Die Schweden-Wahl erinnert an deutsche Verhältnisse

Thomas Kieschnick
upday DE
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3 min readSep 9, 2018

Sinkende Arbeitslosigkeit, Haushaltsüberschuss, gut integrierte Migranten — und doch dürften die Rechtspopulisten ihren Stimmenanteil fast verdoppeln. Nein, das ist nicht das Drehbuch für die Bundestagswahl 2021, sondern die Realität vor dem Urnengang in Schweden an diesem Sonntag. Die rechtspopulistischen Schwedendemokraten könnten stärkste Kraft werden, die ‘etablierten’ Parteien stehen unter Druck. Vieles erinnert an Entwicklungen in Deutschland.

Wahlplakate der regierenden Sozialdemokraten und des Herausforderers Jimmie Akesson im schwedischen Flen. Foto: Michael Probst/AP/dpa

Worum geht’s?

Mit den Gewissheiten der vergangenen Jahrzehnte dürfte es am Sonntagabend vorbei sein. Bislang dominierten Sozialdemokraten und die konservative Moderate Sammlungspartei die schwedische Politik. Jetzt drängen die Rechtspopulisten der Schwedendemokraten (SD) an die Spitze der Wählergunst. Koalieren will keiner mit den Rechten — dabei dürfte es schwierig werden, die SD von den Regierungsgeschäften fernzuhalten. ‘Spiegel Online’ erklärt die Verworrenheiten der Reichstagswahl in Schweden.

Flüchtlinge, Flüchtlinge, Flüchtlinge…

Ein Thema hat den schwedischen Wahlkampf dominiert, wie kein anderes: Migration. Zu Beginn der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 hatte Schweden (gemessen an der Einwohnerzahl) sogar noch mehr Migranten aufgenommen als Deutschland. Bereits im Herbst wurde aber das Asylrecht massiv verschärft. Die Zahl der Asylsuchenden ging deutlich zurück. Die Debatte blieb und nutzte vor allem den Rechtspopulisten der SD— trotz sinkender Arbeitslosigkeit und Wirtschaftsboom.

Sverigedemokraterna — ein rechtsextremes Sammelbecken?

Jimmie Åkesson, Parteivorsitzender der Sverigedemokraterna. Foto: Mats Andersson/TT NEWS AGENCY/dpa

“Designerbrille, akkurater Scheitel und seit neuestem sogar offenes Hemd und gepflegter Dreitagebart” — Jimmie Åkesson ist das sympathische Gesicht der rechtspopulistischen Schwedendemokraten. Er dürfte seine Partei zum dritten Wahlerfolg in Folge führen. Auch aufgrund seines bürgerlichen Auftretens konnten die SD breitere Wählerschichten erreichen. Dabei waren einige SD-Politiker in der Vergangenheit in neonazistischen Organisationen aktiv. Die Opposition beschuldigt die Partei, ein rechtsextremes Sammelbecken zu sein.

Wer wählt eigentlich die Rechtspopulisten?

Manche fühlen sich unsicher, viele seien abgehängt, andere geben sich besorgt. Die Erklärmodelle für den Aufstieg der Rechtspopulisten in Schweden (und auch im Rest Europas) sind vielfältig. Doch wo genau knirscht es in Schweden? Eine Reportage in der Wochenzeitung ‘Der Freitag’ zeigt: In dem skandinavischen Land bestimmen ähnliche Vorurteile und Einschätzungen das politische Klima wie in Deutschland: abgehobene Hauptstadtjournalisten, diffuse Ängste vor Überfremdung, kriminelle Gangs ausländischer Herkunft, islamistischer Terrorismus…

Die ersten Hochrechnungen und Einschätzungen zur Wahl in Schweden gibt es am Sonntagabend aus Stockholm in der Upday-App und auf Twitter: twitter.com/updayDE

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Thomas Kieschnick
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