Mit High-Fidelity-Prototypen erfolgreich Produktideen präsentieren — warum und wie?

Martina Pröger
team15
Published in
4 min readJul 18, 2019

Vielleicht hatten Sie schon mal eine digitale Produktidee und wollten Entscheider bzw. Stakeholder davon überzeugen? Sie hatten jedoch nur PowerPoint-Slides oder einfache Wireframes zur Verfügung und das Ganze nahm irgendwie nie richtig Fahrt auf? Wahrscheinlich lag es daran, dass Sie Ihre Idee nicht greifbar vermitteln konnten.

Ein Prototyp kann das leisten: Er sagt mehr als 1000 PowerPoint-Slides, so wie ein Bild mehr als 1000 Worte sagen kann. Es reicht aber nicht, wenn dieser noch wie ein „Wireframe-Klickdummy“ wirkt. Ein sogenannter Low-Fidelity-Prototyp besteht aus rudimentär gestalteten, hintereinander geschalteten Oberflächen. Dieser ist z. B. ideal für ein IT-Briefing, aber eher nicht für Entscheider, die es zu überzeugen gilt.

Möglichst High-Fidelity in allen Dimensionen

Am besten kann man eine Produktidee überzeugend rüberbringen, wenn man einen Prototyp auf dem tatsächlichen späteren Endgerät mit einer realistischen Experience präsentieren kann. Der Prototyp muss dafür bezüglich Interaktion, Inhalt und Design möglichst High-Fidelity sein:

Design: Der Prototyp sieht echt aus, die User-Interface-Elemente (Buttons, Pull-downs, Menüs etc.) sind gestaltet.

Inhalt: Die verwendeten Inhalte sind echt bzw. plausibel und vergleichbar mit dem späteren echten Inhalt.

Interaktion: Der Prototyp fühlt sich echt an, ausgewählte User-Interface-Elemente sind bedienbar wie in einem echten Produkt. Die Buttons sind klickbar, die Menüs sind wählbar, die Screenbereiche sind scrollbar etc.

Bild: Beispiele für Low-, Medium- und High-Fidelity-Prototypen

Warum reicht Low-Fidelity oft nicht aus?

  • Ein Prototyp, der sich nicht real anfühlt, setzt eine Vorstellungsleistung des Betrachters voraus. Der Adressat muss sich selber ausmalen, wie das fertige Produkt aussehen könnte — das ist schwer, es funktioniert nicht immer und oft entstehen dabei verschiedene, falsche Bilder von der Idee. Eine Gemeinschaftswirklichkeit ist jedoch wichtig für klare Entscheidungen.
  • Auch sollte man nicht die Wirkung von gutem Design bzw. einer guten Experience unterschätzen. Fehlt diese Wirkung, kann es sein, dass der Wert der Idee geringer eingeschätzt wird. Man denkt zwar, dass man über eine grobe Darstellung hinwegsehen kann, aber irgendwie stört man sich dann doch daran und sei es auch nur unbewusst.
  • Die Adressaten sind meist nicht auf demselben Level, auf welchem sich die Experten im Team befinden. Im Prozess der Konzeption sind Experten sehr stark im Analytik- und Strukturmodus, um Wert und Funktion einer Idee zu beweisen. Die Adressaten bräuchten aber eher eine „visuelle Haptik“, ein klug kreiertes Erlebnis, um Feuer fangen und den Wert der Idee erkennen zu können.

High-Fidelity ist machbar — mit den richtigen Methoden und Tools

Doch wie kommt man in vertretbarer Zeit und mit einem begrenzten Budget zu einem High-Fidelity-Prototyp? Ist das nicht zu aufwendig, zeitintensiv und letztendlich unrealistisch?

Es gibt Methoden, Prozesse und Tools, um in relativ kurzer Zeit aus einem Low-Fidelity- einen High-Fidelity-Prototyp entstehen zu lassen, der sich schon ziemlich echt anfühlt:

Arbeitsweise

Bei team15 haben wir die Erfahrung gemacht, dass man am schnellsten ins kollaborative Machen kommt, wenn man zunächst „Low-Fidelity“ mit Scribbles von Wireframes und der Core-User-Journey am Whiteboard startet. Nach dem nächsten Schritt, dem Basteln eines Papierprototyps, hat man bereits etwas Greifbares in der Hand, das man mit Usern testen kann. Dieser eignet sich auch perfekt als Blueprint für die erste digitale Version des Prototyps. An der kann man dann weiter schleifen und immer mehr Funktionalitäten, Design, Inhalte etc. einbauen, die wiederum getestet werden können. Vorteile dieser agilen Arbeitsweise sind nicht nur die Schnelligkeit, mit der man ins Machen kommt, sondern auch der ständige Abgleich mit den Bedürfnissen der Stakeholder und User. Je früher man etwas zum Testen hat, je kürzer die Iterationen sind, desto besser wird die Experience.

Tools

Es gibt inzwischen viele Tools zur Erstellung von digitalen Prototypen auf dem Markt, die wenig Programmierung erfordern und deshalb zur schnellen, agilen Arbeitsweise passen (Proto.io, Adobe Xd, UX Pin, Invision Studio, Framer, Figma u. v. m.). Damit sind keine langen Entwicklungsphasen nötig.

Scope

Man muss nicht das ganze Tool/Produkt abbilden, um eine Produktidee „verkaufen“ zu können — es reicht die Core-User-Journey, die den Haupt-USP abdeckt. Deswegen ist es wichtig, diesen gleich zu Anfang des Prozesses zu kennen bzw. herauszufinden — gemeinsam mit den Wissensträgern und mithilfe von Nutzererkenntnissen. High-Fidelity bedeutet also nicht, dass man alle Funktionen oder ein komplett fertiges Konzept abbilden muss. Das Ziel ist eine in den wichtigsten Punkten realistische Nutzererfahrung.

Ein High-Fidelity-Prototyp ist nicht das fertige Produkt

Beim High-Fidelity-Ansatz besteht lediglich die Gefahr, dass der Prototyp zu „fertig“ wirkt, was die Weiterentwicklung der Produktidee hemmen kann. Denn wenn die Idee erfolgreich „verkauft“ wurde, muss man mit frischem Elan an die eigentliche Produktentwicklung rangehen können. Hier kann die bewusste Planung von weiteren Iterationen helfen, bei welchen auf Basis von Feedback bestimmte Aspekte noch mal neu gedacht und ausprobiert werden können. Oder man geht von vornherein in eine Challenge mit konkurrierenden Ansätzen, wie z. B. bei Hacksprints.

Es lohnt sich, in die „Greifbarkeit“ der Idee zu investieren

Ein High-Fidelity-Prototyp …

… erzeugt effektiv eine Gemeinschaftswirklichkeit und ist damit eine gute Basis für Entscheidungen

… wirkt hochwertig, die Idee somit auch

… liefert detaillierte Erkenntnisse für die spätere Produktentwicklung

… kann Leute für eine Idee begeistern, während PowerPoint-Slides bzw. Low-Fidelity-Prototypen lediglich Konzepte erklären

Video: Beispiel eines High-Fidelity-Prototyps, den wir bei team15 in zwei Tagen erstellt haben (als „Overnight Prototype“)

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