Was kommt/bleibt 2020?
Happy twenty twenty! Wir hoffen, dass Ihr alle gut ins neue Jahr gestartet seid!
Wir haben zwar bereits schon fast Mitte Januar, dennoch die Frage: Was kommt im neuen Jahr?
Welche Themen und Fragen werden uns dieses Jahr wohl als User Experience Designer (weiter) beschäftigen? Wir haben für uns mal eine Auswahl von sechs (Meta)Themen erstellt, die uns am Herzen liegen und an denen wir (weiter) dran bleiben werden.
Viel Spass!
Inklusion und Diversity im Design
Eigentlich dachte man ja mal, dass das Internet und die neuen Technologien die Gesellschaft offener, transparenter und gleicher machen. Nun ja, irgendwo sind wir da wohl falsch abgebogen. Oft sind es gerade die etablierten Mechanismen, die soziale Ungleichheit zementieren und überholte Stereotype am Leben halten. Zum Beispiel werden gerne auch mal geschlechtsrollenspezifische Stereotype in der Technologie einprogrammiert (hier Wozniaks tweet dazu https://twitter.com/stevewoz/status/1193330241478901760) was zu einer Aufrechterhaltung althergebrachter Rollen führen kann. Unter anderem manifestiert sich dies auch in der ewig weiblichen (Sprach)Assistentin: immer freundlich, immer dienend — aber gerne doch etwas … äh ja inkompetent und bitte nur nicht zu *pushy* — selbst anzügliche Anmerkungen lächelt sie nichtssagend weg. Wie praktisch! Daher gilt nach wie vor: Wir müssen marginalisierte Gruppen und auch (kontextuelle) Minoritäten in unseren Designprozess mit einbeziehen um diesen Kreislauf zu durchbrechen.
Hier übrigens drei tolle Bücher, die sich mit dem Thema im weitesten Sinne beschäftigen, vielleicht habt Ihr weitere Tipps? Gerne her damit :)
https://weaponsofmathdestructionbook.com/
https://www.penguin.co.uk/books/111/1113605/invisible-women/9781784706289.html
https://www.indiebound.org/book/9780393356045
Was uns direkt zu User Research führt:
User Research/NutzerInnen forschung:
Erinnert sich noch wer an die Titelmusik der deutschen Sesamstraße? Wer, wie was; wieso, weshalb warum — wer nicht fragt bleibt dumm. Sehr schlau meinen wir — sollte der Titelsong jedes Projektes werden! Aber, auch hier: In unseren Designprozessen wird User Research — von evaluativen Methoden wie Usability-Tests oder Konkurrenz Analysen bis zu grundlegender und explorativer NutzerInnenforschung — leider immer noch zu oft vernachlässigt. Keine Zeit, kein Geld, schnell muss es vor allem gehen. Dabei sollte es doch ganz selbstverständlich in unsere Prozesse eingebunden werden — denn: UX-U = X. Ja genau, so sagte es auch bereits die Nielsen Norman Group, von der wir diese schlaue Formel (die es auf den Punkt bringt) geklaut haben. Denn: User Research ist ein sehr mächtiges Instrument, um positive Veränderungen voranzutreiben und um konkurrenzfähig zu bleiben. Die Zeit die man hier investiert, zahlt sich definitiv aus, sie kann gar sehr viel Zeit und Geld sparen.
Dazu auch interessant:
Mitdenken von Non-User Personas/ Served Personas
„They are not users of the product, but they are directly affected by the use of the product “ so schrieb Alan Cooper bereits sehr weise vor langer langer Zeit in seinem Klassiker „About Face“ um Served Personas zu beschreiben. Diese gilt es auch und gerade in Zukunft verstärkt zu beachten: Viele Services und Designentscheidungen betreffen unsere direkte Umwelt und beziehen oftmals auch Menschen mit ein, die diesen Service oder das Produkt gar nicht benutzen — bei den momentan aufkommenden urbanen Trends wie z.B e-mobility bedeutet dies, auch RollstuhlfahrerInnen oder Menschen mit Kinderwagen, mit denen man den Gehweg teilt, im Hinterkopf zu behalten; bei neuen Fahrservices die generelle Verkehrsbelastung von Innenstädten mit bedenken oder als weiteres Beispiel: bei nativen smartphone Apps, die auf die Kontakte des Telefons zugreifen, die Personen in den Kontakten zu bedenken, die nicht unbedingt in eurer Datenbank landen wollen.
Eine nicht so entfernte Verwandte dazu ist das folgende Thema:
Ethisches Design — und das Valleysche Mantra von “Move fast and break things“ weiterhin sehr kritisch zu hinterfragen
2018 wurde Elaine Herzberg von einem self-driving Car im Zuge eines Tests eben dieser Autos überfahren und starb. Nach dem Absturz zweier Boeing 737 MAX 8 Maschinen kurz hintereinander müssen diese bis auf weiteres am Boden bleiben.
Hier geht es nicht um ein moralisches Dilemma wie das Trolley Problem, welches wir auch im digitalen Kontext nicht lösen werden. Hier geht es um Verantwortung und Human error by Design, welcher vielen Entscheidungsprozessen offenbar standhält. Wir können nicht einfach die Verantwortung auf die Maschinen, PilotInnen oder FahrerInnen von selbstfahrenden Fahrzeugen schieben, wenn die Unternehmenskultur im Zuge eines harten Konkurrenzkampfes „Disruption“, Innovation, Profit und Schnelligkeit über die Sicherheit stellen. Wir meinen: Slow down und fix things. Dafür gilt es, Sensibilität zu schaffen, wie und warum solche Fehler passieren, und dann überlegen, wie man sie minimieren kann.
Das führt uns auch zu….
Design für digitales „well-being“ — oder: Behaviorismus by Design adé!
Ich habe selbst etwas ähnliches vor einigen Jahren erlebt, und das hat mich tatsächlich einigermassen erschreckt: Irgendwo auf einem Werbebanner tauchte wie aus dem Nichts ein roter Punkt auf, ähnlich dem, der erscheint, sobald man bei Facebook eine Notification erhält.“Huch eine Message, schnell gucken, was es Neues gibt” meldete mein Gehirn irrsinnigerweise (es gab ja keine Message!).
Es ist übrigens belegt, dass Dopamin (ein Neurotransmitter, im Alltag gerne auch als das “Glückshormon” bezeichnet) bei Notifications ausgeschüttet wird. Das heisst, wir — also unser Belohnungszentrum im Gehirn — reagieren wie der Pawlowsche Hund auf die Glocke — zwar nicht wortwörtlich sabbernd, aber annähernd — physikalisch auf einen roten Punkt als auslösenden Reiz, den wir kontinuierlich erlernt haben. Engagement heißt das u.a. im Business Slang und das am besten infinite– also die NutzerInnen bei der Stange halten, wie man so schön sagt, oder wie man auch sagen könnte: „Design for Business“ — und zwar Business only. Ja — infinite Scrolling gehört da definitiv dazu.
Und genau hier steckt sie, die Herausforderung, mit der wir als “User Experience Designer” immer wieder konfrontiert werden: Für wen gestalten wir hier eigentlich? Das “Business” oder die Nutzer? Dafür muss man sich klarmachen, dass Geschäftsziele oft ganz weit mit NutzerInnenzielen auseinanderklaffen. Und das ist übrigens nicht nur ein ethisches Problem — sondern auch eine Vertrauensproblem, welches wiederum enorme Auswirkungen auf die Geschäftsziele haben kann, die man doch so gerne erreichen möchte — und zwar negative, aber das ist nochmals ein ganz eigenes, größeres Thema, wie man hier ansatzweise nachlesen kann.
Die Kernfrage, die bleibt ist: Wie bringen wir die geforderten Geschäfts- und NutzerInnenziele zusammen, und zwar so, dass es ethisch vertretbar ist und wir somit beim Human Centred Design bleiben, für welches wir uns als (User) Experience Designer doch angeblich so einsetzen.
Und last but not least — auch nicht zu verachten:
Polite Design / Höfliches Design
Meckernde und pampige ServicemitarbeiterInnen, unhöfliche, aufdringliche oder schweigende VerkäuferInnen— dies alles sind Beispiele, die uns im “real” Life sehr absurd und auch nicht akzeptabel scheinen — und dennoch herrscht drüben, in der digitalen Welt, dieses Verhalten ganz oft vor: Accounts, die man nicht löschen kann und über die man keine Kontrolle hat, Popups, die alle zwei Sekunden auftauchen und ganz unsmart zwanzig mal fragen, ob man sich nicht doch zum Newsletter anmelden möchte, wirre Fehlermeldungen, die uns nicht weiterhelfen undsoweiterundsofort. Sprich: es gibt oftmals noch definitiv keinen selbstverständlichen “Human /User first Ansatz”.
User Centred Design oder User Experience Design wird also — wenn es überhaupt als notwendig erachtet wird — immer noch oftmals einfach als Topping auf ein existierendes Produkt gesehen. Auch hier lautet unsere Mission weiterhin, dies zu ändern.
In diesem Sinne: Power to the people & stay motivated!