Im Gespräch mit Nachhaltigkeitswissenschaftler Daniel Fischer aus Lüneburg.

Wir haben uns in einem kleinen UXA-Spezial mit Nachhaltigkeits-Wissenschaftler Daniel Fischer von der Leuphana Universität in Lüneburg zusammengesetzt, um uns über das Thema Lebensmittelverschwendung zu unterhalten. Mit FoodLabHome ist er an einem spannenden Projekt zur Erforschung der Ursachen und Werkzeuge in Bezug auf die Verschwendung von Lebensmitteln in deutschen Haushalten beteiligt. Aber dazu mehr im Interview — viel Spaß beim Lesen! 😊

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Hallo Daniel, könntest du dich und deinen Background kurz vorstellen?

Fangen wir mit dem förmlichen Teil an: Ich bin Assistant Professor für “Sustainability Education” an der Arizona State University (ASU) in den USA. Vorher war ich zehn Jahre lang an der Leuphana, wo ich zuletzt Juniorprofessor für Nachhaltigkeitswissenschaft war. Zwischen der ASU und der Leuphana gibt es eine enge Partnerschaft, unter anderem einen gemeinsamen Studiengang (Global Sustainability Science).

Inhaltlich arbeite ich mit meiner Forschungsgruppe SuCo2 (Kürzel für Sustainable Consumption & Sustainability Communication) an der ASU und der Leuphana an der Frage, wie Menschen durch Lernen und Kommunikation nachhaltigere Lebensstile entwickeln können. Konsum spielt dabei eine Schlüsselrolle — beim Konsum geht es genauso wie bei der Nachhaltigkeit um Bedürfnisbefriedigung. Ein Merkmal heutiger Gesellschaften ist es, Bedürfnisse durch Konsum zu befriedigen — Soziologen sprechen von „Konsumgesellschaften“. Diese Art der Bedürfnisbefriedigung hat zu großartigen Verbesserungen der Lebensverhältnisse für viele geführt, ist aber mit erheblichen Nebenwirkungen für andere Menschen (z.B. Arbeitsbedingungen in Herstellungsländern von Konsumgütern) und die Umwelt verbunden. Wir sind in unserer Forschung daran interessiert, wie wir Bedürfnisbefriedigung — für alle! — nachhaltiger organisieren können. Dabei nutzen und erforschen wir innovative Ansätze wie Achtsamkeit, Storytelling oder Citizen Science (Bürgerwissenschaften).

Ganz persönlich habe ich meinen Hintergrund in den Erziehungswissenschaften — ich habe Lehramt studiert, interessierte mich dann aber schnell auch dafür, wie sich Nachhaltigkeit über den Unterricht hinaus in Bildungseinrichtungen aufgreifen und umsetzen lässt. Ich habe dann einen Master im Bereich Schulentwicklung und Bildungsmanagement gemacht und bin danach an die Leuphana gekommen, um dort in einem großen 3-jährigen Forschungsprojekt mit 6 Bildungseinrichtungen in einem partizipativen Prozess Interventionen — also Verändungsmaßnahmen — zu entwickeln und umzusetzen, die eine nachhaltige Konsumkultur in Schulen anstoßen.

Bildung für nachhaltige Entwicklung und für nachhaltigen Konsum sind seitdem im Zentrum meiner Forschung. Daneben interessiere ich mich aber auch für die breitere Kommunikation rund um Nachhaltigkeit, also z.B. wie Nachhaltigkeitsthemen im Journalismus oder in der Unternehmenskommunikation geframed werden.

Ganz kurz also: wir erforschen, welchen Beitrag Kommunikation und Lernen für einen nachhaltigen Konsum leisten können.

Welche Rolle spielt das Thema Lebensmittelverschwendung in deiner Forschung?

Ernährung ist neben Bauen/Wohnen und Mobilität ein „high-impact“ Bereich im Konsumverhalten, wenn wir uns bspw. CO2-Emissionen anschauen. Neben Fleischkonsum sind Lebensmittelabfälle (LMA) eine der Stellschrauben, um sich klimaverträglicher zu ernähren. Das Thema wurde bislang vor allem im Bereich der Produktion und des Handels erforscht, wo auch eine Menge aussortiert und weggeworfen wird. Auch im Bereich des Außer-Haus-Essens (Restaurants, Kantinen, Mensen) gibt es einige Forschung. Schwieriger ist es mit privaten Haushalten, in denen ein großer Teil unseres Ernährungshandelns stattfindet: man kann eben als Forscher schlecht in die Haushalte gehen und den Menschen dort auf die Finger und den Teller schauen um herauszufinden, was weggeworfen wurde. Auch die Beprobung von Müll hat enge Grenzen. Wir haben also kaum verlässliche Daten über den Umfang und die Klimarelevanz von LMA in privaten Haushalten. Dieses Problem haben wir mit einem Team von insgesamt 5 Professuren an der Leuphana Universität Lüneburg und der Technischen Universität Berlin zum Ausgangspunkt unseres FoodLabHome-Projektes gemacht.

Bei der Initiative FoodLabHome dreht sich alles rund um das Studieren von Haushalten und deren Umgang mit Lebensmitteln sowie deren Verschwendung. Kannst du uns zum Hintergrund des Projekts noch ein wenig mehr erzählen?

Das Projekt wird geleitet von meiner Kollegin Prof. Dr. Simone Abels und vom Bundesministerium für Umwelt (BMU) im Rahmen der nationalen Klimaschutzinitiative gefördert. Wir verfolgen und verbinden drei große Ziele:

1. Erstens wollen mit dem Projekt einen Beitrag leisten zur LMA-Forschung, indem wir Daten dazu erheben, was an LMA in privaten Haushalten anfällt.

2. Zweitens wollen wir die Klimarelevanz dieser LMA bestimmen und dann Interventionsmaßnahmen entwickeln und umsetzen, um LMA in privaten Haushalten und die damit verbundenen Klimawirkungen zu reduzieren.

3. Drittens wollen wir dies gemeinsam mit Schülerinnen und Schülern machen, die selbst in wenigen Jahren Verantwortung für einen eigenen Haushalt übernehmen werden. Unser Ansatz ist, dass die Schülerinnen und Schüler selbst zu Forschenden werden, die ihre eigenen Haushalte unter die Lupe nehmen und dort den Umgang mit Lebensmitteln so verändern, dass weniger weggeworfen wird. Man spricht auch von „Forschendem Lernen“.

Wir sind dabei, den Bildungsansatz mit mehreren Schulen in Berlin und Lüneburg zu erproben. Am Ende soll der Ansatz in Form von Online-Modulen allen Interessierten zugänglich gemacht werden. Auch wollen wir einen Online-Rechner entwickeln, mit dem man die Klimarelevanz der eigenen LMA einfach bestimmen kann — quasi wie mit einem ökologischen Fussabdruck-Rechner. Wir sind nun im zweiten Jahr und sehen, dass es kein leichter Angang ist, alle drei Ziele gleichermaßen zu erreichen. Ich bin sehr gespannt, zu welchen Ergebnissen wir kommen werden und hoffe, dass das Projekt einen kleinen Beitrag dazu leisten kann, dass man Schülerinnen und Schüler als Erforschende ihrer eigenen Lebenswelt stärker ernst nimmt.

Angenommen du müsstest einem deiner Studenten erklären, warum Lebensmittelverschwendung ein ernst zunehmendes Problem ist — wie würdest du es in ein paar kurzen Sätzen machen?

Um die Größenordnung von durch LMA bedingte Klimawirkungen zu verdeutlichen und darüber ins Gespräch zu kommen, würde ich diese Grafik zeigen:

So das war’s auch schon. Ich hoffe das Interview hat euch gefallen und ihr konntet einige wertvolle Informationen zum Thema Lebensmittelverschwendung für euch mitnehmen. Lasst uns heute beginnen die Welt von morgen nachhaltiger zu gestalten! 🌍

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