BÄRN — WAS ES NICHT ALLES GIBT

Pamina
TEDx Bern
Published in
4 min readAug 24, 2018

Die verwinkelten Gassen, die versteckten Ecken, die schermenspendenden Lauben, die holprigen Bsetzisteine — ich kenne sie gut die Berner Altstadt. Nicht, dass ich nicht gerne reisen würde und ab und zu fremde Länder auskundschafte, aber Bärn hani eifach gärn.

Immer wieder nehme ich neue Wege durch den Stadtkern von Bern. Immer wieder achte ich mich auf die Kleinigkeiten, die mich auf dem Weg nach Hause begleiten. Bin neugierig und immer wieder erstaunt, dass dies überhaupt geht, wenn von neuem etwas an einem anderen Platz steht.

Es war gar nicht mal so eine besondere Tour, aber ich weiss noch als ich das erste Mal mit dem Senkeltram auf die Pläffä fuhr. Die 31 Meter, die der Lift von der Berner Matte auf die Münsterplattform fährt, sind zwar nicht unbedingt billig, aber doch halt einfach chillig.

Apropos chillig. Ich kam damals gerade von den Ferien zurück, ein kleines Stück Zeit ist vergangen und ich hatte das Verlangen meine Freunde zu sehen und wieder mal aus zu gehen. So standen wir also in der Tube an der Bar und machten die Stimmung für den Abend klar. Als sie mich dann fragten: “Nimmsch o ä Ingwerer?”, wurde ich stutzig. “Ä was?” “Probier einfach!”, war die Antwort und so habe ich das erste Mal den Szeni-Schnaps aus der Lorraine geschluckt und bin dabei unmerklich der gesunden Schärfe wegen zusammen gezuckt.

Kürzlich habe ich gesehen, dass auf der Tourismusseite Bern.com grossgeschrieben steht ‘Flussschwimmen ist in Bern der Volkssport Nummer 1.’ Machbar denke ich, denn auf das Aareschwimmen freue ich mich jedes Jahr, ohne wäre ein Sommer kaum denkbar. “Einfach los lassen, treiben lassen und von der Strömung mitziehen lassen”, sag ich dann und zeige ein Foto der blau-grünen Aare auf meinem Fairphone. Dem Fluss, welcher unsere Stadt so schön umgibt, so dass sich an jeglichen Stellen eine Bademöglichkeit ergibt.

Man sagt mir zwar ich sei digital-affin, und trotzdem mag ich das GPS und die davon gesammelten Daten nicht. Also habe ich das Unverpackt-Lädeli in der Münstergasse anhand von Straßenschildern ausfindig gemacht. Anscheinend tragen die Namensgebungen der Gassen normalerweise immer dieselbe Farbentracht: weiss auf blau. Nicht aber in der Berner Altstadt, welche zu Napoleons Zeit in 1798 im Auftrag der Franzosen in fünf Quartiere eingeteilt wurde. Dort haben die Schilder stattdessen zur Orientierung die Farben: schwarz, weiss, gelb, grün oder rot. Was man nicht alles herausfindet auf der Suche nach einem unverpackten Stück Brot.

Nicht unweit von da befindet sich der Dachspeier. Ich hab mich da schon oft hingestellt und beobachtet wie ab und an ein erstaunter Jauchzer durch die Münstergasse gellt, wenn wieder ein Gutsch Wasser auf das Kopfsteinpflaster fällt und knapp einen nichtsahnenden Altstadt Besucher verfehlt. Der wirkliche Grund dafür sind jedoch die Fünfliber Münzen, die dort am Boden liegen. Wer wird sie wohl jemals kriegen?

Vor nun genau zehn Jahren, waren die Holländer in der Stadt für die Fussball-Europameisterschaften. Diese Herrschaften haben die besten Eigenschaften, sie Festen nämlich heiter und gerne und man erkennt sie bereits aus weiter Ferne. So zaubert mir die Erinnerung noch heute jedes Mal wenn ich über die Kornhausbrücke gehe ein Lächeln ins Gesicht, wenn ich dort das oranje Strassenschild mit der Aufschrift “Korenhuisbrug” in Sicht sehe.

Doch “das Wesentliche ist für die Augen unsichtbar”, dieses Sprichwort von Antoine de Saint-Exupéry wird direkt erlebbar, wenn man sich auf dem stillen Örtchen im Kaffee Montag befindet. Vielleicht dauert es ein Bisschen bis man sich einfindet und alle Gefühle unterbindet, wenn man einen Blick in die mittelalterliche Kanalisation der Stadt wirft, währenddem man seine eigenen Fäkalien gleich mit in den Tunnel wirft. Die Faszination ist aber definitiv gegeben und empfiehlt sich einmal zu erleben.

Laufe ich die Stadt weiter Richtung Bärengraben, gibt es da nicht nur das Narrenpack Theater, sondern auch einen Stadtbach den so manche narrt. In der unteren Gerechtigkeitsgasse, fliesst der Bach allen Erwartungen entgegen aufwärts statt Stadtauswärts. „Diskrete Irritation des gesunden Menschenverstands, die sich ohne grossen Eingriff ins Stadtbild manifestiert“, wurde der Gegenlauf im Fluss genannt, und ist nun als eine unterirdische Aareschlaufe bekannt.

Auf dem Weg klimpern irgendwo zwei Stassenmusikanten “das alte Haus von Rock Docky”, ich summe mit und werfe eine Summe Münzen in die abgetragenen Mützen. Das leere Gespensterhaus an der Junkerngasse 54 fällt mir ein, zum Glück war ich da nie allein. Dort sind die Fenster aufgemalt, die Fassaden alt und der Winter kalt. Halt nichts für einen längeren Aufenthalt.

Nehme ich also heute lieber wieder einen neuen Weg durch den Stadtkern von Bern, achte mich auf die Kleinigkeiten die mich auf dem Weg nach Hause begleiten, bleibe neugierig und staune über alles was es doch gibt.

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