Die erste Schublade

oder die Einschulungsuntersuchung!

Melanie Jacobs
The Life Coaching
Published in
3 min readMay 17, 2015

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Als Life Coach arbeite ich in erster Linie daran, erwachsenen Menschen zu helfen, in eine gesunde, sich selbststärkende Haltung zu kommen. Dafür ist es wichtig zu durchschauen, was man über sich selbst denkt. In der Regel beruht das, was wir über uns denken, auf den Beurteilungen unserer Lebensbegleiter sprich Mitmenschen, Eltern, Lehrer, Freunde ect.

Als ich vor einem Jahr mit meiner damals 5-jährigen Tochter bei der Einschulungsuntersuchung war, sollte ich einen Fragebogen über das Verhalten meiner Tochter ausfüllen. Ich hatte die Möglichkeit, zwischen den Antworten : trifft zu: -nicht, -teilweise, -eindeutig zu wählen. Es wurden Fragen gestellt, wie: “Hat er/sie Freunde?” “Kann er/sie teilen?” “Hat er/sie Wutanfälle?” “Mogelt oder stiehlt er/sie?” An der Reaktion meines Körpers in der Bauchgegend merkte ich, dass mir dieses Ausfragen nicht behagte. Als die Sekretärin Folien mit Auswertungsschemata auf das Blatt legte und Zahlen in die Bewertungskästchen schrieb, schnürrte sich mir der Magen zu und meine innere Stimme schrie förmlich immer wieder: Warum muss ich das machen? Warum?? Warum???

Sofort viel mir die Szene aus einem früheren Hörspiel meines Sohnes von „Bob der Baumeister“ ein, in der der Stadtrat bei einem Bauprojekt mit Zettel und Stift die Bauabnahme machte und immer wieder einen Haken auf dem Papier setzte mit dem Wort: „Abgehakt!“.

Ich teilte mein Kind gerade in eine Schublade eines Schubladensystems ein. Welche dieser Schublade als allgemein wünschenswert bewertet wird und welche nicht, hängt von gesellschaftlichen Normen ab. Das Prozedere, dem ich dort ausgesetzt war, dauerte 10 Minuten, aber wie lange es dauern würde, aus einer Schublade wieder herauszukommen, kannte ich aus meiner Arbeit mit Erwachsenen. Wir leben lange mit einem verzerrten Selbstbild, dass andere uns vermittelt haben. Es führt dazu, dass wir uns selbst nicht annehmen, für dumm oder erfolglos halten. Abgehakt? Schon mit 6 Jahren?

Warum muss die Schule das über die Kinder wissen? Klar, dass das liebste Argument lautet: “Damit eventuell Fördermaßnahmen ergriffen werden können.” Aber was soll gefördert werden? Vielleicht soll eine möglichst homogene Lerngruppe geschaffen werden, in der sich auch zurückhaltende Kinder entfalten können. Vielleicht sollen die Kinder gesellschaftsfähig gemacht werden und da ist es gut, wenn man nicht auffällt und sich anpassen kann. Aber sind 6-jährige schon in der Lage, sich gesellschaftsfähig zu verhalten? Was erwarten wir? Ein sechsjähriges Kind handelt impulsgesteuert. Es kann die Konsequenzen seines Verhaltens nicht vorher durchdenken. Auch fehlt ihm die Sprache, um seine Gedanken und Gefühle auszudrücken.

Wohin das führt, damit meine ich, den Stempel aufgedrückt zu bekommen: “So bist Du. Aber so solltest Du sein.”, habe ich selbst erlebt und erlebe ich ständig in meinen Coachings. Es ist das Gefühl nicht richtig zu sein, anders oder falsch. Und es führt dazu, Dinge zu tun, die andere von uns erwarten. Dinge, die wir eigentlich nicht tun wollen, aber machen, um das Gefühl zu bekommen, angenommen zu werden. Bei Vielen unterbindet es die spätere Fähigkeit, Gegebenheiten zu hinterfragen. Einige unterwerfen sich, andere rebellieren.

Wie wäre die Vorstellung, die Schule ließe sich überraschen, wer ihnen geschickt wird? Das würde bedeuten, Erwartungen aufzugeben und das Kind anzunehmen wie es ist.

Was würde passieren, wenn der Lehrer sich ausschließlich auf die guten Eigenschaften des Kindes konzentrieren und es darin bestärken würde? Das heißt, die Stärken zu stärken, anstatt die Schwächen.

Was passiert mit Kindern in einer Klassengemeinschaft, in der alle Kinder voneinander wissen, welche guten Eigenschaften sie haben? Mehr Verständnis füreinander? Größere Akzeptanz untereinander? Weniger Konkurrenz? Mehr Hilfsbereitschaft und Empathiefähigkeit?

Ich denke, die Kinder würden sich zumindest in der Schule als einen wertvollen Teil des Ganzen empfinden. Eine wichtige Voraussetzung für eine vertrauensvolle Beziehung zum Lehrer wäre geschaffen. In dieser Atmosphäre könnten sie wachsen. Lernen und Leistungsbereitschaft würden quasi zum Selbstläufer.

Ach, was wäre die Welt schön und ich (fast) arbeitslos…….

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Melanie Jacobs
The Life Coaching

Hallo, da bin ich! Ich bin Life Coach und ich möchte hier regelmäßig über mein Lieblingsthema schreiben: Wie lebe ich ein sinnerfülltes Leben?