Mord in Istanbul? Was geschah mit Jamal Khashoggi?
Der saudische Journalist Jamal Khashoggi verschwand, nachdem er das Konsulat seines Heimatlandes in Istanbul betreten hatte. Immer neue Hinweise deuten auf einen grausamen Mord hin. In dem komplexen Interessengeflecht spielen auch die Präsidenten der Türkei und der USA eine Rolle.
Seit dem 2. Oktober gibt es kein Lebenszeichen von Jamal Khashoggi. An jenem Tag betrat er das saudische Konsulat in Istanbul, um Dokumente für seine Hochzeit abzuholen. Türkische Behörden erheben Mordvorwürfe. Saudi-Arabien trägt bislang nichts zur Aufklärung bei.
Am Mittwoch meldete das Nahost-Blog “Middle East Eye” schauerliche Details über den angeblichen Mord an Khashoggi. Demnach soll er mit einer Knochensäge zerstückelt worden sein — während er noch am Leben war.
Warum sollten die Saudis ihn ermordet haben?
Der 60-jährige Khashoggi ist in seinem Heimatland ein bekannter Journalist, der beim Königshaus in Riad in Ungnade fiel. 2017 ging er ins Exil in die USA und arbeite dort für die „Washington Post“. In seiner Kolumne kritisierte er den saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman – und der ist im Umgang mit Kritikern genauso gnadenlos wie mit Konkurrenten, die seine Macht bedrohen. “NZZ” erklärt, warum Khashoggi in Ungnade fiel.
Khashoggi verärgerte den mächtigsten Mann Saudi-Arabiens
Salman, der starke Mann in dem Scheichtum, gilt zum einen als Reformer. Er gestattete Kinos in dem ultrareligiösen Land, Frauen dürfen seit kurzem Auto fahren. Zugleich ist er ein Diktator, der gnadenlos gegen Kritiker vorgeht. Vor einigen Monaten ließ er saudische Prinzen und Geschäftsleute in einem Hotel festsetzen. Diese mussten sich freikaufen. Wie rigoros Salman agiert, beschreibt “Cicero”.
Die undurchsichtige Rolle der Türkei
Salman ist ein Auftragsmord zuzutrauen. Wenn Khashoggi nicht tot ist, warum hat Saudi-Arabien ihn nicht längst lebend präsentiert, allein schon, um den immer stärker werdenden internationalen Druck zu parieren?
Pikant ist zudem die Tatsache, dass Khashoggi ausgerechnet in der Türkei verschwand. Die Türken sind mit einem Feind Saudi-Arabiens, dem Emirat Katar, eng verbündet. Auch das Online-Portal “Middle East Eye”, das die schauerlichen Details über den Mord verbreitet hat, wird mutmaßlich aus Katar finanziert. Aber: Ankara will es sich auch nicht mit Riad verscherzen. Der reiche Ölstaat könnte mit Investitionen die darbende türkische Wirtschaft stützen. Weswegen Erdogans Rhetorik angesichts des doch ungeheuerlichen Verdachts recht sanft wirkt, wie der türkische Politologe Sezin Öney bemerkt:
“Wenn man sich die direkten Aussagen der türkischen Seite ansieht, dann sind sie sehr milde im Vergleich zu den früheren Auseinandersetzungen mit Deutschland oder den Niederlanden“
Warum steht Trump so eng zu Saudi-Arabien?
In einem gemeinsamen Statement zeigten sich die westlichen Außenminister der G7-Staaten, darunter Deutschland, „sehr besorgt“ und verlangen Aufklärung. Unterdessen nimmt US-Präsident Donald Trump das Königshaus in Riad in Schutz. Der Kronprinz habe ihm am Telefon die „vollständige“ Untersuchung zugesagt. Antworten würden „in Kürze“ geliefert werden.
Für die USA ist der Fall heikel, da die Trump-Administration Riad zuletzt als engen Verbündeten gegen den Iran und Großabnehmer von US-Rüstungsprodukten sah. Trump machte keinen Hehl daraus, dass er in der Causa nicht riskieren möchte, Arbeitsplätze in den USA zu gefährden.