Content Management als Chamäleon-Disziplin?

Tobias Lübke
Wandel in Kommunikation und Marketing
4 min readJan 20, 2016
Quelle: Maik Meid/flickr.com | Lizenz: CC BY-SA 2.0

Die Anforderungen an moderne Inhalte wachsen: Der Inhalt soll vom anvisierten Medium entkoppelt und anpassbar werden — wie ein Chamäleon. In unserem Studienprojekt zu Content Strategie haben wir uns mit Content Management Systemen auseinandergesetzt.

Die ständig wachsende Anzahl von Kanälen stellt hohe Anforderungen an heute verfügbare CMS. Wäre es nicht reizvoll, Inhalte einmal in einem zentralen System zu erstellen und sie plattformgerecht überall auszuliefern? Create Once, Publish Everywhere! „Medienneutrales“ Arbeiten bedeutet dabei, dass die Inhalte unabhängig vom Medium gespeichert und erst bei der Ausspielung für den Kanal passend aufbereitet werden. Die Zielgruppenspezifität darf dabei nicht verloren gehen. Schließlich hängen die Anforderungen an den Inhalt entscheidend davon ab, wer ihn konsumiert und in welcher Situation sich derjenige befindet. Denkbare Faktoren sind Standort, genutztes Gerät, Bildungsgrad, Sprache, Gehalt, Alter des Konsumenten und vieles mehr. Die Frage lautet also: Wie nutzerneutral kann Content Management überhaupt sein?

Responsive Content statt Responsive Design

In der Unternehmenskommunikation wird längst nicht mehr einseitig kommuniziert. Zusätzlich zu Pressemitteilungen, die über Verteiler an Journalisten gesandt werden, rücken eigene Plattformen wie der Corporate Blog (Owned Media) oder externe Kanäle wie Social Media oder Fachforen (Earned Media; siehe dazu: Ein Überblick: Paid, Curated, Owned and Earned Media) in den Fokus. Die Content Manager haben zwei Wege gefunden, diesem Wandel zu begegnen: plattformspezifische Tools wie etwa Hootsuite zur Aufbereitung des Contents pro Kanal und medienneutrale Alternativen. Dabei geht es nicht ausschließlich um die Aufbereitung von Inhalten, also etwa die Formatierung. Auch die Universalität der Inhalte selbst muss kritisch hinterfragt werden. Ist es sinnvoll, bei der Ausgabe zwischen mobilem Aufruf in der App und dem Aufruf am Laptop zu unterscheiden und unterschiedliche Textvarianten zu bieten? Wie verhält es sich mit Newslettern? Wie mit Print-Variationen des Inhalts? Nach dem Siegeszug von Responsive Design im Webdesign scheint der nächste Schritt, die Inhalte selbst responsiv zu gestalten.

Medienneutrales Content Management

Der Anbietermarkt der CMS ist undurchsichtig. Zahlreiche Angebote werben explizit damit, medienneutrales Publizieren zu ermöglichen. Doch was bedeutet das? Unsere Studienarbeit erstreckt sich auf das Sondieren der Angebote und das Herausarbeiten von Kriterien für medienneutrales Arbeiten. Dies bezieht sich auf die Ablage von Informationen in zentralen Datenbanken, die eine semantische und logische Struktur aufweisen. Texte als solche sollen mit einer Reihe an Metadaten versehen werden. Je nach gewählten Ausspielkanälen kann es etwa relevant sein, an welchem Ort der Text verfasst wurde oder welche Personengruppe vom Inhalt angesprochen werden soll.

Quelle: Eigene Darstellung

Die hinterlegten Informationen der Datenbank werden bei der Publikation wie ein Puzzle zusammengesetzt. Je nachdem, welche Puzzlestücke für das Ausgabemedium geeignet sind. In der Web-Version eines Artikels fügt sich ein eingebundenes Video beispielsweise nahtlos ein, in einem Newsletter hingegen wirkt es deplatziert. Medienneutrales Content Management heißt, Content nicht mehr nach dem Trägermedium einzuordnen, sondern nach semantischer Struktur: Welche Botschaften werden mit welchem Zweck an wen kommuniziert?

Zukunftstöne

Für einige mag ein solcher Umgang mit Content nach einer Zukunftsvision klingen. Fakt ist, dass sich viele Unternehmen die Anforderungen erkannt und ihre Entwicklung von Systemen für diesen Anwendungsfall spezialisiert haben. Statt jeweils ein CMS für Web-Publishing und zur Bespielung von Apps anzubieten, besinnt man sich auf die Wortbedeutung von Content Management: die Verwaltung von Inhalten und das Herstellen von Zusammenhängen untereinander, losgelöst vom verwendeten Ausgabemedium oder späterer Darstellungsform. In unserem Projekt sprechen wir mit Experten aus der Praxis. Wir möchten das Anforderungsprofil an medienneutralen Systeme ebenso aufzeigen wie die Anwenderperspektive eines PR-Managers. Uns interessiert, inwiefern sich Unterschiede zwischen dem journalistischen Umfeld und dem der Öffentlichkeitsarbeit auftun. Zum Abschluss des laufenden Semesters planen wir, die Ergebnisse auf einem Onepager hier auf PR-Fundsachen darzustellen. Ebenso machen wir uns Gedanken zur Konzeption eines Podcasts. Bis dahin gilt es jedoch, noch einige Experteninterviews zu führen und Wissenslücken zu schließen. Wie sieht die konkrete technische Umsetzung der CMS aus? Ist es tatsächlich möglich, die Kanäle Web, Mobile, Print und App in einer einzelnen Anwendung zu bündeln? Oder sind die Content Manager hier einer Traumvorstellung aufgesessen? Je intensiver wir uns mit dem Gebiet auseinandersetzen, desto klarer wird die Tragweite des Themas. In vielen Bereichen sprechen wir noch von Medienneutralität als Zukunftsmusik — dieser zu lauschen ist allerdings eine spannende Angelegenheit.

Quelle: Eigene Darstellung

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