Mein bester Freund: Tod aus Verantwortung…?

Bernd Hackstette
DIE VERANTWORTLICHEN
2 min readDec 8, 2018
Photo by Ricardo Gomez Angel on Unsplash

Jörg nahm sich am 29. Juni das Leben. Irgendwann nach 5 Uhr 30, denn die Tageszeitung lag schon auf dem Frühstückstisch.

Am Abend zuvor waren wir um acht verabredet, doch alles blieb still… Meine WhatsApp-Nachricht und die SMS, die ich später noch schickte, hat er wohl nicht mehr gelesen.

Auf der Trauerfeier sah ich seine zweite Frau mit den beiden kleinen Söhnen, drei und fünf Jahre alt. Und die zwei Kinder aus erster Ehe, schon junge Erwachsene.

Die Pastorin beschrieb sein Lebens-Dilemma: „Auch wenn er seine Frau und die Kinder über alles liebte: Er musste bestimmen und konnte keine andere Meinung als seine eigene akzeptieren. So wie er selbst familiäre Gewalt erfahren hatte, setzte auch er seine Meinung durch. Und so zerbrach seine zweite Ehe. Darunter litt er sehr und suchte immer wieder geistigen Beistand.“

Auch mich hatte sein Jähzorn und eine immer irgendwie vorhandene Aggression auf Distanz zu ihm gehen lassen und so manches Mal wollte ich unsere Freundschaft jetzt und gleich beenden. Doch ich konnte auch seinen inneren Kampf spüren und habe dabei immer wieder tiefes Mitleid empfunden. Und ich erkannte, wie gut getarnt eine Depression sein kann.

„Für meine beiden kleinen Kinder ist es das Beste, wenn ich so rechtzeitig verschwinde, dass sie sich kaum oder gar nicht an mich erinnern werden.“ — sagte er mir wenige Wochen vor seinem Tod — „Ich sollte besser den Weg frei machen für einen Mann, der Ihnen ein besserer Vater sein kann“.

Also ein selbst gewählter Tod aus Verantwortung…?
Oder eher eine selbst gebastelte Heldenlegende…?

Diese Fragen habe ich ihm damals gestellt — und auch wollte ich von ihm wissen, warum er mit 47 Jahren eine 26jährige Frau geheiratet hatte, die sich sehnlichst Kinder wünschte.

Er antwortete: „Ich wollte meiner Mutter und meiner Ex-Frau beweisen, dass ich es besser kann.“

Und irgendwann stahl er sich dann aus der Verantwortung — könnte man nun sagen.

Doch das wäre zu einfach. Oder…?

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