Steuert Erdogan auf eine Niederlage zu?

Hans Evert
upday DE
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3 min readJun 22, 2018

Am Sonntag werden in der Türkei der Präsident und das Parlament gewählt. Präsident Erdogan hat die Wahlen extra vorgezogen, um seinen Sieg zu sichern. Doch Umfragen zeigen einen Abwärtstrend für ihn und seine Partei AKP. Plötzlich scheint eine Niederlage möglich.

Recep Tayyip Erdogan, Präsident der Türkei, spricht zu Anhängern seiner Partei auf einer Wahlkampfveranstaltung. Foto: Uncredited/POOL Presidency Press Service/dpa

Alles schien für ihn angerichtet. Das Referendum zur Verfassungsänderung ging 2017 in seinem Sinn aus. Es würde Recep Tayyip Erdogan beinahe uneingeschränkte Macht garantieren – wenn er denn die Wahl gewinnt. Bis vor kurzem hielten das Beobachter und nicht zuletzt Erdogan selber für eine Formalie.

Schließlich hatte Erdogan Parlaments- und Präsidentschaftswahlen extra zusammengelegt und vorgezogen. Doch vieles deutet mittlerweile daraufhin, dass es alles andere leicht für Erdogan wird. Eine überraschend starke Opposition und der Verfall der heimischen Währung sind zwei von einer Reihe von Gründen.

Türkisches Fernsehen sendet schon mal das Wahlergebnis

Gewählt wird am 24. Juni, das Rennen ist offen, erste Ergebnisse werden erst in der Nacht zu Montag erwartet. Doch das türkische Fernsehen präsentierte schon in dieser Woche Resultate. Demnach gewinnt Erdogan mit 53 Prozent der Stimmen die Präsidentschaftswahl. Woher der staatlich kontrollierte Sender das wusste? Alles nur ein Test, wurde hinterher abgewiegelt. Im Internet hagelte es Proteste.

Währungskrise verteuert das Leben der Türken

Seit 2003 bestimmt Erdogan die Geschicke der Türkei. Und in dieser Zeit, das gestehen ihm selbst die härtesten Kritiker zu, hat sich das Land wirtschaftlich stark entwickelt. Offiziell wächst die Wirtschaft immer noch, um satte 7,4 Prozent im ersten Quartal. Doch das Wachstum ist durch Verschuldung erkauft. Viel entscheidender: Die türkische Lira verliert rasend an Wert. Weil viele Produkte in der Türkei aus dem Ausland stammen, wird das Leben teurer. Die Inflation bedroht den Wohlstand vieler Bürger. Die daraus resultierende Unzufriedenheit könnte sich an den Wahlurnen entladen.

Der Herausforderer ist unerwartet populär

Muharrem Ince galt als Verlegenheitskandidat, dem nicht einmal Parteifreunde viel zutrauten. Doch der 54-jährige Physiklehrer der CHP kommt gut an bei seinen Wahlkampfauftritten. Im Gegensatz zu Erdogan, der sich als Volkstribun gibt, aber in einem Palast mit 1000 Zimmern residiert, führt Ince wirklich ein bescheidenes Leben. Entscheidend für ihn wird sein, ob er auch kurdische Wähler überzeugen kann.

Was Türken von der Wahl erwarten

Erdogan spaltet das Land. Er kann auf Millionen loyaler Unterstützer bauen. Sein Charisma ist unbestritten. Andere Türken stören sich an seiner Wandlung zum Despoten. “Spiegel Online” hat sich bei Wählern umgehört.

Wie Deutschtürken wählen

Fast 1,5 Millionen wahlberechtigte Türken leben in Deutschland. Rund die Hälfte von ihnen hat bereits ihre Stimme abgegeben. In der Vergangenheit war die Unterstützung für Erdogan unter in Deutschland lebenden Wählern deutlich größer als in der Türkei.

Junge Wähler wenden sich ab

Viele junge Türken kennen nur einen Präsidenten: Erdogan. Aber unter der jungen Generation macht sich Überdruss breit. Der türkische Staatschef ist in der Gruppe der 18- bis 27-Jährigen unpopulär. Entscheidet die Jugend die Wahl?

Welche Parteien zur Wahl stehen

Erdogans religiös-konservative AKP wird wohl stärkste Kraft im Parlament, genug für die absolute Mehrheit? Die Opposition rechnet sich Chancen aus. Drei Parteien haben sich in einer Nationalen Allianz zusammengeschlossen. “tagesschau.de” stellt die Parteien und ihre politische Ausrichtung vor.

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Hans Evert
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