Was bedeutet die Einigung in der Asylpolitik für Europa?
Nach einem achtstündigen Verhandlungsmarathon einigten sich die Spitzen der EU-Staaten in der Nacht zu Freitag auf einen Kompromiss in der europäischen Asylpolitik. Dieser kommt vor allem rechtsgerichteten Regierungen wie der Italiens entgegen. Doch bringt die Einigung beim EU-Gipfel für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auch den Durchbruch im Streit mit der CSU?
EU-Regierungen verschärfen ihre Asylpolitik
Nach einer langen Verhandlungsnacht einigten sich die Staats- und Regierungschefs in Brüssel auf eine Verschärfung ihrer Asyl-Politik. Konkret bedeutet das: gemeinsame Flüchtlingslager innerhalb der EU. Diese werden vor allem in EU-Ländern am Mittelmeer wie Italien, Spanien und Griechenland entstehen und von der EU unterstützt werden. Zudem sollen auch Aufnahmelager in Drittstaaten, etwa in Nordafrika, geprüft werden — sogenannte “regionale Ausschiffungsplattformen”. Sie sollen in enger Zusammenarbeit mit dem UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR und der Internationalen Migrations-Organisation (IOM) entstehen. Außerdem wird die Grenzschutz-Agentur Frontex bis 2020 gestärkt, die EU-Außengrenzen werden stärker abgeriegelt.
Eine EU-Flüchtlingsquote wird es nicht geben
Die Beschlüsse bringen vor allem Änderungen für den Transport der Migranten über das Mittelmeer. Auf See gerettete Migranten werden nun nicht mehr automatisch nach Italien gebracht, sondern in geschlossene Zentren, wo über ihre Schutzwürdigkeit entschieden wird. Wer schutzwürdige Flüchtlinge von dort aufnimmt, bleibt aber weiter unklar. Zwar hat sich ein knappes Dutzend Länder, darunter auch Deutschland, dazu bereit erklärt, dies zu tun. Doch verpflichtend ist der Beschluss nicht. Eine EU-weite Quote ist somit vom Tisch. Vielmehr werden sich innerhalb Europas einige Staaten weiter weigern, Flüchtlinge aufzunehmen.
Scharfe Kritik von Opposition und Flüchtlingsorganisation
Heftige Kritik an dem EU-Gipfel kam unter anderem vom Geschäftsführer der Flüchtlingsorganisation Pro Asyl, Günter Burkhardt. Er sagte am Freitag:
“Das ist der Gipfel der Inhumanität. Gefolterte und Verfolgte einfach so in Europa wegzusperren, ist inhuman.”
Auch die Hilfsorganisation “Ärzte ohne Grenzen” fand deutliche Worte für die Beschlüsse. In einer Erklärung heißt es:
“Die EU-Staaten müssen zur Besinnung kommen. Sie entziehen sich ihrer Verantwortung, Menschenleben zu retten.”
Was bedeutet der Kompromiss für Merkels Streit mit Seehofer?
Was für Kanzlerin Angela Merkel (CDU) besonders wichtig ist: Die Reaktion der Schwesterpartei CSU auf den europäischen Kompromiss in Sachen Asylpolitik. Und die ist durchaus positiv. Der Gipfel sei ein großer Schritt hin zu einer besseren Migrationspolitik, twitterte Manfred Weber (CSU), der EVP-Fraktionschef im Europaparlament. Auch der CSU-Bundestagsabgeordnete Hans Michelbach nannte die Beschlüsse “ein positives Signal”. Die Parteispitze hält sich allerdings bedeckt: Merkels größter Widersacher, Innenminister Horst Seehofer (CSU), sagte, er wolle erst ein Gespräch mit der Kanzlerin führen, ehe er die Beschlüsse kommentiert.
Seehofer soll bilaterale Abkommen aushandeln
Mehrere EU-Länder sind bereit, mit Deutschland bilaterale Abkommen über die Rücknahme von bereits registrierten Asylsuchenden auszuhandeln. Spanien und Griechenland erklärten sich schon kurz nach dem Gipfel dazu bereit, auch Frankreich, Polen und Dänemark zeigten sich offen. Nach Informationen aus Diplomatenkreisen wird Merkel nun Seehofer mit der Aushandlung der bilateralen Abkommen beauftragen. Genau diese Abkommen hatte der CSU-Innenminister als Bedingung für eine Beilegung des Unionsstreits genannt.