Hotel in Berlin

Juliane Röll
Transition Vignettes
2 min readFeb 16, 2017

Freitag, 9 Uhr morgens, eins der besseren Hotels am Berliner Hauptbahnhof. Tina kommt mit offenem Mantel, in kurzem Kleid, Stiefeln, Schmuck, sauberem Makeup, und wehendem Paillettentuch in die Lobby, legt ihre gold-blau-reverse-french lackierten Fingernägel auf der Rezeption ab und sagt: “Martina Röll. Sie müssten ein Zimmer für mich haben; ich würde gerne schonmal mein Gepäck abstellen…”

Tina hat’s eilig. Sie will zu ihrem Kunden.

Die Rezeptionistin sucht und findet nach einer Weile die Buchung. Guckt mich an:

Und wie heißen Sie?

“Röll. Martina.”

Und die Frau Martina, kommt die auch noch?

“Das bin ich: Martina Röll!”

Ich schaue sie an.

Ja, weil die Buchung auf *zwei* Personen lautet!

Die Rezeptionistin schaut mich an, als ob ich verstehen müsste, was das heißt.

Ich imaginiere ein weißes, weiches Doppelbett und Zweipersonen-Aktivitäten darin. Und ich weiß genau, was ich an dem Abend in dem Zimmer tun werde: nämlich meine Holacracy-Coach-Zertifizierung ablegen. Schade für das Bett, aber wat mutt, dat mutt.

“Ja, nee, ich gehe davon aus, dass ich da alleine bleibe”

Ich frage mich, ob ich noch jemals meinen Koffer abgeben darf; mein Kunde wartet auf mich.

Sie nötigt mich durch den kompletten Anmeldeformular- und Kreditkartensicherheitshinterlegungsprozess. Der ist unnötig, weil das Zimmer im Voraus bezahlt ist, was sie auch bemerkt,“aber trotzdem…”. Aha.

Während wir miteinander Bürokratie machen, laufen mindestens fünf Gäste in den defekten mittleren Lift, werden vom Personal angeherrscht und mit Worten und Gesten auf ein kleines, fehlplatziertes Schild mit winziger Schrift hingewiesen. Nicht auf die funktionierenden Lifte. Verweiflung im Gesicht einer Asiatin mit Riesenkoffer. Konfusion in der Spanischen Reisegruppe. Ich stehe immer noch an der Rezeption.

Meldeformular unterschrieben (“Martina Röll”), Kreditkartenbeleg unterschrieben (“M. Röll”), wenn jetzt noch irgendwelche Fragen offen sind, weiß ich’s auch nicht.

Man nimmt mir dann tatsächlich meinen Koffer ab und tauscht ihn gegen ein Papierblättchen ein, das so klein ist, das ich Angst habe, es sofort zu verlieren.

Draußen an der Bushaltestelle starren sie. Muss der Vollmond sein oder die Trump-Vereidigung oder sowas.

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