Nach WM-Aus: Folgt für Deutschland eine lange Durststrecke?

Hans Evert
upday DE
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4 min readJun 28, 2018

Die historische Pleite von Kasan sorgt für ein Beben rund um die Nationalelf. Derzeit ist offen, ob Trainer Jogi Löw weitermachen wird. Nach den miesen Leistungen in Russland gibt es eine besonders unangenehme Frage: Ist Deutschland noch gut genug für Weltspitze?

Enttäuschte Fans beim Public Viewing in Hamburg. Foto: Ulrich Perrey/dpa

Macht Joachim Löw weiter oder schmeißt er hin?

Vor dem entscheidenden Spiel hatte DFB-Präsident Reinhard Grindel Löw eine Jobgarantie gegeben. Bereits vor dem Turnier war der Vertrag mit dem Trainer bis 2022 verlängert worden. All das geschah wohl in der Annahme, dass es keine Pleite in der Vorrunde geben würde. Dann kam das WM-Aus mit einem 0:2 gegen Südkorea. Nach der Landung in Frankfurt am Donnerstag sagte Löw:

“Wir müssen überlegen, was wir für Fehler gemacht haben. Es braucht tiefgehende Maßnahmen, klare Veränderungen.“

“t-Online” hat eine Umfrage in Auftrag gegeben und das Ergebnis ist eindeutig: Eine Mehrheit will, dass Löw aufhört.

In den kommenden Tagen soll es eine Entscheidung in der Personalie Nationaltrainer geben. Die Spieler scheinen mehrheitlich dafür, dass Löw weitermacht.

Löw übernahm zwar die Verantwortung für das frühe Aus und will jetzt “in Ruhe analysieren”. Wäre er aber der Richtige für einen Neuanfang? Oliver Fritsch zweifelt daran auf “Zeit Online”

“Kicker”-Chefreporter Karlheinz Wild wird noch deutlicher. “Wenn ich Bundestrainer wäre … würde ich jetzt zurücktreten.”

Wer tritt aus der Mannschaft zurück?

Keiner jubelte, als die 23 Kicker am Donnerstag aus Russland in Frankfurt eintrafen. Stattdessen standen nur Journalisten am Gate und stellten kritische Fragen. Zuvor hatte sich die Nationalelf auf Facebook für die Leistungen bei der WM bei den Fans entschuldigt:

“Es tut uns leid, dass wir nicht wie Weltmeister gespielt haben. Daher sind wir auch verdient ausgeschieden, so bitter es ist.”

Kommt jetzt eine Rücktrittswelle? Seit 2010 prägen Spieler wie Sami Khedira, Mesut Özil, Thomas Müller und Mats Hummels das Nationalteam. Sie alle waren schlecht in Russland. Wie schlecht, hat “n-tv” noch einmal hier Spieler für Spieler durchdekliniert.

Jene Spielergeneration, die 2014 den Titel holte, ist in die Jahre gekommen. Die meisten sind bald 30 Jahre alt, Manuel Neuer und Mario Gomez sogar schon älter. Wie könnte eine reformierte Nationalmannschaft aussehen? “Die Welt” hat sich Gedanken gemacht.

Ist der deutsche Fußball noch konkurrenzfähig?

Confed-Cup 2017 gewonnen, im selben Jahr wurde die U21 Europameister: Nach dem WM-Aus kann es schnell wieder aufwärts gehen. Wirklich? Skeptiker verweisen darauf, dass vieles auf strukturelle Probleme hindeutet. Deutsche Klubs, mit Ausnahme des FC Bayern, sind seit Jahren in Europa kaum noch konkurrenzfähig.

“Tatsächlich ist es ja in den vergangenen Jahren stets so gewesen, dass Löw es mit seinem Team geschafft hatte, den schleichenden Abstieg der Bundesliga im europäischen Vergleich überzukompensieren”, schreibt Jan Christian Müller in der “Frankfurter Rundschau”.

Peter Ahrens richtet bei “Spiegel Online” seinen Blick auf die Rolle des Verbands DFB. Die Nationalmannschaft habe als Produkt, getrieben von Manager Oliver Bierhoff, ein Eigenleben entwickelt. “Dass die Nationalmannschaft, wenn sie sich zu Länderspielen trifft, den ersten Tag gemeinhin komplett mit Werbeaufnahmen verbringt, gehört nicht zu solchen Maßnahmen”.

Was sagt das Ausland über uns?

Seit 2002 war Deutschland stets mindestens im Halbfinale der WM. Und auch davor umgab die DFB-Elf häufig die Aura des kaum besiegbaren Giganten. Nach dem Aus in der Vorrunde dominiert in den meisten Ländern Schadenfreude. Besonders hämisch ist dieser Tweet dieses brasilianischen TV-Senders.

Wer das gute finden will: Selten hatten internationale Schlagzeilen so viele deutsche Vokabeln. Von “Schade Deutschland, alles ist vorbei” bis “Auf Wiedersehen”: ein Überblick.

Wen soll man jetzt anfeuern?

Deutschlands Spieler machen Frusturlaub, aber das Turnier geht noch zwei Wochen weiter. Mit welcher Mannschaft soll man jetzt mitfiebern? Brasilien mit Drama-Queen Neymar? Vielleicht mit den jungen, talentierten Engländern? Oder einfach mit Belgien, weil die auch eine schwarz-rot-goldene Flagge haben? “Süddeutsche.de” macht den Check für heimatlose Fans.

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