Wegbefördert: Wie die Politik mit dem Maaßen-Kompromiss Vertrauen zerstört

Daniel Walter
upday DE
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4 min readSep 19, 2018

Der Präsident des Verfassungsschutzes, Hans-Georg Maaßen, verliert sein Amt. Statt des einstweiligen Ruhestands erwartet den 55-Jährigen eine neue Aufgabe als Staatssekretär. Und eine Gehaltserhöhung um fast 3000 Euro. Die GroKo ist gerettet — doch der Kompromiss zerstört Vertrauen in die Politik

„Horst Seehofer hat mir gesagt, wenn ich falle, dann fällt er auch”, soll Hans-Georg Maaßen Berichten zufolge vorige Woche vor Unionsabgeordneten verlautbart haben. Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

D ienstagnachmittag beschlossen die Spitzen der Großen Koalition im Kanzleramt: Maaßen verliert seinen Posten. Das wirkt nur auf den ersten Blick wie ein Erfolg der SPD, die auf eine Ablösung gedrängt hatte.

Denn Innenminister Horst Seehofer (CSU) holt Maaßen als Staatssekretär in sein Haus — und befördert ihn damit. Für Maaßen bekommt eine Gehaltserhöhung von fast 3.000 Euro. Statt 11.577 Euro (Besoldungsstufe 9) ein Monatslohn von 14.157 Euro (Besoldungsstufe 11).

Und eine kleine Boshaftigkeit gegen die SPD hatte Seehofer auch noch parat. Damit Maaßen seinen neuen Posten antreten kann, wird ein Staatssekretär mit SPD-Parteibuch in den einstweiligen Ruhestand versetzt.

“Ein Schlag ins Gesicht”

Der ehemalige SPD-Chef Sigmar Gabriel verweist auf das Personaltableau im Innenministerium. Maaßen wird der 9. Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat — darunter keine einzige Frau.

SPD-Chefin Nahles trägt den Kompromiss mit. Doch eine Vielzahl von Sozialdemokraten äußerte sich entsetzt. “Unverständlich”, “dreist”, sind die Wörter, mit denen das Zugeständnis ihrer Partei kommentiert wird. Auch die Opposition kritisiert das Vorgehen.

So der FDP-Chef:

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende übt scharfe Kritik:

CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer verweist darauf, dass die Entscheidung “im Einvernehmen” mit SPD getroffen worden sei.

Einzig von der AfD kommen andere Töne. Der „verdiente Behördenleiter“ Maaßen müsse gehen, weil er der Regierung „nicht genehm“ gewesen sei, erklärte Fraktionschef Alexander Gauland.

“Bild” hat weitere Stimmen gesammelt:

“Er ist die Treppe hinaufgefallen”

Fast alle Kommentatoren sind sich einig: Die Maaßen-Affäre wurde denkbar schlecht gemanagt. Für Stefan Kuzmany von “Spiegel Online” handelt es sich dabei um eine besondere Art der Beförderung:

Maaßen wurde nach oben entsorgt, er ist die Treppe hinaufgefallen.

Evi Seibert geht auf “tagesschau.de” mit der Regierung hart ins Gericht:

Wenn Merkel und Seehofer nicht in der Lage sind, zusammenzuarbeiten, sollen sie es jetzt bitte sofort lassen.

Für Bettina Gaus von der “tageszeitung” offenbart die gesichtswahrende Lösung nur die tieferen Gräben in der Koalition.

Diese Regierung hat keine Gemeinsamkeiten. Der Kitt, der sie zusammenhält, sind das wechselseitige Misstrauen und die feste Absicht, den Bündnispartnerinnen die Butter auf dem Brot nicht zu gönnen.

Stephan Detjen vom “Deutschlandfunk” spricht von einer “Groteske”. Die Beförderungs-Lösung sei ohne die Rolle der AfD jedoch nicht zu begreifen:

Hätte die Kanzlerin seine Entlassung erzwungen, hätte sie der AfD eine Märtyrerfigur geschenkt.

Berhold Kohler, Mitherausgeber der “FAZ”, sieht im Endeffekt den Streit um Migrationsfragen als Epizentrum des Konfliktes.

Gestritten wurde nach Maaßens Aufstieg zum Säulenheiligen der Merkel-Kritiker und zum Mephisto der Merkel-Verteidiger nicht mehr nur um einen Spitzenbeamten, sondern um die ewigen Fragen der Migrationsdebatte.

Für Constanze von Bullion von “Süddeutsche.de” offenbart sich noch ein grundsätzliches Zerwürfnis: zwischen Sicherheitsbehörden und der Kanzlerin.

“Der Fall Maaßen zeigt eine schleichende und bedrohliche Entfremdung. Seit dem Flüchtlingsherbst 2015 hadern Vertreter der Sicherheitsbehörden mit Merkels Migrationspolitik, von Polizeigewerkschaftern bis hinauf zu Behördenleitern.”

Die “Neue Zürcher Zeitung” aus der Schweiz stimmt als eine der wenigen Publikationen mit der Argumentationslinie der Maaßen-Verfechter überein:

Schaut man sich die echten und vermeintlichen Fehlleistungen aus der Distanz an, muss man sagen: Maassens Ablösung ist das Ergebnis einer Kampagne. Der Mann hat in einer aufgepeitschten Situation ein unglückliches Statement abgegeben. Mehr nicht.

Nachfolge offen

Noch bleibt zu klären, wer Nachfolger — oder Nachfolgerin? — Maaßens an der Spitze des Verfassungsschutzes wird. Zwar betonte Innenminister Seehofer, zeitnahe eine Entscheidung fällen zu wollen. Doch auf einen Kandidaten habe man sich noch nicht geeinigt. Laut “tagesschau.de” gibt es mit Torsten Voß, dem Chef des Hamburger Verfassungsschutzes, jedoch einen Geheimtipp.

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