Der Fall Özil: Desaster für den DFB

Eva Tepest
upday DE
Published in
3 min readJul 9, 2018

Kurz vor der WM posierten Mesut Özil und Ilkay Gündogan für ein Foto mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan. Seitdem reißt die Debatte um Haltung und Zukunft des Spielmachers nicht ab. Özil verweigerte eine Stellungnahme und der DFB zeigte ein desaströses Krisenmanagement. Wird Özil nie wieder für Deutschland spielen?

Archivbild: Mesut Özil vor dem ersten deutschen Vorrundenspiel (17.06.2018). Foto: Federico Gambarini/dpa

Im Mai ließen sich die Nationalspieler Mesut Özil und Ilkay Gündogan mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ablichten. Sie überreichten ihm Trikots und lächelten. Während Erdogan den Auftritt für seinen Wahlkampf nutzen konnte, ließ “Erdo-Gate” Fußball-Deutschland nicht los. Nach dem Vorrundenaus nahm die Debatte neue Fahrt auf. Letzter Stand: DFB-Präsident Reinhard Grindel fordert, Özil müsse sich endlich zu der Affäre Erdogan äußern. Denn die deutschen Fans verdienten Antworten. “Deshalb ist für mich völlig klar, dass sich Mesut, wenn er aus dem Urlaub zurückkehrt, auch in seinem eigenen Interesse öffentlich äußern sollte”, so Grindel im “kicker”.

Bisher gibt es vom Spielmacher nur ein schmales Statement zu der ganzen Angelegenheit. Nach dem WM-Ausscheiden postete Özil auf Twitter: “Ich werde Zeit brauchen, um darüber hinwegzukommen. #NeinZuRassismus”.

Gibt dieser Tweet Aufschluss über Özils beharrliches Schweigen? Der Rassismus, der Özil vor, während und nach der WM entgegen schlug, ist offensichtlich. Besonders unrühmlich taten sich dabei diverse AfD-Politiker mit Äußerungen auf Twitter und Facebook hervor.

Die Wucht der Häme ist mit Özils sportlicher Leistung nicht erklärbar. Innerhalb einer enttäuschenden deutschen Mannschaft zeigte der Spielmacher noch eine vergleichsweise gute Leistung, wie “Spiegel Online” belegt.

Abgesehen von Özils sportlicher Leistung — ist das, was er getan hat, vertretbar? Und in welchem Verhältnis stehen Politik und Fußball überhaupt zueinander? Für “BILD”-Chefredakteur Julian Reichelt ist es abwegig, Sport und Politik trennen zu wollen. Demnach hätten sich Özil und Gündogan nicht mit Erdogan ablichten lassen sollen. Das gleiche gelte aber ebenso für Lothar Matthäus, der Russlands Wladimir Putin breit lächelnd ein Trikot mit seinem Namenszug überreichte. Alles andere sei scheinheilig.

Für viele wirkt die Causa Özil — und der DFB-Umgang damit — eher so, als ob der Verband nach dem desaströsen WM-Ausscheiden einen Sündenbock sucht. Stellvertretend dafür gilt das Verhalten von Teammanager Oliver Bierhoff. Der legte erst im “WELT”-Interview vor: “Man hätte überlegen müssen, ob man sportlich auf ihn verzichtet”, wurde Bierhoff zitiert. Es hagelte Kritik. Wenige Tage später revidierte Bierhoff seine Aussage: Er habe sich missverständlich ausgedrückt.

Der Unternehmensberater Till Lohmann hält die DFB-Strategie im Umgang mit dem WM-Debakel für ungeschickt. Wenn Führungskräfte in einem Unternehmen in die Schusslinie geraten, sollte sich ihr Arbeitgeber zunächst uneingeschränkt vor die Angestellten stellen, so Lohmann.

--

--

Eva Tepest
upday DE

Mobile Editor bei Upday Deutschland, evatepest.de, Twitter @EvaTepest