Sami A.: Eine Abschiebung wird zum Politikum

Thomas Kieschnick
upday DE
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3 min readJul 18, 2018

Am vergangenen Freitag wurde der mutmaßliche Gefährder Sami A. nach Tunesien abgeschoben. Bereits vor Monaten hatte Innenminister Horst Seehofer (CSU) den Fall zur Chefsache erklärt. Das zuständige Verwaltungsgericht in Gelsenkirchen fühlt sich übergangen und spricht von einer “grob rechtswidrigen” Abschiebung. Wurde die Justiz von den Behörden überrumpelt? Was wird Sami A. überhaupt vorgeworfen? Und kann der Fall Seehofer noch zum Verhängnis werden?

Sami A.s letzte Station in Deutschland: Der Flughafen in Düsseldorf. Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Die Verwirrung begann am vergangenen Freitag, in den frühen Morgenstunden. Beamte der Bundespolizei bringen den islamistischen Gefährder Sami A. von seiner Wohnung in Bochum zum Flughafen in Düsseldorf. Dort wird der 42-Jährige per Charterflug nach Tunesien ausgeflogen. Ein Gericht in Gelsenkirchen hatte zuvor auf die Verhängung eines Abschiebeverbots verzichtet, da laut Bamf keine Abschiebung geplant war. War die Rückführung Sami A.s nur ein Missverständnis oder perfide ausgeklügelt?

MUTWILLIGER VERSTOSS GEGEN DEN RECHTSSTAAT?

Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen wird mit der Abschiebung vor vollendete Tatsachen gestellt. Umgehend wendet sich die Kammer an die Öffentlichkeit. Die Reaktion ist ungewöhnlich scharf:

“Nach dem Beschluss der für das Ausländerrecht zuständigen 8. Kammer des Verwaltungsgerichts Gelsenkirchen vom heutigen Nachmittag stellt sich die Abschiebung als grob rechtswidrig dar und verletzt grundlegende rechtsstaatliche Prinzipien.

“Aus der wegen der fortbestehenden Abschiebungsverbote rechtswidrigen Abschiebung folge die Pflicht der Ausländerbehörde, den Antragsteller unverzüglich auf Kosten der Ausländerbehörde in die Bundesrepublik Deutschland zurückzuholen.

SEEHOFER UNTER DRUCK

Ins Zentrum der politischen Affäre rückte schnell Horst Seehofer (CSU). Hat der Innenminister versucht, die Abschiebung Sami A.s an den Gerichten vorbei durchzudrücken? Am Mittwoch nahm Seehofer erstmals Stellung und wies jegliche Verantwortung von sich. Über die Abschiebung will er erst nach dem Starten des Flugzeugs informiert worden sein. Dabei schien der Fall Sami A. für Seehofer zur persönlichen Angelegenheit geworden zu sein. Bereits im Juni 2018 verkündete er: “Mein Ziel ist es, die Abschiebung zu erreichen, auch in diesem Fall.In den Wochen danach soll er sich täglich nach den Fortschritten im Fall erkundigt haben. Wusste der Minister tatsächlich nichts von der Abschiebung?

WER IST SAMI A.:?

Sami A. kam bereits im Jahr 1997 zum Studium nach Deutschland, ist mit einer Deutschen verheiratet und lebte mit seiner Familie in Bochum. Anfang der 2000er Jahre hielt er sich in Saudi-Arabien und Pakistan auf. Laut Aussage eines Zeugen soll er auch in Afghanistan gelebt haben und dort in der Leibwache Osama Bin Ladens gedient haben. Ein Gerichtsurteil hierzu gab es jedoch nie. Die Sicherheitsbehörden gehen davon aus, dass A. in der salafistischen Szene in NRW gut vernetzt war.

WAS LÄUFT SCHIEF MIT DER DEUTSCHEN ABSCHIEBEPRAXIS?

Die Deportation von Sami A. nach Tunesien ist nicht er erste Fall, bei dem Innenministerium und Bundespolizei in der Kritik stehen. In zwei weiteren Fällen könnten die deutschen Behörden bestehendes Recht, wenn nicht gebeugt, so doch zumindest gebrochen haben:

  • Ali B. — verdächtig des Mordes und der Vergewaltigung — flieht vor der deutschen Polizei ins nordirakische Zakho. Dort wird er von Peshmerga-Einheiten festgenommen und an Bundespolizisten übergeben. Es liegt weder ein Auslieferungsgesuch an die irakischen Behörden vor, noch eine richterliche Entscheidung. DER FALL
  • Nasibullah S. — An seinem 69. Geburtstag scherzte Innenminister Horst Seehofer (CSU), dass ausgerechnet an seinem Geburtstag 69 Afghanen abgeschoben wurden. Einer von ihnen war Nasibullah S. Er muss nun wieder zurück nach Deutschland geholt werden. Sein Asylverfahren war noch nicht abgeschlossen — seit seiner Rückkehr nach Afghanistan lebt er unter gefährlichen Umständen. DER FALL

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