5 goldene Regeln für erfolgreiches User Testing, von denen niemand spricht

Reto Laemmler
TestingTime UX Blog
5 min readMay 24, 2017

In meiner Tätigkeit als Interaction Designer, habe ich über die letzten Jahre hunderte von moderierten Benutzertests für kleine und grosse Firmen durchgeführt. Neben den bekannten Grundregeln, habe ich dabei wertvolle Erkenntnisse erlangt, was einen guten User Test ausmacht. Für diesen Artikel habe ich meine Erfahrungen in fünf goldene Regeln für erfolgreiches User Testing zusammengefasst.

Wenn du die folgenden Regeln beachtest, wird die Relevanz und Glaubwürdigkeit deines Benutzertests gegenüber allen Stakeholdern noch weiter erhöht.

Die fünf Regeln in der Übersicht:

  1. Die Durchführung eines User Tests ist Teil der User Experience.
  2. Management willkommen! Aber nur bei durchgängiger Teilnahme.
  3. Ein Benutzertest ist keine Show-Veranstaltung.
  4. Spare nicht bei den Testpersonen.
  5. Ein Benutzertest ist kein Projekt. Es ist vielmehr Prozess und Kultur.

1. Die Durchführung eines User Tests ist Teil der User Experience

Testpersonen, die bestehende oder potentielle Kunden darstellen, kommen zu dir ins Büro, um an einem Benutzertest teilzunehmen. User Researcher fokussieren sich oft zu stark auf den Test und vergessen regelmässig, wie wichtig das drumherum ist. Z.B. Kann die Person den Eingang einfach finden? Wird die Person herzlich empfangen? Möchte die Person etwas trinken? All diese Dinge sind wichtig. Die Testperson bewegt sich in völlig unbekanntem Territorium, und es ist deine Aufgabe, dass sie sich wohl fühlt. Der Eindruck, der bei der Testperson bleibt ist meistens eher wie du sie behandelt hast und nicht wie der Prototyp war, den sie gesehen hat. Sei dir dieser Position als Gesicht deiner Firma bewusst. Daher empfehle ich ein paar Getränke und Snacks bereit zu stellen und die Türeingänge gut anzuschreiben (schnapp dir einen gratis Türhänger).

Der Türhänger im Einsatz bei Garaio

2. Management willkommen! Aber nur bei durchgängiger Teilnahme.

Damit Entscheidungen nicht auf schönen Hypothesen basieren, ist es wichtig, dass Entscheidungsträger hautnah miterleben, wie Testpersonen auf einen Prototypen reagieren. Ist eine Person vom Management dabei, ist es auch immer ein gutes Zeichen, dass ein hoher UX Reifegrad in der Firma herrscht. Oft erlebe ich aber, dass sich das Management nur Zeit für einen einzelnen Test nimmt. Das grosse Problem dabei ist, dass in dieser einzelnen Session Dinge passieren können, die über alle Tests hinweg völlig irrelevant sind, aber im Kontext dieses einzelnen Tests als gravierend erscheinen. Damit rennt ein Entscheidungsträger mit einem einzelnen Eindruck zu anderen Stakeholdern und verfechtet Dinge mit der Begründung: “ich habs ja selber gesehen”. Genau das ist enorm gefährlich und lenkt User Research in komplett falsche Bahnen. Können sich Entscheidungsträger nicht für mindestens 3 Sessions verpflichten, macht es viel mehr Sinn ein “Highlight Video” mit den Personen zu teilen. Ist es dir trotzdem wichtig, dass ein Entscheidungsträger dabei ist, hilft oft auch, dass die Person aktiv in die Durchführung des Tests mit einbezogen wird. Z.B. kann diese Person die Rolle des Beobachters übernehmen und aktiv Notizen schreiben.

ZHAW Usability Lab: Blick aus dem Beobachtungsraum

3. Ein Benutzertest ist keine Show-Veranstaltung

Dieses Thema liegt nahe am vorgängigen Thema. Oft wird das Top Management vom Research Team zu einer Session eingeladen, wo demonstriert wird, wie wichtig die Research-Arbeit ist. Man versucht damit die Entscheidungsträger zu überzeugen, dass User Testing eine gute Sache ist und dies auch zukünftig gemacht werden muss. Nur leider wird diese Session oft zur Show-Veranstaltung. Es wird dazu gerne eine ideale Testperson ausgewählt und geschult, um möglichst den Erwartungen des Top Managements zu gefallen. Dies ist völlig kontraproduktiv und hilft weder dem aktuellen Testobjekt noch der ganzen Organisation. Zudem erhalten die Besucher nur einen einzelnen und isolierten Eindruck, was wiederum zu potentiellen Fehlentscheidungen führen kann. Auch hier gilt, die Besucher müssen sich für mindestens drei Sessions verpflichten oder es ist für alle Involvierten besser, dass ein “Highlight Video” im Anschluss produziert und geteilt wird.

4. Spare nicht bei den Testpersonen

Alle zelebrieren den User Centred Design Prozess. Im Kern steht die Testperson, die regelmäßig mit eingebunden wird. Umso mehr erstaunt es mich, wie oft die Kosten für die Rekrutierung sowie der Incentivierung thematisiert werden.

User Centred Design Prozess

In einem durchschnittlichen Benutzertest fallen die Kosten für die Testpersonen als völlig irrelevant auf, verglichen mit den Personalkosten aller Beteiligten. Schlussendlich steht und fällt ein Benutzertest mit guten Testpersonen. Benutzt man Bekannte und Freunde als Testpersonen, spart man leider am falschen Ort. Es verfälscht die Resultate und endet in einer Zeitverschwendung. Gibt es trotz aller Begründungen klare Budget Limiten für die Rekrutierung, empfehle ich auf Guerilla Methoden auszuweichen.

5. Ein Benutzertest ist kein Projekt. Es ist vielmehr Prozess und Kultur.

Viele Projektverantwortliche glauben, dass ein Benutzertest etwas einmaliges ist und als Projekt behandelt werden muss. Oft glauben Projektverantwortliche auch, dass eine Web App zuerst fertig programmiert werden muss, bevor ein Nutzertest durchgeführt werden kann. Einmal testen, ist wie gar nicht testen. Die grösste Herausforderung ist schlussendlich nicht wie man einen Benutzertest durchführt, sondern wie man das Team dazu bringt, dies regelmäßig zu machen. Eine starke UX Kultur herrscht dann, wenn Leute aus anderen Abteilungen bei einem Benutzertest mit dabei sein möchten oder Ideen einbringen, was sie auch gerne testen möchten.

Das Fazit

Ich hoffe dich mit diesen 5 Regeln auf neue User Testing Themen zu sensibilisieren und deren Wichtigkeit aufzuzeigen. Einer der grössten Kritiken von qualitativem User Research ist heute immer noch, dass der Erfolg oder Misserfolg gegenüber quantitativem Research nicht nachhaltig gemessen werden kann. Umso wichtiger ist es, dass du methodisch korrekt vorgehst und dich nach soliden Regeln und “Best Practices” richtest.

Wendest du diese Regeln in deinem Alltag an, steigt deine Glaubwürdigkeit deiner methodischen Fähigkeiten was wiederum einen enormen Effekt auf die Glaubwürdigkeit deiner Resultate mit sich bringen wird.

Interessiert mehr zu diesem Thema zu lernen?

Hast du Interesse mehr zu den wichtigen Regeln in diesem Bereich zu erfahren, dann empfehle ich unsere Anleitung für moderiertes User Testing herunterzuladen.

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