dass Unternehmen für ihre Kunden unvergessliche Ereignisse orchestrieren müssen, und dass die Erinnerung selbst zum Produkt wird: zur „Erfahrung“. Dabei ist die Erinnerung oftmals entscheidender als die Zeit des Erlebnisses selbst (Pine et al. 2000, S. 245). Fortgeschrittenere Experience-Unternehmen können den Mehrwert der „Transformation“, die ein Erlebnis bietet, in Rechnung stellen. Dies, so argumentieren sie, sei eine natürliche Progression der Wertschöpfung, die das Unternehmen über seine Produktionsleistungen hinaus erbringt. Und in Zeiten der Digitalisierung ist das oft das einzige Alleinstellungsmerkmal.

Was vielen Unternehmen jedoch nicht bewusst ist — der Kunde stellt im Grunde jenes Element in einer Unternehmung dar, der dieser überhaupt erst einen wahrhaftigen Sinn verleiht. Zum einen bilden Kunden die Abnehmer von Produkten und Dienstleistungen eines Unternehmens, was für die Gewinnerwirtschaftung von zentraler Bedeutung ist. Zum anderen verleihen Kunden der Organisation oder Einrichtung aber erst ihre Existenzberechtigung und das unabhängig davon, ob es sich um eine Autohersteller, ein Krankenhaus, eine Bank oder Dienstleistung handelt. Jegliche Handlung, die im Unternehmen vorgenommen wird, verfolgt somit den Zweck, dem Kunden einen Mehrwert zu bieten und dessen Bedürfnisse zu befriedigen.

Eine Kaufentscheidung wird immer aufgrund vorliegender Bedürfnisse getroffen, mit deren Befriedigung der Kunde einen Mehrwert für sich erhalten möchte. Dieser Mehrwert kann in den verschiedensten Formen bestehen, wie einer Verbesserung seiner Gesundheit, einer Steigerung seiner sozialen Anerkennung oder aber auch einer zusätzliche Sicherheit in beispielsweise rechtlicher, sozialer oder gesundheitlicher Hinsicht. Gute Experience-Unternehmen machen es sich zur Aufgabe, mit ihren Produkten und Dienstleistungen genau diese Bedürfnisse zu erkennen …und zu befriedigen.[2]

Ein weiterer Aspekt, den man in Hinblick auf die Entscheidung eines Kaufes berücksichtigen muss, sind die Emotionen des Kunden. Menschen sind emotionale Wesen, dessen Verhalten hauptsächlich von deren Emotionen gesteuert wird. Durch psychologische Forschungen konnte man feststellen, dass der Kunde mit dem Anbieter und dessen Produkt eine emotionale Beziehung aufbauen muss, damit dieser sich für einen Kauf entscheidet. Je stärker die Bindung zwischen Unternehmen, Produkt/Dienstleistung und Käufer ist, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass der Kunde zu einem treuen Abnehmer des Produktes/der Dienstleistung wird. Und diese dann auch seinem vertrauten Kreis weiterempfiehlt (Nein, das allein sagt ein NPS nicht aus.)

Die Aufgabe des Unternehmens liegt hierbei jedoch nicht nur darin, den Bedarf seiner Zielgruppe zu ermitteln, sondern auch die Gefühle die bei Erfüllung oder eben nicht-Erfüllung des Bedarfes liegt, zu erkennen. Erst dadurch gelingt es, dem Kunden ein Kauferlebnis zu bescheren, das in ihm genau jenes Gefühl auslöst, nach dem sich dieser unbewusst ausrichtet.

Erfolgreiche Strategien stellen daher nicht das Angebot selbst in den Vordergrund, sondern sind bestrebt, den Kunden auf positive Weise zu emotionalisieren. Diese haben es also verstanden, dass Menschen Angebote nicht aufgrund von Überzeugung wahrnehmen, sondern weil diese in ihnen gutes und auf den Kontext passende Gefühle auslösen.[3 ]

Natürlich werden kognitive als auch emotionale Prozesse durch moderierende kontexthängige Variablen wie die Stimmung, das Produktinvolvement oder die Soziodemographie beeinflusst.

Es gilt, kontinuierlich zu emotionalisieren, also auf lange Zeit. Denn der Gewöhnungseffekt neuer Erfahrungen ist ein stetiger Begleiter der Produktenwicklung ().

Kano-Modell

In diesem Zusammenhang erscheint es sinnvoll, das Konzept der zwei Systeme des Nobelpreisträgers für Wirtschaft, Daniel Kahneman zu nennen, um zu verstehen, wie Menschen ihre Auswahl treffen. Kahneman beschreibt in seinem Buch „Thinking, Fast and Slow“ zwei Systeme des Denkens: das schnelle Denken und das langsame Denken. Das „aus dem Bauch heraus“ und das „rationale“ Entscheiden. Obwohl es bei beiden Handlungen um Denkarbeit geht, können beide in einer unterschiedlichen Entscheidung münden. Das System 1 beschreibt eine schnelle, emotionale, automatische, unreflektierte und stets aktive Denke. Das System 2 hingegen stellt eine langsame, anstrengendere, selten aktive, reflektierte und logische Denkweise dar. Abhängig vom jeweiligen System fällt auch der Entscheidungsprozess aus.[4] Und das nicht immer erfolgreich, z.B. Entscheidungen aus der subjektiven Innensicht der Unternehmung, welche oftmals zu Mißerfolgen und Geldverlust führen ohne statistische Begründung oder Research.

Vereinfachte Darstellung der 2 Systeme von Kahneman.

Don Norman unterteilt das menschliche, emotionale Verhalten anhand seines „Three Levels of Design“ in drei Stufen: Die viszerale, verhaltensorientierte und reflektierte Stufe. Die viszerale Stufe des menschlichen, emotionalen Verhaltens beschreibt ein Verhaltensmuster, das durch automatische, schon fast unkontrollierbare und stark von Emotionen geleitete Denkprozesse hervorgerufen wird. Die verhaltensorientierte Stufe wiederum bezieht sich auf eine kontrollierbare, logische und effiziente Verhaltensweise, bei der Gedankengänge darauf abzielen, strategisch an ein Ziel heranzugehen. Die letzte, reflektierende Stufe bildet hingegen jene Verhaltensweise, die klar durchdacht und bewusst eingesetzt wird. Diese Stufe stellt die emotional Höchste aller der drei hier genannten Stufen dar. Sie basiert nämlich auf rationalen Gedankenvorgängen, bei welchen Informationen bewusst aufgenommen, gefiltert und effizient umgesetzt werden. Wichtig dabei ist, dass alle drei Stufen sich gegenseitig beeinflussen und in ihrer Gesamtheit erst ein emotionales Erlebnis für das Individuum schaffen.[5]

Three Levels of Design von Don Norman

Experience und Customer Journey

Im Zusammenhang mit der Bedeutung des Kunden für ein Unternehmen erscheint es wichtig auf den Begriff der Customer Journey einzugehen. Wie bereits erwähnt, verleiht der Kunde dem Unternehmen erst einen Sinn. Deshalb ist es wichtig, sowohl Kunden zu gewinnen durch eine erfolgreiche emotionale Ansprache, als auch den Kunden langfristig an sich zu binden. Und das durch an den Touchpoints angebotene Momente der positiven Erfahrung. Und genau um diese Bindung herzustellen, muss die Experience des Kunden bzw. die Customer Journey tiefergehend betrachtet und kontextuell konzipiert und innoviert werden.

Ein Erlebnis bzw. eine Experience stellt einen Zustand des Erlebens, Denkens, Empfindens, Wahrnehmens, Vorstellens und Fühlens dar, welches von Emotionen getragen wird und immer subjektiv ist.

Im Englischen wird der Begriff der „Experience“ nicht durch ein Erlebnis definiert, sondern umfasst die Bedeutung von sowohl Erlebnis als auch Erfahrung. Der Kontakt mit dem Produkt oder einer Dienstleistung sollte daher ein erwartetes, im besten Fall positiv überraschendes, emotionales Erlebnis auslösen, damit dieses in Erinnerung bleibt. Dies gelingt nur, wenn sich dieses Erlebnis von den alltäglich stattfindenden Erlebnissen unterscheidet und abhebt. Wenn das Erlebnis bzw. die Erfahrung mit dem Produkt oder der Dienstleistung so eindrücklich ist, dass es sogar zur Veränderung der Verhaltensweise oder zur Steigerung der Lebensqualität des Konsumenten führt, wird dieses weitermpfohlen werden und langfristig in dessen Gedächtnis bleiben und auch kurz- oder langfristig neue Möglichkeiten für Geschäft und Bindung erschliessen.

Wichtig ist zu wissen, dass jedes Erlebnis durch bestimmte Reize ausgelöst wird, welcher aus einem Ereignis entsteht und auf den Menschen von außen einwirkt. Diesen Reiz nimmt der Mensch mit seinen Sinnesorganen wahr, wonach psychologische als auch physiologische Prozesse ausgelöst werden. Die psychologischen Prozesse beziehen sich auf die Entstehung von Emotionen und die physiologischen auf bestimmte Gehirnaktivitäten, die schlussendlich in einer gewissen Verhaltensweise münden. Je mehr Sinnesorgane von dem Reiz stimuliert werden, desto langfristiger speichert das Gedächtnis diese Erlebnisse ab.[6] Positive – als auch negative.

In diesem Zusammenhang erweist es sich als sinnvoll, auf den Begriff der Emotionen einzugehen und was man darunter gemeinhin versteht. Der Begriff „Emotionen“ wird sehr häufig mit dem Begriff „Gefühle“ synonym verwendet, wobei diese beiden Begriffe eine unterschiedliche Bedeutung aufweisen, jedoch eng miteinander in Verbindung stehen. Emotionen entstehen auf der Grundlage von gedanklichen Bewertungen einer bestimmten Situation (Reizeinwirkung). Emotionen entwickeln sich anschließend in unserem Gehirn als neurologische Reaktion auf die von außen ausgelöste Reizeinwirkung, woraufhin verhaltensmäßige und physiologische Vorgänge in Gang gesetzt werden. Emotionen entwickeln sich unbewusst und sobald sie uns bewusst werden, sprechen wir von Gefühlen. Gefühle sind also ein Teil unserer Emotionen im Körper.[7]

Emotion

Fakt ist, Emotionen bezeichnen eine psychophysische Bewegtheit, sind verhaltenssteuernd und meßbar anhand der Ausschüttung verschiedener Neurotransmitter, vor allem im limbischen System.

https://de.wikipedia.org/wiki/Limbisches_System

Eine Emotion wird durch eine bewusste oder unbewusste Wahrnehmung eines Ereignisses oder einer Situation ausgelöst. Die Emotion (Affekt) ist vom Fühlen oder dem Gefühl zu unterscheiden.

Aber können wir alle Emotionen benennen die wir fühlen?

Fakt ist, eine präzise wissenschaftliche Definition für den Begriff „Emotion“ gibt es nicht. Aber viele Konzepte dazu. Hier zum Beispiel eine Visualisierung des Psychologen Robert Plutchik, welche zumindest einen Teil der Emotionen darstellt.

Robert Plutchiks Rad der Emotionen Wikipedia

Warum für Organisationen die Customer Journey wichtig ist

Die Customer Journey oder auf Deutsch „Kundenreise“ stellt eigentlich einen Begriff aus dem Marketing dar, welcher die einzelnen Etappen definiert, die ein Kunde durchläuft, bevor er sich dafür entscheidet, ein Produkt zu kaufen und auch langfristig zu nutzen, also loyal bleibt. Diese Reise gliedert sich in unterschiedliche Phasen, die vom ersten Kontakt mit dem Produkt, zum Beispiel auf einer Website, bis hin zur Kaufentscheidung und Nutzung und darüber hinaus reichen. Die Customer Journey umfasst alle Berührungspunkte des Kunden mit dem Produkt oder der Dienstleistung und ist entscheidend für das resultierende Verhalten des Kunden. Was aber oftmals aus der Sicht des Marketings fehlt sind die Touchpoints des Kunden was Produkte und Services angehen — und ein Blick auf Bedürfnisse und Emotionen, welche die Grundlage der Akquisition darstellen.

Obwohl die Kundenreise sich in verschiedene Phasen unterteilt, geht es im Prinzip um einen wesentlichen Faktor: Die ganzheitliche Experience des Kunden. Denn diese ist ausschlaggebend dafür, welches Erlebnis der Kunde mit dem Produkt oder der Dienstleistung hat und sich anschließend weiterhin für dieses Produkt interessiert und dieses sogar an Mitmenschen weiterempfiehlt oder sich von diesem abwendet, dann oft für immer. In den einzelnen Phasen nimmt der Kunde unterschiedliche Emotionen wahr, die wiederum für ein Unternehmen eine wertvolle Chance darstellen. Denn wie bereits erläutert, kann man Kunden durch das Empfinden von positiven Emotionen, die zu einem positiven Kundenerlebnis führen, langfristig für sich gewinnen. Immer zu beachten ist, dass die Kundenreise einer Marke nie alleine für sich steht, sondern immer auch Schnittpunkte mit anderen Marken und Organisationen hat. Diese Aufzuspüren und ins Partnering zu überführen kann zu unvergesslichen Momenten führen.

Es lohnt sich vor allem auch die Customer Journey im Unternehmen über alle Silos (hier Departments) hinweg zu betrachten, weil, wie die Darstellung zeigt, die Verantwortung für eine positive Erfahrung der Kunden ebenso Silo-übergreifend ist.

Die Customer Journey unterteilt sich in folgende fünf Phasen:

1. Phase: Aufmerksamkeit

Am Anfang der Kundenreise kommt es zum erstmaligen Kontakt des Kunden mit dem Produkt oder der Dienstleistung. Es wird also die Aufmerksamkeit in Bezug auf das jeweilige Produkt oder Dienstleistung geweckt. Diese Aufmerksamkeit entsteht aus bestehenden Bedürfnissen heraus. Dabei werden immer parallele „Bedürfnis-Scans“ des Gehirn durchgeführt und in Aufmerksamkeits-Momenten in die Auswahl des Kunden überführt. In dieser Phase kommt es zu den ersten Berührungspunkten zwischen Produkt bzw Dienstleistung und dem Kunden, die zum Beispiel in einer Werbung, Präsentation, Empfehlung oder aber auch in einer E-Mail liegen können.

2. Phase: Interesse/Erwägung

Der Kunde hat nie nur ein bestimmtes Bedürfnis, welches er befriedigen möchte. Das bedeutet, er sucht Lösungen für seine Ansprüche und beginnt sich Angeboten zuzuwenden oder abzuwenden. In dieser Phase entwickelt sich ein Interesse im Kunden für bestimmte Angebote, die dessen Bedürfnis befriedigen können. Hier kann ein Unternehmen versuchen, das Produkt oder Dienstleistung in Berührung mit dem Kunden kommt und zu dessen „Bedürfnis-Scan“ passt und dementsprechend dessen Interesse verstärkt.

3. Phase: Kauf

In dieser Phase kommt es zur Kaufentscheidung. Wie bereits beschrieben, wird eine Kaufentscheidung von Emotionen getragen, weshalb sich der Kunde für jenen Anbieter entscheiden wird, der bei diesem ein positives, emotionales Erlebnis ausgelöst hat. Anschließend kommt es dann zum Kauf des Produktes oder der Dienstleistung. Ein manchmal hohe Hürde für den Kunden .

4. Phase: Lieferung, Nutzung, Service.

Nachdem der Kunde das Produkt oder die Dienstleistung gekauft hat, kommt es darauf an, wie überzeugend diese für den Kunden ist, sprich welche Erfahrung er mit diesem in seiner Nutzung machen wird. Hierbei spielen viele unterschiedliche Faktoren, wie die Qualität, der Kontext, die Optionen die resultieren, die Langlebigkeit, der Support oder auch das äußere Erscheinungsbild eine wesentliche Rolle, welche das Erlebnis nachhaltig beeinflussen können.

5. Phase: Erinnerung und Loyalität

Wenn das Erlebnis mit dem Produkt oder der Dienstleistung für den Kunden auffallend gut war, wird er sich in Zukunft wieder für dieses Produkt oder Dienstleistung von dem gleichen Anbieter entscheiden. Erweist sich die Erfahrung hingegen als negativ, wird der Anbieter den Kunden verlieren und dieser wird sich für ein Produkt oder Dienstleistung der Konkurrenz entscheiden. Immer auf der Suche nach Optionen.

Diese Phasen sollen veranschaulichen, welch wichtiges Element die Kunden-Experience entlang der Kundenreise für ein Unternehmen darstellt und warum Emotionen in jeder Phase auch hier wieder eine bedeutende Funktion einnehmen.[8]

Bedürfnisse des Menschen

Jeder Mensch strebt in seinem Leben prinzipiell danach, seine Bedürfnisse zu befriedigen. Hierbei gibt es sowohl physiologische als psychologische Bedürfnisse, wobei in diesem Abschnitt Bezug auf die psychologischen Bedürfnisse genommen wird, die im Zusammenhang mit dem Sinn hinter eines jeden Kunden für Unternehmen stehen.

Konzepte zur Beschreibung von Bedürfnissen gibt es viele.

Laut dem deutschen Psychotherapieforscher Klaus Grawe zum Beispiel gibt es vier psychologische Grundbedürfnisse, die sich folgend unterteilen:

Das Bedürfnis nach Bindung

Der Mensch strebt nach Bindung und Nähe zu anderen Menschen, einem Partner und einer Familie. Darüber hinaus spielt hier das Umfeld eine bedeutende Rolle, in der sich der Mensch ein soziales System mit Bezugspersonen aufbauen kann.

@benwhitephotography

Das Bedürfnis nach Orientierung und Kontrolle

Menschen haben das Bedürfnis, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen, Einfluss auf die Dinge, die geschehen, zu nehmen, zu planen und sich auch verlassen zu können. Ungewissheit und Unsicherheit sind daher Zustände, die der Mensch eher versucht zu vermeiden.

Das Bedürfnis nach Lustgewinn und Unlustvermeidung

Der Mensch sucht in seinem Leben nach Lust und versucht dabei, Unlust stets zu vermeiden. Das bedeutet, er bestrebt all jene Erfahrungen zu machen, die in ihm ein positives Gefühl auslösen, und jene aus dem Weg zu gehen, die unangenehm und schmerzhaft sind.

Malvestida Magazine

Das Bedürfnis nach Selbstwerterhöhung und Selbstwertschutz

Ein weiteres Grundbedürfnis ist es, seinen eigenen Wert in der Gesellschaft zu steigern und selber als kompetent, gut und wertvoll anerkannt zu werden.[9]

Aber nicht nur Grawe widmete sich der Forschung nach den psychologischen Grundbedürfnissen des Menschen, sondern auch die Autoren Edward Deci und Richard Ryan entwickelten mit ihrer Selbstbestimmungstheorie ein Konzept von drei universellen psychologischen Bedürfnissen, die wie folgt aussehen:

  • Das Bedürfnis nach Kompetenz
  • Das Bedürfnis nach sozialer Eingebundenheit
  • Das Bedürfnis nach Autonomie

Der Psychologe Friedemann Schulz von Thun hat sich mit den psychologischen Grundbedürfnissen des Menschen befasst und stellte vier psychologische Grundbedürfnisse auf:

  • Wertvoll sein
  • Geliebt sein
  • Ein weiteres Grundbedürfnis ist es, geliebt zu werden und auch selbst zu lieben. Der Mensch sehnt sich nach zwischenmenschlichen Beziehungen und die Zugehörigkeit zu einer Familie.
@derekowensheart
  • Frei sein
  • Verbunden sein
  • Zugehörigkeit zu einer Gesellschaft. Ein soziales Umfeld, in das sich der Mensch einbringt und wo er sich mit anderen Menschen verbindet.[11]

Der amerikanische Psychologe Jeffrey E. Young definiert die folgenden 5 psychologischen Grundbedürfnisse des Menschen:

Spontanität und Spiel

In Young’s erstem Grundbedürfnis geht es darum, dass der Mensch das Bedürfnis hat, positive Erfahrungen zu machen. Spaß und Freude am Leben zu haben und glücklich zu sein, stellen jene Faktoren dar, nach welchen der Mensch strebt. Hier wird wieder verdeutlicht, wie der Mensch nach positiven Emotionen und Freude trachtet und dabei aber versucht, negative Erfahrungen und Schmerz zu vermeiden.

Jed Villejo
  • Realistische Grenzen erfahren und selber Kontrolle ausüben können
  • Berechtigte Emotionen und Bedürfnisse frei ausdrücken und ausleben können
  • Ausleben von Emotionen und Bedürfnissen. Es geht hier um die Entfaltung seiner selbst und die emotionale Freiheit ohne Unterdrückung.
  • Autonomie, Kompetenz und Identitätsgefühl
  • Selbstverwirklichung. [12]

Der chilenische Wirtschaftswissenschaftler und Entwicklungsökonom Manfred A. Max-Neef entwickelte ein Modell bestehend aus neun Human Needs, die sich wie folgt untergliedern:

  • Subsistenz und Selbständigkeit
    In Max-Neefs Modell besteht das erste Grundbedürfnis des Menschen darin, dass er danach strebt, geistig gesund und selbständig zu sein.
  • Schutz und Sicherheit
    Der Mensch möchte sich ein soziales Umfeld aufbauen und eine Behausung, in welcher er sich beschützt fühlt und diesem das Gefühl von Sicherheit verleiht.
  • Zuwendung/Liebe
  • Freiheit
  • Identität
    Der Mensch möchte sich mit etwas identifizieren können. Er möchte einer Sprache, Religion, Gewohnheiten und Kultur angehören und sich in dieser entfalten können.
  • Kreativität
    Jeder Mensch möchte seinen Ideen Ausdruck verleihen und sich frei in seiner Entfaltung fühlen.
  • Muße, Spiel, Entspannung
  • Verständnis
    Der Mensch strebt, wie schon in den vorherigen Theorien erkenntlich, nach mentalem Wachstum. Persönliche Weiterentwicklung ist daher eines der Grundbedürfnisse des Menschen.
  • Partizipation

Nach Dr. Guido Beier weist der Mensch 77 Human Needs auf, die sich in physische Bedürfnisse, sinnliche Bedürfnisse, Handlungsbedürfnisse, soziale Bedürfnisse und Identitätsbedürfnisse unterteilen.

  • Physische Bedürfnisse
    Zu den physischen Bedürfnissen gehören Aktivitäten, wie essen, trinken, atmen, schlafen, sexuelle Befriedigung und Gesundheit.
  • Sinnliche Bedürfnisse
    In Bezug auf die sinnlichen Bedürfnisse strebt der Mensch nach Wahrnehmung durch seine Sinnesorgane, wie durch Sehen, Hören, Berühren, Riechen und Schmecken.
  • Handlungsbedürfnisse
    Der Mensch sehnt sich auch danach, Handlungen zu setzen und Steuerung zu übernehmen, indem er sich Ziele setzt, Pläne erstellt, neue Dinge lernt und kreativ ist.
  • Soziale Bedürfnisse
    Die sozialen Bedürfnisse des Menschen beziehen sich auf die Bindung mit anderen Menschen. Freundschaften, Familie, Liebe, Partnerschaften, Eingliederung in ein System und eine Gesellschaft sind hier wichtig.
  • Identitätsbedürfnisse
    Das Bedürfnis nach Identität beschreibt die Selbstverwirklichung und die Freiheit, im Leben das zu machen, was einen erfüllt. Die Realisierung, wer man ist und was man will, genauso wie die Übernahme von Verantwortung.[14]

Der deutsche Professor und Psychologe Marc Hassenzahl hat in Studien herausgefunden, dass die Befriedigung der “Human Needs” einen wesentlichen Einfluss auf die Experience eines Konsumenten mit einem Produkt oder Dienstleistung haben. Durch die Befriedigung der Grundbedürfnisse entsteht ein positives Gefühl im Menschen, wonach sich die Erfahrung auch als positiv erweist.[15]

Needs-Overload?

Ich könnte hier noch lange weitermachen und Bedürfniskonzepte aufzeigen. Wenn man an die Geschwindigkeit von agilen Projekten denkt, sollte man sich auf die wichtigen (Kontext) beschränken. Alles andere bremst aus und führt am Ende auch nicht zu besseren Produkten.

Was ich mit diesem Artikel anregen möchte ist, in Unternehmen Verständnis und die Beschäftigung mit der Psychologie des Menschen zu entwickeln, um zu verstehen, dass diese einen sehr wichtigen Grundbaustein für die Entwicklung von erfolgreichen Produkten und Dienstleistungen darstellt.

Der Mensch als Kunde hat Bedürfnisse, die er befriedigt sehen möchte. Produkte und Dienstleistungen können zur Befriedigung dieser Bedürfnisses des Kunden führen, wobei hier die menschliche Psychologie wieder eine wesentliche Rolle spielt, da jede Kaufentscheidung auf psychologischen Prozessen (die Experience des Kunden) basiert.

Vernachlässigt ein Unternehmen diese psychologischen Einflussfaktoren, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass Unternehmen Kunden verlieren oder weniger Kunden haben als sie eigentlich haben könnten.

Bleibt der Kunde aus, geht auch der Sinn hinter jeder Unternehmung verloren. Die Schlussfolgerung lautet daher, dass es sich für jedes Unternehmen auszahlt, einen professionellen Blick in die Psychologie der Menschen zu werfen und dies auch in der eigenen Organisation zu integrieren. [16]

[1] Merath, Stefan, Fachartikel: Die Bedeutung des Sinns in Unternehmen. https://www.unternehmercoach.com/coach-unternehmer-coaching-bedeutung-des-sinns-in-unternehmen.htm

[2] Li, Linda (2016), Der Sinn des Unternehmens, https://www.zukunftsinstitut.de/artikel/rezensionen/sinn-des-unternehmen-veken/

[3] Graebig, Klaus (2004), Orientierung in Identität — Philosophische Grundlagen des Unternehmens, 1. Auflage, Berlin.

[4] Holt, Jim (2011), Two Brains Running, The New York Times. https://www.nytimes.com/2011/11/27/books/review/thinking-fast-and-slow-by-daniel-kahneman-book-review.html

[5] Komninos, Andreas (2020), Norman’s Three Levels of Design. https://www.interaction-design.org/literature/article/norman-s-three-levels-of-design

[6] Schnorbus, Linda (2016), Erlebnisqualität als Erfolgsfaktor für das Customer Experience Management — Am Beispiel der vom Anbieter beeinflussbaren Kontaktpunkte einer Badepauschalreise.

[7] Farnsworth, Bryan (2020), How To Measure Emotions and Feelings (And the Difference Between Them).

[8] Pennington, Alan (2016), The Customer Experience Book — How to design, measure and improve customer experience in your business.

[9] Borg-Laufs, Michael (2012), Die Befriedigung psychischer Grundbedürfnisse als Weg und Ziel der Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie. https://www.kinderpsychiater.org/fileadmin/downloads/forum/Weisse_Seiten_1-2012/Die%20Befriedigung%20psychischer%20GrundbedÅrfnisse_1-12.pdf

[10] Ryan, Richard M./Deci, Edward L. (2000), Self-Determination Theory and the Facilitation of Intrinsic Motivation, Social Development, and Well-Being. https://selfdeterminationtheory.org/SDT/documents/2000_RyanDeci_SDT.pdf

[11] Ballreich, Rudi (2007), Die Wahrheit beginnt zu zweit!. https://www.schulz-von-thun.de/files/Inhalte/PDF-Dateien/Interview%20Die%20Wahrheit%20beginnt%20zu%20zweit.pdf

[12] D’Amelio, Roberto, Einführung in die Schematherapie nach Jeffrey E. Young. http://www.uks.eu/fileadmin/UKS/Einrichtungen/Kliniken_und_Institute/Medizinische_Kliniken/Innere_Medizin_IV/Patienteninfo/Psychologe/FolienEinfuehrungInDieSchematherapie.pdf

[13] Max-Neef, Manfred A. (1991), Human Scale Development, New York and London. http://www.wtf.tw/ref/max-neef.pdf

[14] Beier, Guido (2020), 77 Human Needs — understand and design human experiences.

[15] Hassenzahl, Marc/Diefenbach, Sarah/Göritz, Anja (2010), Needs, affect, and interactive products — Facets of user experience.

[16] Partala, Timo/Kallinen, Aleksi (2011), Understanding the most satisfying and unsatisfying user experiences: Emotions, psychological needs, and context.

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