Bleibt Merkel wirklich bis 2021 Kanzlerin?

Hans Evert
upday DE
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4 min readOct 29, 2018

Angela Merkel tritt im Dezember als CDU-Chefin ab und spätestens 2021 als Bundeskanzlerin. Das Rennen um ihre Nachfolge ist eröffnet — und könnte Merkel schon viel früher aus dem Kanzleramt bringen.

Kanzlerin-Dämmerung: Angela Merkel (CDU) vor einer Deutschlandfahne. Foto: Fredrik Von Erichsen/dpa

Dieser Auftritt vom Montag, 29. Oktober 2018 um kurz nach 13 Uhr, ist historisch. Es sei an der Zeit, “ein neues Kapitel aufzuschlagen”, sagte Angela Merkel nach einer Sitzung des CDU-Vorstands in Berlin. Und: “Ich wurde nicht als Kanzlerin geboren.” Die Bundeskanzlerin verkündet ihren Abschied aus der Politik.

Spätestens 2021 wird Merkel Polit-Rentnerin, schon im Dezember gibt sie den Parteivorsitz der CDU ab — nach 18 Jahren als Parteichefin und bis heute 13 Jahren an der Spitze der Bundesregierung. Ihre politische Altersteilzeit kommt trotz gefühlt endlosem Koalitionsgezänks, einer Reihe von Wahlschlappen und Umfragetiefs überraschend. Hier könnt ihr noch einmal sehen und hören, was sie genau gesagt hat.

Während Merkel am Montag ihre Erklärung abgab, blickten zwei potenzielle Nachfolger, Gesundheitsminister Jens Spahn und CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer, genau hin, wie WELT-Reporter Robin Alexander notierte

Neben Spahn und Kramp-Karrenbauer gibt es noch einen — überraschenden — Kandidaten für den CDU-Vorsitz: Friedrich Merz.

Wer war noch mal Friedrich Merz?

Merz war bis 2002 CDU/CSU-Fraktionschef. Er zog sich 2004 aus der Politik zurück, nachdem er im CDU-internen Machtkampf Angela Merkel unterlag. Deswegen ist er Merkel in inniger Abneigung verbunden. Zugleich steht er für eine konservative und wirtschafsliberale CDU und erfüllt damit die Sehnsüchte vieler Christdemokraten, die mit Merkels Linksruck der Partei fremdeln. Über sein Interesse an einem politischen Comeback wurde seit Monaten in Berlin geraunt, jetzt ist es offiziell.

Wer sind Merkels potenzielle Nachfolger?

Das Interesse von Kramp-Karrenbauer, Merz und Spahn ist verbürgt. Aber vielleicht steigt auch Armin Laschet, Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens in den Ring? Seit fast zwei Jahrzehnten ist Angela Merkel die mächtigste Frau der CDU. Ihr Verzicht auf den Parteivorsitz löst einen Machtkampf aus, den die CDU schon lange nicht mehr erlebt hat.

Hält Merkel bis 2021 als Kanzlerin durch?

Von außen betrachtet sieht es wie eine souveräne Entscheidung der Bundeskanzlerin aus. Sie gibt einen Teil ihrer Macht ab, und moderiert als Bundeskanzlerin einen geordneten Übergang. Doch der Schritt ist nicht ohne Risiko. Sollte einer ihrer parteiinternen Widersacher wie Spahn oder Merz tatsächlich im Dezember CDU-Vorsitzender werden, ist kaum davon auszugehen, dass sie sich bis 2021 als Bundeskanzlerin halten kann. Sven Afhüppe analysiert im “Handelsblatt”:

Es ist kaum vorstellbar, wie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit einem Parteivorsitzenden Merz oder Spahn gelingen soll.

Was Weggefährten und Konkurrenten sagen

Merkels Entscheidung überraschte am Montagvormittag nicht nur den CDU-Vorstand. Als gegen 10 Uhr die ersten Eilmeldungen liefen, waren SPD, Grüne, FDP und AfD gerade entweder damit beschäftigt, das Ergebnis der hessischen Landtagswahl in ihren Gremien zu diskutieren oder ihre Erkenntnisse dazu der Presse mitzuteilen. AfD-Chef Alexander Gauland gab sich überzeugt, Merkels Entscheidung habe “sehr viel mit uns zu tun”. Und FDP-Chef Christian Lindner findet, Merkel gebe das falsche Amt auf.

Und was sagt Merkel-Widersacher Horst Seehofer?

Für viele Beobachter ist er die personifizierte Koalitionskrise: CSU-Chef und Innenminister Horst Seehofer. Seit Merkels Entscheidung, 2015 viele Flüchtlinge ins Land zu lassen, hat er immer wieder gegen die Bundeskanzlerin opponiert. Die Große Koalition stürzte er innerhalb weniger Monate in zwei tiefe Krisen. Weswegen viele verblüfft waren, als er am Montag sagte:

“Ich will aber nicht verhehlen, dass ich es bedaure.” CSU-Chef Horst Seehofer

Was macht der Koalitionspartner SPD?

Eigentlich wollte die SPD nach der erneuten Schlappe bei der Hessen-Wahl mit einem Forderungskatalog die Union in der Großen Koalition unter Druck setzen. Die Hoffnung: als offensive GroKo-Kraft aus dem tiefen Umfragetal herauszukommen. Schon am Sonntagabend hatte Parteichefin Andrea Nahles dies angekündigt. Doch nach Merkels Ankündigung interessierte sich kaum jemand dafür. Jetzt will die Partei weiter beraten.

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Hans Evert
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