Klimawandel: Ist die Welt nur durch radikale Schritte zu retten?
Ein neuer Bericht des Weltklimarats zeichnet ein düsteres Bild, wenn es nicht gelingt, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dies sei nur mit “nie dagewesenen Veränderungen” möglich, sagen die Experten.
Zwei Monate vor dem nächsten UN-Klimagipfel im polnischen Katowice hat der Weltklimarat (IPCC) einen neuen Bericht vorgelegt. Kernaussage: Es reicht nicht aus, die Erderwärmung auf 2 Grad Celsius zu begrenzen — jene Zahl, die jahrelang als Zielvorgabe der Klimarettung galt. (Hier könnt ihr die 700 Seiten des IPPC-Berichts im Original lesen).
Für den Bericht der IPCC wurden über 6000 Studien analysiert. Zudem wurde er mit Vertretern von 195 Staaten vor der Veröffentlichung abgestimmt, sodass er auch ein politisches Gewicht hat.
Überflutungen drohen
Statt des 2-Grad-Ziels beschwört der IPCC eine maximale Temperaturerhöhung um 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter, das Mitte des 19. Jahrhunderts begann. Andernfalls würde beispielsweise der globale Meeresspiegel im Schnitt um zehn Zentimeter steigen. Das wiederum bedroht viele dichtbesiedelte Küstenregionen auf der Welt. Damit es nicht dazu kommt, verlangt der Weltklimrat: “Die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen erfordert rasche, weitreichende und beispiellose Veränderungen in sämtlichen Bereichen der Gesellschaft.”
Die Art, wie wir leben, steht in Frage
Heizen, Mobilität, Ernährung: Um die Klimaerwärmung zu bremsen, müssen wir laut Weltklimarat unseren Alltag grundlegend verändern. Und viel Zeit bleibt nicht mehr. Bereits jetzt ist es um ein Grad wärmer als vor Beginn der Industrialisierung. Niklas Höhne, Professor für Klimaschutz, bringt die Herausforderung in der “Welt” auf den Punkt:
“Wie wir wohnen, essen, uns fortbewegen, was wir konsumieren. Technische Lösungen alleine werden nicht ausreichen, wir müssen unser Verhalten ändern.“
Ändern die Menschen ihr Verhalten nicht, wäre die 1,5-Grad-Marke womöglich schon 2030 erreicht, spätestens jedoch im Jahr 2052. Schon jetzt sind vor allem Entwicklungsländer stark vom Klimawandel betroffen.
Greenpeace klettert auf deutsches Botschaftsgebäude
Klimaschützer fordern nun vor allem die EU auf, etwas zu tun. Die für Klima sowie Wissenschaft und Forschung zuständigen EU-Kommissare Miguel Arias Cañete und Carlos Moedas kündigten bereits weitere Anstrengungen an. Greenpeace-Aktivisten entrollten am Montag an der Fassade der deutschen Botschaft in London ein Transparent und forderten Deutschlands Kohleausstieg bis 2030.
“Klimaschutz nur in Staatsreden”
Der Bericht des IPPC stellt uns vor existenzielle Fragen, schreibt Nick Reimer auf “Zeit Online”.
“Welches Risiko ist die Menschheit bereit zu tragen? Und auf wessen Kosten?”
Auch Deutschland habe zu wenig unternommen. Die CO2-Emissionen seien noch immer auf dem Niveau von 2009. “Von Senkung keine Spur, Klimaschutz fand höchstens mal in Staatsreden statt.”
Grüne drängen auf schnellen Kohleausstieg
Nach der Veröffentlichung des IPCC-Berichts fordern deutsche Politiker mehr Anstrengungen. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) mahnte, keine Zeit zu verlieren:
“Die nächsten Jahre sind entscheidend, damit unser Planet nicht aus dem Gleichgewicht gerät."
Am Dienstag kommen die EU-Umweltminister zusammen, um auch über den neuen Bericht und dessen Ergebnisse zu beraten. Der Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag, Anton Hofreiter, ruft die Bundesregierung unterdessen dazu auf, die Stromerzeugung aus Kohle schnellstmöglich zu beenden:
“Hitzesommer, Extremwetter, Ernteausfälle — alle Alarmzeichen stehen auf Rot.”